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Überfordern wir unsere Schweine?

Lesezeit: 5 Minuten

NRW will bundesweit ­schärfere Auflagen für die Schweinehaltung einführen. Begründet wird dies mit einer leistungsmäßigen Überforderung. Sind unsere Tiere wirklich „aus der ­Puste“, brauchen wir Leistungs­obergrenzen?


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Keine Frage, hohe biologische Leistungen sind wichtig, wenn man mit der Ferkelerzeugung und Schweinemast Geld verdienen will. Doch je höher wir die Leistungen treiben, desto stärker gerät das System der Tierhaltung aus den Fugen, bis es letztlich ganz aus dem Ruder läuft. Das wollen wir verhindern!


Uns geht es dabei nicht darum, die Leistung der Tiere von vornherein zu „begrenzen“. Unser Ziel ist vielmehr, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Tiere leistungsmäßig nicht zu überfordern. Wer einen Porsche besitzt, muss diesen auch bei hoher Geschwindigkeit sicher fahren können. Viel zu oft stellen wir jedoch fest, dass dieses ungebremste, ständige Mehr an Leistung und Zuwachs auf Kosten des Tierschutzes und der Tiergesundheit geht.


Dazu ein Beispiel: Wenn die Zucht auf immer mehr Ferkel pro Wurf sinkende Geburtsgewichte nach sich zieht und zugleich die Anzahl von tot geborenen Ferkeln zunimmt, muss man sich fragen, ob dies für beide Seiten –Tiere und Landwirte – überhaupt Sinn macht. Aus der Praxis hören wir z. B., dass sich die Anteile an untergewichtigen und tot geborenen Ferkeln in großen Würfen mit 15 und mehr Ferkeln auf 7,7 % bzw. 13,2 % verdoppelt haben. Und auch die Ferkelverluste steigen bei solchen Wurfgrößen teilweise bis auf 24 %. Da wird akuter Handlungsbedarf deutlich!


Vor diesem Hintergrund halte ich eine konsequente innerbetriebliche Erfassung von verendeten, ja sogar tot geborenen oder auch untergewichtigen Ferkeln für unverzichtbar. Denn diese Daten sind der zentrale Beweis für die Fitness der Tiere und damit für die Tiergerechtheit insgesamt. Mithilfe dieser Indikatoren kann auch jeder Landwirt selbst hinterfragen, inwieweit es für seinen Betrieb sinnvoll ist, immer weiter an der Stellschraube „Hochfruchtbarkeit“ zu drehen.


Oder nehmen wir den Bereich Schweinemast: Studien aus den Niederlanden zeigen, dass heute schon bis zu 74 % aller Mastschweine Veränderungen im Magen-Darm-Trakt aufweisen, z. B. Magengeschwüre. Immer höhere Tageszunahmen überfordern folglich den Verdauungstrakt der Tiere und schaden dem Darmmilieu. Das schlägt sich natürlich auf die Futterverwertung und damit die Wirtschaftlichkeit nieder.


Kritisch ist auch, dass sich Störungen im Verdauungstrakt unmittelbar auf die Gesundheit der Atmungsorgane auswirken, denn Lungen- und Darmgesundheit sind ganz eng miteinander verknüpft. Besonders in Betrieben, die trotz vorbildlicher Stallklimabedingungen immer wiederkehrende Probleme mit der Lungengesundheit ihrer Schweine haben, dürfte es daher lohnenswert sein, sich intensiver um die Darmstabilität der Tiere Gedanken zu machen.


Das sind nur zwei Beispiele für aktuelle Probleme im Tierschutz und in der Tiergesundheit der Schweinehaltung. Davor dürfen wir unsere Augen nicht verschließen! Stattdessen müssen wir jetzt gemeinsam anpacken und alles dafür tun, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Und zur Not müssen wir eben auf die „Leistungsbremse“ treten.


Prof. Dr. Friedhelm Jaeger, Leiter des Referats Tierschutz, Landwirtschaftsministerium NRW


CONTRA


Nein, wir überfordern unsere Schweine definitiv nicht! Für uns sind die Absichten des Landes NRW, Leistungsgrenzen einzuführen, eine Kampfansage an alle Schweinehalter. Das Ziel ist, das Wachstum in der Veredlung vollständig auszubremsen. Nichts anderes steckt dahinter!


Zugegeben, passt die Versorgung der Schweine nicht zur Leistung, können Probleme auftreten. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Hätten die Schweinehalter die Rahmenbedingungen für die Tiere – sprich Haltung, Fütterung, Tiergesundheit und ­Management – in den vergangenen Jahren nicht stark verbessert, wären die aktuellen Leistungen gar nicht möglich. Von einem „Burn out“ bei unseren Schweinen kann also nicht die Rede sein!


Fakt ist: Hohe Leistungen und Tierwohl gehen Hand in Hand. So werden gerade in den Mastbetrieben höchste Tageszunahmen erreicht, in denen Haltung, Management und vor allem die Tiergesundheit auf einem Top-Niveau sind. In diesem Punkt brauchen wir uns nicht zu verstecken. Denn aktuelle Studien aus NRW belegen beispielsweise, dass der Verbrauch oraler Antibiotika von 2006 bis 2010 auch ohne rechtliche Vorgaben merklich vermindert wurde – je nach Wirkstoffgruppe zwischen 17 und 75 %.


Natürlich stimmt es, dass die Würfe in den vergangenen Jahren durch züchterische Fortschritte größer geworden sind. Zeitgleich sind aber die Saugferkelverluste im Schnitt der Betriebe konstant geblieben, ja sogar leicht gesunken. Das zeigt, dass die Sauenhalter ihre Hausaufgaben gemacht haben. Sie haben die Wasser- und Futterversorgung optimal an die Bedürfnisse der Sauen angepasst, sodass diese in der Lage sind, mehr Milch zu geben und damit mehr Ferkel aufzu­ziehen. Die Überlebenschancen für leichtgewichtige Ferkel sind dank Wurfausgleich und Milchbeifütterung so gut wie noch nie!


Auch wenn in einzelnen Unter­suchungen scheinbar Indizien für einen negativen Zusammenhang zwischen hoher Leistung und Problemen in der Schweinehaltung gesehen werden, es liegen bis heute keine ausreichend belastbaren wissenschaftlichen Ergebnisse dazu vor. Aktuell forschen Hochschulen und Versuchs­einrichtungen intensiv zum Thema Tierwohl – und zwar mit tatkräftiger Unterstützung aus der Praxis.


Die Politik ist daher besser beraten, auf fundierte Forschungsergebnisse zu warten statt voreilig Schnellschüsse abzufeuern, die den Tieren möglicherweise schaden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier Wahlkampf auf dem Rücken der Tiere und ihrer Halter ausgetragen wird!


Festzuhalten ist: Wir brauchen Tiere mit einem hohen und zugleich aus­geglichenen Leistungspotenzial, um die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit unserer Schweineproduktion zu erhalten, ja möglichst zu verbessern. Das braucht aber Zeit!


Beispiel Zucht: Alle Züchter haben ihre Zuchtziele neu definiert. Die Mütterlichkeit der Sauen, die Über­lebensrate der Ferkel und die Homo­genität der Würfe stehen heute viel mehr im Fokus. Die Ernte fahren wir aber erst in den nächsten Jahren ein.


Die Branche hat das Wohlbefinden ihrer Schweine also nie aus den Augen verloren und wird es auch nicht! Standpauken von der Politik sind völlig fehl am Platz.


Dr. Torsten Staack, Geschäftsführer der ISN-Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands

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