Doris Ahlers von den DLG-Mitteilungen sprach mit Dr. Rainer Oppermann, Institut für Agrarökologie und Biodiversität, Mannheim, über Biodiversität udn wie Landwirte diese erhöhen können.
Biodiversitätsmaßnahmen brauchen auch messbare Erfolge. Was zeigen Ihre Auswertungen über fünf und mehr Jahre?
Oppermann: Wir begleiten die Umsetzung von Blühstreifen auf zwei landwirtschaftlichen Betrieben nördlich und südlich von Karlsruhe seit 2011. Mit einem Flächenanteil von 10 % mehrjährigen Blühstreifen und unterschiedlichen Saatmischungen auf diesen Blühstreifen verzeichnen wir seitdem Jahr für Jahr eine steigende Anzahl von Wildbienen und Tagfaltern auf dem Aufwertungsareal. Das hat sich auch in den vergangenen trockenen Jahren so fortgesetzt bzw. auf hohem Niveau stabilisiert.
Im Gegensatz dazu blieb die Zahl der Wildbienen und Schmetterlinge auf dem benachbarten Vergleichsareal ohne Blühstreifen mehr oder weniger konstant. Die Individuenzahlen schwanken von Jahr zu Jahr, das hängt in der Tat vom Witterungsverlauf ab. Sie liegen aber in dem Aufwertungsareal um ein Mehrfaches höher als im nicht aufgewerteten Vergleichsareal.
Hängen konkrete Erfolge mit bestimmten Biodiversitätsmaßnahmen zusammen?
Oppermann: Veränderungen der Biodiversität sind stets von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Als Erfolgsfaktoren konnten wir vor allem die Mehrjährigkeit der Blühflächen, den Flächenanteil dieser Blühstreifen in Relation zur umgebenden Ackerfläche, die Aussaat verschiedenartiger Mischungen und die Kontinuität in der Zusammenarbeit mit den Landwirten identifizieren.
Wo liegen die größten Schwierigkeiten bei Biodiversitätsmaßnahmen?
Oppermann: Psychologische Schwierigkeiten können vor allem im Spätsommer oder Winter auftreten, wenn keine Farbenpracht mehr auf der Fläche steht. Aber zu diesem Zeitpunkt wird es erst richtig interessant für eine Vielzahl von Insekten, die dann ihre Eier in die Pflanzenstängel oder auch in den Boden legen. Über den Herbst und Winter suchen viele Vogelarten wie Stieglitze, Finken und Ammern in diesen Blühstreifen nach Nahrung. Rebhühner und Feldhasen finden hier Deckung und Äsung. Das bedeutet, dass diese Zeit, der Spätsommer und das ganze Winterhalbjahr, für die Tiere besonders wichtig ist.
Aus landwirtschaftlicher Sicht stellen sich Unwägbarkeiten ein, wenn Ackerkratzdisteln, Hirsearten oder Melde dominieren. Oder wenn Bestände vergrasen. All dies widerspricht dem Kulturempfinden des Landwirts und ggf. auch der Nachbarn, die denken, eine Blühansaat ist nur schön und gut, wenn sie frisch aussieht, ausgewogen und ohne Unkraut dasteht. Dann stellt sich die Frage, ob man den Bestand umbrechen und neu ansäen soll oder noch etwas abwartet, wie sich der Bestand weiterentwickelt.
Haben Sie solche Erfahrungen auch in Ihren Projektbetrieben gemacht?
Oppermann: Wir hatten z. B. Probleme mit der Dominanz von Phacelia (die nach dem Abblühen ganz grau aussieht), mit Melde und mit dem Vergrasen von Beständen. Wichtig ist es jeweils, situativ zu entscheiden, wie man mit dem Bestand umgeht, und mit dem Landwirt gemeinsam zu besprechen, wann man welche Teile neu anlegt oder welche man noch belässt. Die Landwirte waren ihrerseits auch ganz überrascht von den positiven Wirkungen mancher optisch wenig attraktiver Bereiche auf die Vielfalt der Insekten.
