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Resistenzen im Pflanzenbau: Das Ziel sind neue Wirkorte

Fungizide sollen möglichst lange leistungsstark sein. Deswegen ist es wichtig, den Pilzen eine Resistenzbildung zu erschweren. Wir haben die forschende Industrie nach ihren Ansätzen gefragt.​

Lesezeit: 10 Minuten

Pflanzenschutzmittel sollten möglichst lange ihre volle Leistung bringen – dieses Ziel ist für Landwirte und die forschenden Unternehmen gleichermaßen wichtig. Für Fungizide bedeutet das, alle Maßnahmen zu ergreifen, die den Schaderregern die Entwicklung von Resistenzen erschweren. Wohlgemerkt, das Ziel ist, eine Resistenzbildung hinauszuzögern. Vollständig verhindern lässt sie sich nicht. Denn im Laufe der Zeit verändern sich die Schaderreger zwangsläufig und reagieren somit weniger sensibel auf einen Wirkstoff.

Doch wie kann man das Resistenzrisiko in der Entwicklungsphase von Fungiziden abschätzen? Und welche Strategien für das Resistenzmanagement kann man beim Einsatz von Fungiziden anwenden, um Resistenzen so lange wie möglich hinauszuzögern? Dies erklärte uns der Fungizidexperte Dr. Mamadou Mboup bei einem Besuch im Resistenz-Forschungszentrum von Corteva Agriscience in Eschbach (Baden-Württemberg).

Schnell gelesen

Resistenzen lassen sich nicht verhindern, sondern lediglich hinauszögern.

Bereits in der frühen Fungizidentwicklung versucht man, das Resistenzrisiko ­eines Wirkstoffs zu erkennen und zu minimieren. Der Aufwand hierfür ist enorm.

Gelingt es, ein Fungizid mit einem neuen Wirkort zu entwickeln, ist dies für ein nachhaltiges Resistenzmanagement sehr hilfreich. Die Chancen dafür sind aber gering.

Mit der richtigen Anwendung im Feld kann man einen erheblichen Beitrag dazu leisten, den Pilzen eine Resistenzbildung zu erschweren. Erarbeitet werden die ­Anwendungsbestimmungen in umfang­reichen Labor- und Feldtests.

Innovationen sind das Ziel

Ein wichtiger Baustein des Resistenzmanagements in der Praxis ist die Verfügbarkeit von Wirkstoffen mit unterschiedlichen Wirkorten. Dr. Mamadou Mboup und sein Team arbeiten daran, Wirkstoffe zu entwickeln, die sich möglichst deutlich von allen bereits bestehenden abgrenzen. Im Idealfall bestehen die Wirkstoffe aus Molekülen, die im Schaderreger an einem völlig neuen Wirkort ansetzen. Denn dann sind sie am wenigsten resistenzgefährdet.

Um dieses sehr ehrgeizige Ziel zu erreichen, begeben sich die Wissenschaftler zunächst auf die Suche nach Verbindungen, die eine Wirkung gegen wichtige pilzliche Schaderreger zeigen. Hierbei lassen sich zwei Herangehensweisen unterscheiden:

  1. Bekannte Wirkstoffe werden analysiert, chemisch modifiziert, und die Wirkung der so entstandenen Analoga überprüft. Hier können bereits minimale Veränderungen der chemischen Struktur beachtliche Veränderungen in der Wirkung hervorrufen. Oft befinden sich aber schon Produkte aus der gleichen Wirkstoffklasse auf dem Markt (z. B. Carboxamide), sodass diese neuen Wirkstoffe bereits einer erhöhten Resistenzgefahr ausgesetzt sind.
  2. Unbekannte Wirkstoffe werden ebenfalls auf ihre Aktivität gegenüber diversen Schaderregern untersucht. Nachteilig ist dabei, dass zunächst die chemische Struktur und der Wirkort bestimmt werden müssen, sobald der Wirkstoff eine Aktivität zeigt. Der Vorteil liegt jedoch darin, dass es sich dann oft um einen Wirkstoff mit einem neuen Wirkungsmechanismus handelt, der nur einer geringen Resistenzgefahr ausgesetzt ist.

