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Frühwarnsystem "SoundTalks": Husten bei Schweinen rechtzeitig erkennen

Mit dem Monitoringsystem „SoundTalks“ lässt sich Husten einige Tage früher entdecken und behandeln. top agrar sprach mit Tierarzt Dr. Martin Pfützner über erste Praxiserfahrungen.

Lesezeit: 6 Minuten

Das Husten-Monitoringsystem "SoundTalks" wurde im Vorfeld der EuroTier 2022 von der DLG mit der Goldmedaille des „Innovation Award EuroTier“ ausgezeichnet. top agrar hat mit Tierarzt Dr. Martin Pfützner über die ersten Erfahrungen mit dem Frühwarnsysten in der Praxis gesprochen. Dr. Martin Pfützner ist Gesellschafter der Tierärztlichen Praxis am Weinberg in Jessen und Wittenberg in Sachsen-Anhalt. Die Praxis betreut neben Rindern, Pferden, Geflügel und Kleintieren im Rahmen der ­tierärztlichen Bestandsbetreuung pro Jahr rund 1 Mio. Schweine, davon etwa 30.000 Zuchtsauen.

Seit wann begleiten Sie das ­Husten-Frühwarnsystem SoundTalks in ­Ihrer Praxis? Gab es einen bestimmten Anlass?

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Pfützner: Einer unserer Mäster setzt das Hustenmonitoring seit gut einem Jahr ein. Anlass war ein Leistungseinbruch in seinem Bestand. Normalerweise kann der Landwirt die Schweine gegen Mastende zügig abverkaufen, sodass die Nachzügler spätestens nach 100 Masttagen das Abteil räumen.Nachdem sich der coronabedingte Schweinestau im letzten Jahr halbwegs aufgelöst hatte, bemerkte der Mäster jedoch einen Leistungseinbruch. In der Mittel- bis Endmast husteten einige Tiere und die Zunahmen brachen ein. Dadurch verlängerte sich die Mastdauer um zwei Wochen.

Als Sofortmaßnahme behandelten wir Schweine mit stark pumpender Atmung mit einem Langzeitantibiotikum. Um die Ursache abzuklären, untersuchten wir den Bestand klinisch, führten Sektionen durch und ließen Gewebeproben veränderter Lungenlappen histologisch untersuchen. Alles deutete auf eine Infektion mit Influenza-, PRRS- bzw. Circoviren oder mit Mykoplasmen hin, obwohl der Ferkelerzeuger gegen diese Erreger impft.Bei der Analyse der Gewebeproben waren alle Tiere positiv auf die genannten Keime, aber jedes Schwein auf einen anderen Erreger. Daher blieb weiterhin unklar, welcher Keim die Erkrankung auslöste.

Und hier kam dann das SoundTalks-Hustenmonitoring ins Spiel?

Pfützner: Ja, um den Primärkeim zu bestimmen, ist es entscheidend, möglichst Tiere in einem ganz frühen Infektionsstadium zu beproben. Das ist bei Husten allerdings nicht ganz einfach, da die Tiere oft erst spätabends oder nachts husten, wenn niemand mehr im Stall ist. Da der Anbieter des Husten-Frühwarnsystems damit wirbt, den Husten drei bis vier Tage früher zu erkennen als durch intensives Beobachten, riet ich dem Landwirt, das ­System in zwei Abteilen versuchsweise zu installieren.

Wie funktioniert das Husten-Frühwarnsystem SoundTalks?

Pfützner: In zwei Metern Höhe werden über den Schweinen sogenannte Monitore aufgehängt. Jeder von ihnen ist mit sechs Mikrofonen und einer Warnleuchte ausgestattet. Die Mikrofone zeichnen rund um die Uhr alle Geräusche im Stall auf. Ein Gerät deckt einen Radius von 10 Metern ab. Die Monitore sind über WiFi miteinander vernetzt und über eine Schnittstelle mit dem Internet verbunden. Von hier werden die Daten an eine zentrale Cloud weitergeleitet und mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) ausgewertet. Die KI filtert Umgebungsgeräusche heraus und wertet die Hustengeräusche mithilfe eines Algorithmus aus. Die Lampe am Monitor leuchtet normalerweise grün. Beim ersten Hustenverdacht springt sie auf gelb und dann auf rot, wenn der Husten stärker wird. Parallel dazu bekommt der Tierhalter und – wenn der Landwirt zustimmt – auch der Tierarzt eine Warnmeldung aufs Handy.

Was ergab die automatische Hustenüberwachung im vorliegenden Fall?