Letztlich ist es wichtig, verschiedene Saatmischungen nebeneinander zu haben – einerseits Mischungen mit verschiedenen Arten, andererseits Flächen bzw. Teilflächen mit unterschiedlichem Alter. Und wie bei jeder anderen landwirtschaftlichen Kultur auch ist es wichtig, den Umgang mit dieser neuen Kultur zu lernen: wie man sie anbaut, wie man sie pflegt, wie lange sie stehen bleiben kann. Wie bei Mais- oder Weizensorten hat auch bei den Blühmischungen jede ihre Vor- und Nachteile. In der Summe ist der Anbau von verschiedenen Mischungen für den Standort besser als das Setzen auf eine einzige vermeintlich optimale Mischung.
Wenn nicht nach kurzer Zeit eine tolle Vermehrung von Schmetterlings- und Bienenarten stattfindet, was dann?
Oppermann: Meist ist es gar nicht so schwierig, gleich von Anfang an eine im Vergleich zu vorher große Anzahl von Schmetterlingen und Bienen auf den Flächen zu haben. Die Schwierigkeiten kommen, wie geschildert, oftmals erst im Herbst oder im zweiten oder dritten Jahr. Deshalb versuchen wir, sofort auf die Mehrjährigkeit der Flächen hin zu beraten. Nebeneinander sollen jeweils jedes Jahr neue Blühflächen neu angelegt werden und damit eine frische Farbenpracht zur Verfügung stehen.
Es ist aber genauso wichtig, jeweils benachbart auch die vorjährigen Strukturen zu belassen, die sich dann besonders positiv auf die Vermehrung der Insekten auswirken. Viele Blüten sind insbesondere für die Nahrungsaufnahme von Insekten wichtig, während die Strukturen wie alte Pflanzenstängel oder auch offener Boden bedeutsame Lebensräume für deren Fortpflanzung darstellen. Die Insekten brauchen eben beides, sowohl die Nahrung als auch die Fortpflanzungsstätten.
Was können Sie zu regionalen, saisonalen bzw. Jahreseffekten der Maßnahmen sagen, um Landwirten Mut zu machen?
Oppermann: Auch hier gilt: Biodiversitätsmaßnahmen verhalten sich prinzipiell wie landwirtschaftliche Kulturen: Wenn es besonders trocken ist, entwickeln sie sich anders als in Jahren mit normalen Niederschlägen. Je nachdem, wann die Trocken- und Feuchteperioden auftreten, können innerhalb der Pflanzenmischungen die einen oder die anderen Arten davon profitieren. Je nachdem, welche Pflanzenarten und damit einhergehend welche Strukturen sich besonders entwickeln, profitieren davon unterschiedlich die Wildbienen und Tagfalterarten. Weil bei unseren Versuchen stets verschiedenartige Mischungen in verschiedenen Entwicklungsstadien auf der Fläche stehen, können die Effekte der unterschiedlichen Witterungen von Jahr zu Jahr teilweise ausgeglichen werden.
Die Wahl der Pflanzen bestimmt die Vermehrung bestimmter Arten. Gibt es Beispiele für "richtig" und "falsch"?
Oppermann: In manchen Mischungen sind leider „falsche“ Arten enthalten, z. B. die gefüllte Kornblume oder der Tartarische Buchweizen. Diese Arten sehen zwar schön aus, aber sie halten keinen Nektar für die Insekten bereit. Oftmals kann der Landwirt dies nicht an der Blühmischung sehen (wenn das nicht ausreichend detailliert deklariert ist), und auch in manchen Agrarumweltprogrammen ist die Vorgabe für die Arten in den Blühmischungen nicht hinreichend genau. Generell kommt es darauf an, möglichst viele einheimische Pflanzenarten in der Mischung zu haben (und keine Zuchtformen und keine fremdländischen Arten) sowie viele verschiedene Arten. Je mehr verschiedene Pflanzenarten in einer Mischung sind, umso mehr verschiedene Wildbienenund Insektenarten können davon profitieren.
Wie viel Fläche wird benötigt, um mit Biodiversität Erfolg zu haben?