Am Ende dieser frühen Phase der Entwicklung stehen einige wenige Moleküle, die sich für die weitere Optimierung qualifiziert haben und von denen hoffentlich eins ein sogenannter Hit oder Treffer wird – im besten Fall mit einem neuen Wirkort.

Viele Etappenziele

Um den einen Spitzenkandidaten ausfindig zu machen, durchlaufen viele Moleküle unzählige Tests im Rahmen von zahlreichen Studien, die im Folgenden kurz skizziert werden.

Test auf Wirkung: Im ersten Schritt testen die Forscher die Moleküle ausschließlich auf ihre Wirkung gegenüber verschiedenen pilzlichen Schaderregern. Dabei liegt der Fokus auf den wichtigsten Krankheiten, also auf solchen, die häufig in großen Kulturen auftreten und/oder ein hohes Schadpotenzial haben. Das Ganze erfolgt ausschließlich im Labor unter Einsatz hoch technologischer Geräte mit enormen Durchsatzleistungen. Weist ein Molekül eine Wirkung gegen einen Schadpilz auf, ist das zwar ein großer Meilenstein, aber noch lange nicht der finale Wirkstoff.

Optimierung: Ein Molekül, das eine zukunftsweisende Wirkung zeigt und noch nicht aufgrund einer Kreuzresistenz mit einem bereits bestehenden Wirkstoff aus der Entwicklung ausgeschlossen wurde, wird im fortlaufenden Prozess stetig optimiert. Weitere Eigenschaften wie das ökotoxikologische Profil, welches die Auswirkungen eines Moleküls auf die belebte Umwelt beschreibt, sind hierbei ausschlaggebend.

Laut Dr. Mboup muss jeder Wirkstoff in seinem Entwicklungsprozess etwa sechs bis sieben Etappenziele meistern. Für jede Etappe sind festgelegte Kriterien zu erfüllen, die teils auch für die spätere Zulassung relevant sind. Zwei Aspekte, die sehr früh geprüft werden, sind z. B. die Auswirkungen auf die Umwelt und die später im Feld benötigte Aufwandmenge.

Bestimmung der Resistenzmechanismen: Sehr frühzeitig werden die Moleküle auch auf Kreuzresistenzen untersucht. Das heißt: Es wird geprüft, wie hoch die Gefahr ist, dass eine bereits bekannte Resistenz eines Schaderregers auch bei dem zu entwickelnden Molekül auftritt. Dies ist besonders bei den Analoga relevant, also bei den Molekülen, die aus bereits bestehenden Wirkstoffen abgeleitet wurden.

Bei komplett neuen und innovativen Molekülen ist es entscheidend, möglichst früh herauszufinden, um welchen Wirkort es sich handelt. Nur dann ist sicher, ob es wirklich ein neuer Ort ist und welcher Resistenzmechanismus gegebenenfalls greifen könnte. Um dies zu erreichen, arbeiten im Forschungszentrum in Eschbach die Resistenz- und Wirkortexperten schon früh Hand in Hand.

Jackpot ist ein Neuer Wirkort

Im Schnitt dauert es elf Jahre, bis ein fertig formuliertes Fungizid, dessen Wirkstoff an einem neuen Wirkort angreift, am Markt erhältlich ist. Die Kosten belaufen sich in dieser Zeit auf bis zu 300 Mio. €. Zuletzt konnte Corteva Agriscience mit Inatreq active so einen Wirkstoff entwickeln. Er gehört zur Wirkstoffgruppe der Picolinamide. Diese hemmen – wie die Carboxamide und die Strobilurine – den Energietransfer in den Mitochondrien der Pilzzellen, allerdings an einem anderen, neuen Wirkort. Ohne geregelten Energietransfer kann der Pilz nicht wachsen und stirbt ab.

