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Wissenschaft bestätigt Vorteile von Ferkelbalkonen

Eine Studie der TiHo Hannover zeigt, dass Ferkel Balkone im Flatdeck attraktiv finden. Zudem schaffen sie mehr Platz. Der Gesetzgeber sollte prüfen, ob er die Zusatzfläche künftig anerkennt.

Lesezeit: 10 Minuten

Unsere Autoren: Jan Laves, Prof. Dr. Nicole Kemper, PD Dr. Michaela Fels, TiHo Hannover

In vielen Ferkelaufzuchtställen wird es allmählich eng, da die biologischen Leistungen im Sauenstall immer weiter steigen. Dabei wäre ausreichend Platz im Flatdeck wichtig. Denn verschiedene Studien zeigen, dass weniger Krankheiten auftreten, wenn jedes Ferkel genügend Platz hat.

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Viele Sauenhalter würden ihren Aufzuchtstall gerne vergrößern und so für mehr Tierwohl sorgen. Eine Gebäudeerweiterung scheitert bislang aber oft an rechtlichen Hürden. Insbesondere das Baugesetzbuch hindert viele Landwirte daran, aktiv zu werden.

Als Alternative bietet sich derzeit der Einbau einer erhöhten Ebene im Abteil an. Die sogenannten Ferkelbalkone haben mehrere Vorteile:

  • Sie können unter anderem dazu beitragen, neue Funktionsbereiche in der Bucht zu schaffen. Das senkt die Stressbelastung für die Tiere und führt zu weniger aggressivem Verhalten.



  • Durch das „Obergeschoss“ in der Bucht steigt das Platzangebot, es wird zusätzlicher Liegeraum geschaffen, die Tiere haben mehr Ausweichmöglichkeiten und es bilden sich Mikroklimabereiche.



  • Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass die Zahl der Hautverletzungen sinkt.

Trotz der vielen Vorteile weigert sich der Gesetzgeber bislang, die Zusatzfläche, die ein Ferkelbalkon bietet, anzuerkennen. Auch das dem Bundeslandwirtschaftsministerium unterstellte Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) lehnt die Anrechnung auf die gesetzlich vorgeschriebene Mindestfläche ab. Kritiker werfen den Wissenschaftlern allerdings vor, sich überwiegend auf ältere Untersuchungen berufen zu haben.

Das Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) hat das zum Anlass genommen, zu untersuchen, welche Vorteile Ferkelbalkone im Alltag bieten. Gefördert wurde das Projekt vom QS-Wissenschaftsfonds. Die Untersuchungen fanden in einem Praxisbetrieb statt. Die Ergebnisse sahen wie folgt aus:

Balkone locken Ferkel an

Die erhöhten Ebenen im Ferkelaufzuchtbetrieb waren bei den Ferkeln äußerst beliebt. Von 450 Aufzuchtferkeln, die in die Auswertung einflossen, wurden 445 Tiere mindestens einmal auf dem Balkon gesehen. Das entspricht einer Besuchsquote von fast 99%!

Die Balkone nutzten sowohl männliche als auch weibliche Tiere gleichermaßen. Mit zunehmendem Körpergewicht bzw. zunehmender Haltungsdauer besuchten die Ferkel die obere Etage häufiger. Das Ergebnis war signifikant. Die Videoauswertungen belegten, dass durch den Einbau eines Plateaus weniger Rangkämpfe stattfinden. Die Tiere waren insgesamt weniger aggressiv.

Über alle Beobachtungszeiträume hinweg nutzten im Mittel knapp 24% der Schweine einer Bucht die erhöhte Ebene gleichzeitig. Die Plateaus waren ein beliebter Treffpunkt. Auf der Plattform wurden in der dritten Aufzuchtwoche mehr Ferkel gleichzeitig beobachtet als zu Beginn bzw. zum Ende der Aufzucht. Die Ferkel gewöhnten sich nach dem Absetzen im Alter von vier Wochen also erst nach und nach an den zusätzlichen „Wohnraum“. Dementsprechend hielten sich in der dritten Woche gleichzeitig die wenigsten Ferkel unter dem Balkon auf, in der sechsten Woche wurde dort der höchste Anteil gemessen.

