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Feldversuche

Weltkongress Konservierende Landwirtschaft: Direktsaat als Königsdisziplin

Im Juni findet der Weltkongress Konservierende Landwirtschaft statt. Wir konnten bereits einen Rundgang über die Feldversuche unternehmen und mit den Fachleuten über die Vor- und Nachteile sprechen.

Lesezeit: 7 Minuten

Der Weltkongress Konservierende Landwirtschaft wird von Swiss No-Till organisiert. Mitorganisator ist Dr. Wolfgang G. Sturny. Auf einem vorgezogenen Rundgang über die zum Weltkongress gehörenden Feldversuche gab es Gelegenheit, sich mit ihm über die Vor- und Nachteile der Konservierenden Landwirtschaft zu unterhalten.

Wie verbreitet ist das Anbausystem Konservierende Landwirtschaft?

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Wolfgang G. Sturny: Weltweit schätzt man, dass auf über 125 Mio. ha nach dem System der Konservierenden Landwirtschaft (Conservation Agriculture, CA) bewirtschaftet wird. In Südamerika wird am meisten Flächen mit CA bestellt, gefolgt von Nordamerika, Australien und Neuseeland. Europa ist mit 1 % ein Entwicklungsland. An der Spitze liegt Finnland mit seinen zahlreichen steinigen Böden. Bei Direktsaat mit Scheibenscharen bleiben die Steine im Boden, das schont die Maschinen. Auch in Spanien ist CA verbreitet, allerdings werden dort vor allem Olivenhaine nicht mehr gepflügt – entspricht also eher Agroforst. In Deutschland wird sehr viel mit Mulchsaat gearbeitet. Die Fruchtfolge ist in den meisten Fällen zu getreidebetont. Direktsaat funktioniert langfristig mit ausgeglichenen Leguminosenanteilen am besten. Direktsaat kommt in Frankreich und Italien leichtzunehmend zur Anwendung. Österreich bewegt sich auch langsam.

Und in der Schweiz?

Sturny: Der Kanton Bern lancierte 2009 das Förderprogramm Boden. Das trug wesentlich dazu bei, dass kurzfristig rund 20 % der Berner Bauern auf pfluglose Bewirtschaftung umstellten. Der Bund leitete daraus die Ressourceneffizienzbeiträge (REB) ab, einerseits gibt es Beiträge für schonende Bodenbearbeitung, andererseits auch für Herbizidverzicht. Letzteres dämpfte die Bereitschaft auf Direktsaat umzustellen. Aber die bodenschonend bearbeitete Fläche vergrösserte sich schweizweit seit 2015 um etwa 75 % und beträgt ca. 88 000 ha, was 32 % der offenen Ackerflächen entspricht. Drei Viertel davon wird in Mulchsaat bewirtschaftet.

Zusammen mit Streifensaat führt Direktsaat quasi ein Schattendasein. Was hält die Bauern davon ab, umzustellen?

Sturny: Das Ziel von CA ist unter anderem eine Bodenstruktur im Ackerbau, die jener von Dauerwiesen entspricht. Direktsaat ist die Königsdisziplin. Die Saatgutablage erfolgt in einem Arbeitsgang direkt in den unbearbeiteten, mit Pflanzenresten bedeckten Boden. Will der Landwirt auf Erträge kommen, muss er jede Parzelle genauestens kennen, gezielt eine Gründüngung auswählen, und das Wetter muss mitspielen – will heissen, der Boden muss insbesondere bei Streifen- oder Direktsaat abgetrocknet sein. Der Erfolg ist nicht unmittelbar sichtbar. Auf der Dauerbeobachtungsfläche der Fachstelle Bodenschutz auf der Rütti, dem Oberacker, brauchten wir rund sieben Jahre bis sich der Boden in einem neuen dynamischen Gleichgewicht befand und mit der grossen Menge Regenwürmer genügend biologische Aktivität hatte, dass man auf das Lockern des Bodens gänzlich verzichten kann.

Kann man mit diesen Vorgaben überhaupt Zuckerrüben und Kartoffeln anbauen?

Sturny: Bei der Ernte von Zuckerrüben und Kartoffeln wird die Erde bewegt, quasi bearbeitet. Das ist nicht ideal. Bei den Kartoffeln gab es Versuche im Oberaargau und auch in Schweden. Dabei wurden die Kartoffeln nur auf der Bodenoberfläche ablegt und mit Stroh oder Strohkompostgemisch zugedeckt. Diese Versuche waren erfolgreich, aber da wird hierzulande kein Kartoffelproduzent einsteigen, eher nimmt man mit dem All-in-One Kartoffelsetzautomaten die Nachteile von Erosion in Kauf.

Wie sollen Anfänger in CA einsteigen?

Sturny: Es gilt von Jahr zu Jahr die Bearbeitungsintensität zu reduzieren. Jeder Landwirt muss schrittweise vom Pflug über Mulchsaat in CA einsteigen. Als erstes die Pflugtiefe halbieren, auf 12 bis 15 cm reduzieren - eigentlich gibt es keine agronomischen Gründe, um tiefer zu pflügen. Dann folgt der nächste Schritt mit der Mulchsaat – so tastet man sich schon an die Direktsaat heran. Sehr wichtig ist die permanente Bodenbedeckung. Es braucht Gründüngungsmischungen mit Leguminosen, Pfahlwurzlern und Pflanzen, die Mykorrhiza fördern. Bewährt haben sich abfrierende Mischungen, so kann man im Frühjahr im Idealfall auf Glyphosat verzichten.