Ein Fungizid mit neuem Wirkort ist im Resistenzmanagement unbezahlbar.
Dr. Mamadou Mboup

Zur Gruppe der Picolinamide gehören mehrere Wirkstoffe, die zwar alle am gleichen Wirkort ansetzen, sich aber z. B. in ihrer Form unterscheiden. Das ist wichtig, da die Zielorte in den Pilzen oft nicht genau gleich sind. Nur wenn der „Schlüssel genau ins Schloss“ passt (Schlüssel-Schloss-Prinzip), ist die Wirkung optimal. Das macht einen Wirkstoff auch so spezifisch, allerdings auch anfällig gegenüber kleinen, strukturellen Veränderungen am Wirkort.

Um nun herauszufinden, welche Molekülstruktur zu welchem Pathogen passt, werden Gene und Gensequenzen des Zielerregers mit hochmodernen Technologien analysiert. Diese Analysen erfordern viel Zeit, da die Ergebnisse immer wieder durch andere Testverfahren überprüft werden müssen.

Resistenzen managen ...

Das spezifische Schlüssel-Schloss-Prinzip führt aber auch dazu, dass bereits kleine Veränderungen des Wirkorts eine Resistenz auslösen können. Solche Wirk-­ortveränderungen kommen regelmäßig auch als natürlicher Prozess ohne Fungizideinfluss bei einem Pathogen vor. Der natürliche Vorgang findet allerdings auf einem sehr geringen Niveau statt. Diese Mutationsrate liegt bei einigen Pathogenen bei 1:1.000.000 und höher. Das heißt, nur eine von einer Million Sporen trägt die neue Mutation an diesem spezifischen Wirkort des neuen fungiziden Wirkstoffs.

Bei der Entwicklung neuer Moleküle forcieren nun die Forscher mit spezifischen Methoden die Entstehung solcher Mutationen im Labor. Mithilfe dieser Mutanten kann die Entwicklung einer Resistenz besser beobachtet und rechtzeitig Gegenmaßnahmen entwickelt und eingeleitet werden, die eine Ausbreitung der Resistenz erschweren und vermindern.

Tritt eine Resistenz gegen einen Wirkstoff im Freiland auf, ist die Wirksamkeit aber nicht zwingend verloren. Vielmehr wird die Erregerpopulation sorgfältig untersucht, um das Ausmaß der Resistenz zu ermitteln und um anschließend unter Berücksichtigung der Laborergebnisse mit der geeigneten Resistenzstrategie einer Ausbreitung entgegenzuwirken.

Die Entwicklung eines Pathogens und die Anzahl seiner Vermehrungszyklen innerhalb einer Saison wird zu großen Teilen von der Witterung, dem Resistenzhintergrund der Sorte sowie dem Fungizideinsatz bestimmt. Von diesen drei Faktoren kann der Landwirt einzig die Witterung nicht steuern. Er hat jedoch bereits mit der Auswahl einer Sorte die Möglichkeit, in die Vermehrung eines Pathogens einzugreifen. Nur mit einem Fungizideinsatz ist es Landwirten möglich, flexibel auf neue, nicht vorhersehbare Entwicklungen des Pathogens zu reagieren.

Der Fungizideinsatz muss individuell auf die jeweilige Befallssituation abgestimmt sein. Neben der Häufigkeit, der jeweiligen Aufwandmenge und des Zeitpunktes der Fungizidanwendung (protektiv, kurativ oder eradikativ) ist die Kombination mit einem geeigneten Mischpartner die beste und wichtigste Strategie, die Entwicklung einer Resistenz einzudämmen. Jeder Mischpartner allein sollte in der Lage sein, das Pathogen zu bekämpfen, idealerweise kommen die Mischpartner aus verschiedenen Wirkstoffgruppen. Mit diesem Vorgehen lassen sich bereits latent vorhandene Mutanten gegen den anderen Mischpartner sicher ausschalten.

Begleitend zur Wirkstoffentwicklung im Labor und Gewächshaus werden daher Versuche im Freiland durchgeführt, um die zukünftigen Produkte unter „realen“ Bedingungen zu testen. Diese Feldversuche werden oft unter extremen Bedingungen durchgeführt. So werden hoch anfällige Sorten für die Feldversuche ausgewählt, die klimatische Lage dieser Versuchsstandorte ist zudem günstig für eine starke Vermehrung des zu testenden Schaderregers, und die Fungizidbehandlung mit dem neuen Wirkstoff wird oft ohne eine Vor- oder Nachbehandlung durchgeführt. Die Ergebnisse aus den drei Forschungsbereichen – Labor, Gewächshaus und Freiland – werden fortlaufend zusammengefasst, bestimmen die weitere Produktentwicklung wesentlich und erlauben es, eine fundierte Anwendungsempfehlung zu erarbeiten.