Weniger Hautverletzungen

Können sich die Ferkel aus dem Weg gehen, sinkt die Zahl der Auseinandersetzungen und somit die Verletzungsgefahr. Wie Übersicht 1 zeigt, führte der Einbau des Ferkelbalkons in der sechsten Aufzuchtwoche zu signifikant weniger Hautläsionen.

In der dritten Aufzuchtwoche gab es im Vergleich zur Kontrollgruppe ebenfalls weniger Hautverletzungen. Nur zu Beginn hatte die zweite Ebene keine Auswirkungen. Das dürfte vor allem daran gelegen haben, dass die Ferkel aufgrund ihres geringen Körpergewichtes in den Tagen nach dem Einstallen in die Bucht noch ausreichend Platz zum Ausweichen hatten.

Balkonferkel wachsen besser

Übersicht 2 zeigt außerdem, dass mehr Platz in der Aufzucht zu höheren Tageszunahmen führt. Über die gesamte Aufzuchtphase hinweg betrachtet erreichten die Ferkel mit Balkonzugang gut 23 g höhere Tageszunahmen. Der Unterschied war signifikant abzusichern.

Vor allem während der zweiten Aufzuchtphase ab dem 22. Tag brachte der Balkon deutliche Effekte. Während die „Balkonferkel“ 596 g pro Tag zunahmen, schafften die Kontrollferkel 562 g. In den ersten drei Wochen war der Unterschied geringer und ließ sich nicht signifikant absichern.

Der anfänglich geringere Einfluss der zusätzlichen Ebene auf die täglichen Zunahmen lässt sich möglicherweise durch den geringeren Flächenbedarf der kleineren Tiere erklären. Innerhalb der sechs Wochen nahmen die Ferkel dann größenmäßig um das zwei- bis dreifache ihrer Körpermasse zu. So stand am Ende der Haltungsperiode relativ gesehen weniger Platz pro Tier zur Verfügung als zum Zeitpunkt des Einstallens. Gerade in dieser Phase zeigte das Angebot einer erhöhten Ebene zur Flächenvergrößerung positive Effekte.

Mehr verschmutzte Ferkel

Nachteile zeigten sich beim Einbau der erhöhten Ebene in puncto Sauberkeit. Wie in Übersicht 3 zu sehen ist, waren in der Bucht mit erhöhter Ebene bei immerhin 5% der Ferkel mehr als 30% der Hautoberfläche verschmutzt. In der Kontrollgruppe war das bei keinem Ferkel der Fall. Das liegt vermutlich daran, dass vom vollperforierten Balkon häufiger Kot und Urin nach unten durch die Kunststoffroste fallen.

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R E P O R T A G E

„Ferkelbalkone sind ein Gewinn fürs Tierwohl“

Helge Niedringhaus hat 136 Ferkelbalkone im Ferkelaufzuchtstall eingebaut. Die Buchtenfläche wurde dadurch um ein Drittel größer. Die Tiere nutzen die Balkone zum Rennen, Liegen und Spielen.

Offiziell angerechnet wird die über Ferkelbalkone zusätzlich geschaffene Buchtenfläche von den Behörden bis heute nicht. Dennoch macht der Einbau einer zweiten Ebene Sinn. „Bei uns im Betrieb hat jedes Ferkel durch das Plateau jetzt 0,42 statt 0,35 m2 Platz. Zudem nutzen nahezu 100% der Tiere die Balkone zum Spielen, Laufen und Ausruhen“, lässt Sauenhalter Helge Niedringhaus keinen Zweifel daran aufkommen, dass er erhöhte Ebenen im Aufzuchtstall für absolut sinnvoll hält.