Oppermann: Um bei dem Beispiel Blühstreifen zu bleiben: Prinzipiell wirkt sich jeder Quadratmeter positiv für die Insekten aus. Wenn die Streifen jedoch eine positive Wirkung auch mittelbis langfristig haben sollen, ist es entscheidend, junge und gleichzeitig alte Blühstreifen unmittelbar nebeneinander auf der Fläche stehen zu haben (also nicht nur einjährige Blühstreifen), damit sich die Insekten auch fortpflanzen können. Bezüglich des Umfangs haben wir mit einem Umfang von 10 % Blühstreifen im Ackerland sehr positive Erfahrungen gesammelt. Als Mindestbreite wird aus Sicht der Feldvögel wie des Rebhuhns eine Breite von 10 m angegeben. Die Fläche sollte nicht neben einem Feldweg liegen, sondern möglichst mitten im Acker bzw. angrenzend zum benachbarten Acker.
--------
Fünf Wege zu mehr Wildbienen
von Dr. Christian Schmid-Egger, Berlin
Legen Sie mehrjährige Blühflächen an. Sie können dazu eine handelsübliche Wildkräutermischung mit bis zu 40 Wildkrautarten verwenden. Die Einsaat erfordert eine normale Bodenbearbeitung (z. B. Fräsen oder Grubbern, ggf. zweimal im Abstand mehrerer Wochen zur Unkrautbekämpfung).
Das Saatgut wird oberflächlich ausgebracht (Lichtkeimer), am besten im Herbst. Im ersten Jahr muss ggf. Unkrautaufwuchs mit einem bis drei Schröpfschnitten in 30 cm Höhe bekämpft werden, der Blühstreifen entwickelt sich vollständig erst im zweiten Jahr.
In den Folgejahren reicht eine einmalige Mahd im Sommer, die abschnittsweise erfolgen sollte, damit immer eine Teilfläche blüht. Diese Mischungen gelingen am besten auf ärmeren, trockeneren Böden.
Stechen Sie Abbruchkanten und Offenbodenstellen ab. Dazu muss eine senkrechte Erdwand entstehen. Diese wirkt ab einem halben Meter Höhe und zwei bis drei Meter Seitenlänge. Diese Wände werden sehr gut als Nisthabitat angenommen. Gegebenenfalls müssen sie über die Jahre von Pflanzenbewuchs freigehalten werden, oder man kann nach einigen Jahren eine neue Kante daneben anlegen, die dann schnell besiedelt wird.
Schaffen Sie einjährige Brachen. Im Frühjahr kann mit einem Grubber oder einer Scheibenegge ein Streifen entlang einer Blühfläche oder eines Ackers flach umgebrochen werden. Diese Flächen werden sehr gut von Wildbienen besiedelt. Die spätere Vegetationsentwicklung stört die Tiere nur wenig. Im Folgejahr können Sie den Streifen wieder flach umbrechen, da die Nester der Bienen meist tiefer im Boden liegen.
Schützen und pflegen Sie Böschungen, Säume und Brachen. Ziel muss die Entwicklung eines blütenreichen Horizontes sein. Doch auch mehrjährige Hecken etc. sind wertvolle Nisthabitate. Entsprechende Flächen sollten auf Dauer nur einmal im Jahr abschnittsweise gemäht bzw. am Anfang ggf. ausgehagert werden (mehrfache Mahd im Jahr, bis sich die entsprechende Vegetation einstellt). Doch es sind auch Ecken notwendig, die sich bis zu drei Jahren ohne Mahd entwickeln können. Hier ist Vielfalt gefragt.
Kümmern Sie sich um Streuobstwiesen und ähnliche Strukturen. Außerdem sollten ökologisch wertvolle Strukturen wie Streuobstwiesen mit Hochstammsorten, Baumreihen entlang von Wegen u. Ä. gepflegt und ggf. auch nachgepflanzt werden. Auch Lesesteinhaufen, Trockenmauern etc. sind wichtige Kleinhabitate für Wildbienen und andere Insekten.