... und das fertige Produkt betreuen

Ist ein Fungizid einmal am Markt und wurden die erarbeiteten Anwendungsempfehlungen klar an Landwirte, Berater und Handel kommuniziert, ist die Aufgabe für die Hersteller noch nicht beendet. Denn jetzt beginnt die Phase der Produktbetreuung und damit der fortlaufenden Überprüfung der Resistenzsituation.

Bereits mit Beginn der Entwicklung eines Fungizids startet ein Monitoring, um die Resistenzentwicklung zu beobachten. Dazu werden von Feldern aus den Ländern, in denen das Fungizid später eingesetzt werden soll, befallene Blattproben gesammelt und zur sogenannten Sensitivitätsanalyse an das Forschungsteam im Eschbacher Resistenzlabor geschickt. Mit diesen ersten Analysen wird eine Referenzkurve erstellt und ermittelt, wie der Grundzustand der Pathogenpopulation ohne Fungizideinfluss ist. Durch jährlich wiederkehrende Routinemonitorings nach der Einführung des neuen Fungizids sind Abweichungen von dieser Referenzkurve schnell zu erfassen. Sind Abweichungen erkennbar, wird durch weitere, meist molekulare Tests festgestellt, ob es sich tatsächlich um eine Entwicklung einer Resistenz handelt, oder ob andere Faktoren ein Nachlassen der Wirksamkeit verursacht haben.

Neben dieser „eigenen“ Resistenzüberwachung ist ein reger und enger Austausch mit der Praxis wichtig. Corteva Agriscience setzt hierbei auf die Vertriebsmitarbeitenden, die auf den Höfen und in den Regionen unterwegs sind. Falls ihnen Minderwirkungen eines Produktes auffallen, senden sie ebenfalls Proben an das Resistenzlabor in Eschbach. Nach etwa sieben Tagen steht fest, ob die Minderwirkung durch eine sich entwickelnde Resistenz oder durch einen Anwendungsfehler entstanden ist.

Sollten die Ergebnisse dieser Laboruntersuchungen eine Veränderung im Resistenzniveau erkennen lassen, werden die Anwendungsempfehlungen schnellstmöglich angepasst, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern beziehungsweise einzudämmen.

Für die chemische Industrie ist auch ein intensiver Austausch mit Wettbewerbern wichtig, um das Potenzial der auf dem Markt befindlichen Fungizide und Wirkstoffgruppen lange zu erhalten. Eine wichtige Informationsplattform ist das FRAC (Fungizide Resistance Action Committee), ein internationaler Zusammenschluss der forschenden Industrie. Dort betreuen Experten die unterschiedlichen Wirksamkeitsgruppen, sammeln Informationen zu möglichen Resistenzentwicklungen und erarbeiten und koordinieren erforderliche Resistenzstrategien. Ein transparenter Umgang mit den doch sensiblen Daten aus dem Resistenzmonitoring erleichtert die Arbeit dieses Komitees wesentlich.

Diese Transparenz in der Datenverarbeitung beschränkt sich aber nicht nur auf das FRAC. Die Daten werden regelmäßig mit den zuständigen Zulassungs- und Registrierungsstellen geteilt. Ein produktbezogenes Resistenzmanagement erstreckt sich demnach von der frühen Forschung bis zum Ablauf der Zulassung.

Ausblick

Die Ausführungen verdeutlichen, was für ein enormer Aufwand schon während der Entwicklung und Vermarktung eines Fungizids betrieben wird, um Resistenzen entgegenzuwirken. Es zeigt sich aber auch, wie wichtig es ist, die empfohlenen Anwendungsbestimmungen einzuhalten. Resistenzmanagement ist somit eine Gemeinschaftsaufgabe von Industrie, Landwirtschaft und Beratung.

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