Der 35-jährige Landwirt aus Petershagen in Nordrhein-Westfalen hat Erfahrung mit Plattformen im Flatdeckstall, denn er hat sie bereits vor gut vier Jahren eingebaut. Auslöser für die Investition war die Teilnahme des Betriebes an der Initiative Tierwohl (ITW). „Für 20% mehr Platz gab es damals 1,20 € pro Ferkel extra. Zudem setzen wir immer mehr Ferkel pro Sau und Jahr ab, sodass ich mehr Platz im Ferkelaufzuchtstall schaffen wollte. Außerdem wollte ich die Würfe nicht mischen“, nennt Niedringhaus drei wichtige Gründe für seinen Entschluss.

Vor dem Kauf der Balkone hat sich der Unternehmer, der rund 750 Topigs TN 70 Sauen hält und inzwischen fast 34 Ferkel pro Sau und Jahr absetzt, bei anderen Landwirten über die Vor- und Nachteile erkundigt. Nach einigen Betriebsbesuchen bei Berufskollegen war ihm schnell klar, dass die erhöhten Ebenen eine sinnvolle Investition sind. „Zuerst habe ich probeweise eine Bucht damit ausgerüstet. Nach kurzer Zeit stand dann fest, dass ich die Investition in Höhe von rund 600 € pro Bucht für alle 4000 Ferkelaufzuchtplätze tätige“, erinnert sich der Ferkelproduzent.

Ein Drittel mehr Platz

Die 136 Balkone im Ferkelaufzuchtstall sind 3 m breit und 1,25 m tief. Dadurch schaffte der Landwirt ohne bauliche Veränderungen an der Stallhülle 3,75 m2 zusätzliche Fläche pro Bucht.

Der Boden besteht aus handelsüblichen Kunststoffelementen, die auf Unterzügen aus Metall aufliegen. Im hinteren Drittel des Balkons sind rechts und links zwei stabile Scharniere in Form von Rohren montiert. So kann der Landwirt die Zusatzfläche beim Reinigen bequem nach oben an die Wand kippen. „Dadurch, dass der Drehpunkt nicht direkt hinten an der Wand sitzt, ist das Wegklappen wirklich leicht zu meistern. Auch unsere weiblichen Mitarbeiter und Lehrlinge können das gut schaffen“, freut sich Niedringhaus.

Trittsichere Rampe wichtig

An der Vorderseite ist ein ca. 25 cm hohes Gitter als Absturzsicherung angeschraubt. Die Rampe zum Balkon weist eine Steigung von 45 Grad auf und besteht aus Dreikantstahl, auf dem im Abstand von ca. 20 cm in Querrichtung Vierkantrohre aufgeschweißt sind. Zuerst hatte der Sauenhalter Kunststoffroste als Auftrittsfläche getestet. Doch diese erwiesen sich als viel zu glatt. „Die raue Oberfläche des Dreikantstahls in Verbindung mit den Querrohren funktioniert als Lauframpe super. Die Ferkel flitzen problemlos rauf und runter, und Verletzungen hat es bis heute bei keinem Ferkel gegeben“, zeigt sich Niedringhaus mehr als zufrieden.

Den Aufstieg kann der Unternehmer ebenfalls zur Seite klappen. So geht das Reinigen der Unterseite auch hier kinderleicht. Damit die Ferkel die Rampe bequem betreten können, rät Helge Niedringhaus dazu, diese etwa 40 cm vor der Buchtenwand enden zu lassen. „So können sich die Ferkel gerade vor den Aufgang stellen und hinauflaufen“, lautet der Tipp des Landwirts.

Den Überblick über die Bucht bzw. die Ferkel verliert Helge Niedringhaus trotz der erhöhten Ebenen übrigens nicht. „Die Balkone sind in ca. 1 m Höhe an der dem Kontrollgang gegenüberliegenden Seite eingebaut. Vom Gang aus kann ich deshalb auch den Bereich unter dem Plateau sehr gut einsehen. Hinzu kommt, dass sich die Ferkel auf beiden Ebenen gut verteilen. Auch das erleichtert die Tierkontrolle“, erklärt der Landwirt zufrieden.