Pfützner: Die Geräuschauswertung zeigte, dass die ersten Hustenprobleme bereits in der Vormast auftraten. Durch genaues Beobachten der betroffenen Buchten konnten gezielt die hustenden Einzeltiere erkannt und antibiotisch behandelt werden. Um den Primärerreger zu bestimmen, haben wir in den betroffenen Buchten Kaustricke aufgehängt und die Speichelflüssigkeit untersuchen ­lassen. Die Auswertung ergab, dass Circoviren für das Hustengeschehen verantwortlich waren. Die anderen ­Erreger kamen erst später hinzu und verschlimmerten die Symptome.

Daraufhin regten wir an, die Circoimpfung im Herkunftsbetrieb der Ferkel umzustellen – von der bisher praktizierten Kombiimpfung auf einen ­Monoimpfstoff. Der Erfolg zeigte sich bereits ab der nächsten Ferkellieferung. Die Zunahmen der Ferkel verbesserten sich deutlich und es trat kaum noch Husten auf. Die Tiere der zweiten bis dritten Ferkellieferung konnten den Maststall dann bereits wieder nach 105 Tagen räumen.

Warum ist es so wichtig, Hustenpro-bleme möglichst früh zu erkennen?

Pfützner: Husten wird häufig von mehreren Erregern gleichzeitig ausgelöst, die sich in ihrer schädigenden Wirkung gegenseitig verstärken können. Deshalb ist es wichtig, den Primärerreger früh ausfindig zu machen und gegenzusteuern, bevor Sekundärerreger die Symptome verschlimmern. So kann der Krankheitsverlauf deutlich verkürzt und das alte Leistungs­niveau schneller wieder erreicht werden. Das kommt dem Tierwohl zugute, spart Tierarztkosten und verbessert die Rentabilität der Schweinehaltung.

Sehen Sie weitere Einsatzmöglichkeiten für das Hustenmonitoring?

Pfützner: Ja, z. B. in der Ferkelaufzucht. Mit SoundTalks kann man die Hustenfreiheit von Mastläufern bescheinigen. Aktuell lassen acht Aufzuchtbetriebe ihre Ferkel vor dem Verkauf von uns per Kaustrick auf PRRS, Influenza, Lawsonien, Mykoplasmen, Glaesserella parasuis, Streptococcus suis und Pasteurellen untersuchen. Die Ergebnisse werden archiviert und dienen bei eventuellen Reklamationen als Beweis, dass die Tiere zum Zeitpunkt des Verkaufs unverdächtig waren. Durch den Einsatz von SoundTalks könnten die Landwirte künftig belegen, dass die Läufer im Aufzuchtstall auch keine Atemwegsprobleme hatten.

Hat SoundTalks die Zusammenarbeit mit Ihren Kunden verändert?

Pfützner: Ja, der Kundenkontakt ist intensiver geworden. Sobald die Landwirte eine Husten-Warnmeldung aufs Mobiltelefon bekommen, rufen sie bei mir an und wir besprechen gemeinsam das weitere Vorgehen. Dadurch können wir früher eingreifen. Unter dem Strich sind wir zwar nicht seltener in den Betrieben, die Besuche erfolgen aber gezielter.

Die Technik ist nicht billig. Rechnet sich der Einsatz von SoundTalks?

Pfützner: Der hier beschriebene Mäster hat von der Firma Boehringer Ingelheim, die SoundTalks vertreibt, ein Starterpaket zum Einführungspreis von 2.360 € (netto) erworben. Es besteht aus einem Gateway, vier Monitoren und einer einjährigen Nutzungslizenz zum Businesstarif, die jährlich verlängert werden kann. Damit überwacht er die Hustenentwicklung in zwei Abteilen mit 1.000 Schweinen.

Dem gegenüber stehen die besseren Leistungen durch die frühe Behandlung des Hustens und die dadurch um zehn Tage verkürzte Mastdauer. Am Ende der Mast fressen die Tiere rund 3 kg Alleinfutter pro Tag. Bei 1.000 Schweinen entspricht das 3 t Futterersparnis pro Tag. Multipliziert mit der um zehn Tage verkürzten Mastdauer ergibt das eine Ersparnis von 30 t je Mastdurchgang. Bei Preisen von 395,50 €/t Alleinfuttermittel (KW 29) in der Endmast beträgt die Gesamtersparnis 11.865 € pro Durchgang. Dabei sind die reduzierten Medikamentenkosten noch gar nicht berücksichtigt.

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