Auf die Funktion der Lüftung hat sich der Einbau nicht negativ ausgewirkt. Im Betrieb Niedringhaus fällt die Zuluft durch Deckenventile in den Futtergang und strömt von dort in die Buchten. „Wie sich die Lüftung verhält, wenn Rieselkanäle über den Balkonen sitzen, kann ich nicht beurteilen. Am sichersten ist es, vorab mit dem Lüftungsberater zu sprechen“, rät Helge Niedringhaus.

Nachmittags ist Hochbetrieb

Spannend war für Niedringhaus und seine vier Mitarbeiter zu beobachten, wie die Ferkel die erhöhten Ebenen im Tagesverlauf nutzen. Überrascht war er davon, dass fast 100% der Tiere die Balkone besuchen. „Das hätte ich nicht gedacht“, gibt er ehrlich zu.

Außerdem zeigte sich im Laufe der Zeit, dass im Obergeschoss des Stalles nachmittags mehr Betrieb herrscht als vormittags. „Untersuchungen und Videoaufzeichnungen der TiHo Hannover bei uns im Stall zeigen, dass die Tiere die Balkone super annehmen. Sie sind vor allem nach der Mittagspause ein Anziehungspunkt“, erklärt Helge Niedringhaus. Das die erhöhten Ebenen so beliebt sind, führt er u.a. darauf zurück, dass die Tiere auch auf dem Plateau Spielmaterial und eine Tränke finden.

Interessant war für ihn auch die Erkenntnis, dass die Ferkel den höheren Standort gern dazu benutzen, um sich im gesamten Abteil umzusehen. Die offenen Gitter zwischen den einzelnen Balkonen sorgen für einen uneingeschränkten Panoramablick im Stallabteil und Kontakt zur Nachbarbucht.

Helge Niedringhaus sieht noch einen weiteren Vorteil: In vielen Veredlungsbetrieben fehlt ein idealer Standort für die gesetzlich vorgeschriebenen Krankenbuchten. Er hat das Problem nicht. „Wenn ich Ferkel vorübergehend absondern muss, klappe ich die Rampe hoch, verschließe den Zugang zum Balkon, stelle eine Fressschale auf, lege eine Gummimatte auf den Boden und setze kranke Tiere ein paar Tage auf der höheren Ebene fest“, erklärt er seine Lösung.

Rechtlich endlich zulassen!

Ärgerlich findet Helge Niedringhaus nach wie vor, dass die Zusatzfläche bis heute nicht als extra Buchtenfläche anerkannt wird. „Das ist nicht nachvollziehbar und aus meiner Sicht falsch“, fordert Niedringhaus hier eine Korrektur der bisherigen rechtlichen Regelung.

Auch das Argument, dass durch die Rampe Buchtenfläche verloren geht, lässt er nicht gelten. „Bei uns im Betrieb schieben die Ferkel in allen Buchten ihre Nasen bis in den spitzen Winkel am unteren Ende der Rampe. Ich sehe daher keinen Grund, warum man die Fläche unter dem Auf- und Abgang nicht auch als Buchtenfläche anrechnen sollte“, gibt Niedringhaus zu bedenken.

Die Anerkennung als Zusatzfläche wäre aus seiner Sicht auch deshalb dringend notwendig, weil die erhöhten Ebenen das Tierverhalten positiv beeinflussen. „Dank der zusätzlichen Spiel- und Ausweichmöglichkeiten sinkt die Gefahr von Schwanz- und Ohrenbeißen. Der Ferkelbalkon ist aus meiner Sicht ein wichtiger Baustein bei der erfolgreichen Haltung von Schweinen mit intaktem Ringelschwanz“, gibt der Unternehmer zu bedenken.

Für den jungen Landwirt steht auch vier Jahre nach der Investition außer Frage, dass die Investitionskosten von 600 € pro Ferkelbalkon gut investiertes Geld sind. „Ich sehe jeden Tag im Stall, dass die Ferkel die Balkone lieben, sie sind gut fürs Tierwohl und helfen uns auf dem Weg hin zum intakten Ringelschwanz weiter“, lässt Helge Niedringhaus keine Zweifel an den positiven Effekten der erhöhten Ebene aufkommen.

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