Sie haben das Credo, dass die Gründüngungsmischung möglichst viele verschiedene Arten enthalten soll. Würde es nicht auch mit nur drei Arten funktionieren?

Sturny: Das kann auch mit drei Arten funktionieren, vorausgesetzt eine Leguminose, ein Pfahlwurzler und eine Mykorrhiza fördernde Pflanze sind dabei. Auf dem Oberacker nutzten wir die von Andreas Chervet entwickelte Mischung mit zehn verschiedenen Arten. Die Ansaat erfolgt quasi im Gleichschritt mit der Ernte. Von Vorteil ist, dass unabhängig von Niederschlägen direkt nach der Ernte mit Sicherheit Pflanzen auflaufen – in unterschiedlicher Biomasse. Das garantiert, dass der Boden rasch bedeckt ist, und dass man Unkräuter und Ausfallerntegut unterdrücken kann.

Was machen Sie, wenn Glyphosat verboten würde?

Sturny: Wie vorhin gesagt, wir versuchen mit Gründüngungen das aufzufangen. Es braucht eine gezielte Auswahl der Gründüngung mit nicht-überwinternde Arten. Friert diese ab, kann man häufig auf Glyphosat verzichten. Eventuell muss man im Nachauflauf gegen Gräser oder breitblättrige Unkräuter spritzen. Bei Wiesenumbruch wird es aber sehr schwierig, ohne Glyphosat auszukommen. Eine Alternative ist die Unkrautbekämpfung mit Strom, sei dies mit dem Prototypen von Zasso oder des deutschen Tech-Start-up crop.zone, das erst kürzlich mit der Fenaco-Genossenschaft eine Kooperation zur Marktbearbeitung in der Schweiz eingegangen ist. In Australien forscht man mit einem auf der Basis von Pinienöl entwickelten Produkt. Dieser biologisch abbaubare Extrakt wirkt wie ein Totalherbizid, das aber nicht in die Wurzeln transloziert. Meiner Meinung nach beschäftigen sich die Forschung und Hersteller nicht mit letzter Konsequenz solche Verfahren weiterzuentwickeln. Das ist bedauerlich.

Hierzulande sprechen viele von Regenerativer Landwirtschaft. Was ist der Unterschied zu CA?

Sturny: Der grosse Unterschied ist, dass Regenerative Landwirtschaft auf Totalherbizide verzichtet. Stattdessen wird der Boden mit an einer Bodenfräse montierten Winkelmessern „abgehobelt“. Der unerwünschte Pflanzenbewuchs wird oberflächlich eingearbeitet, vielfach zu tief. Meistens entsteht dabei eine Schmierschicht, die verhindert, dass sich die Pflanzenwurzeln nicht optimal entwickeln können. Alles andere ist aber vergleichbar mit CA.

Warum fliesst Konservierende Landwirtschaft nicht als Gesamtsystem in die Agrarpolitik ein?

Sturny: Wir haben uns zusammen mit Swiss No-Till dafür eingesetzt und waren auch in Arbeitsgruppen zur Ausarbeitung der AP 22+ dabei. Wir sind enttäuscht, dass es bei der jetzigen Praxis blieb. Mit Einzelbeiträgen wird zwar Bodenbedeckung und Pflugverzicht teils einmalig parzellenweise gefördert, aber das ist weit entfernt von einem ganzheitlichen CA-Konzept. Auch bleibt mit der jetzigen Förderpraxis Direktsaat auf der Strecke. Die Beitragshöhe müsste mindestens doppelt so hoch sein wie heute. Jetzt erhält der Landwirt für Mulchsaat 150 CHF, für Streifensaat 200 CHF und für Direktsaat 250 CHF. Das reicht bei weitem nicht, den Mehraufwand für die Umstellung auf Direktsaat abzugelten.

Sie sind Mitorganisator des Weltkongresses Konservierende Landwirtschaft, der vom 21. bis 23. Juni stattfindet. Vielleicht gibt dieser Kongress ja das Fanal, auf Direktsaat umzusteigen. Was bieten Sie dort dem Praktiker?

Sturny: In erster Linie nehmen Forscher, Berater und Behörden aus aller Welt, aber auch Praktiker teil. Am Eröffnungstag vom 21. Juni gibt es eine Farmersession. Sie dauert anderthalb Stunden von 11.30 bis 13 Uhr und wird von Praktikern aus China, Frankreich mit Sarah Singla als Referentin, Ghana und Argentinien bestritten. Mehr bringt den Bauern aber ein Besuch an den Feldtagen in Witzwil. Von Anfang Juni an finden wochentags Führungen statt. Auf ca. 30 ha befinden sich über 70 Versuchsparzellen. Auch unsere Fachleute sind vor Ort und lassen sich gerne auf Diskussionen über Vor- und Nachteile konservierender Anbausysteme ein.

Danke für das Gespräch

Weltkongress Konservierende Landwirtschaft (CA)

400 Forscher und Landwirte aus allen Teilen der Welt tauschen sich online am Kongress über Konservierende Landwirtschaft aus. Dieser findet online vom 21. bis 23. Juni 2021 statt. Hier geht zum Programm und zur Anmeldung

Feldtage CA in Witzwil

Über 200 Streifenversuche zur Konservierenden Landwirtschaft kann man vom 1. Juni bis 25. Juni wochentags auf den Ackerflächen der Strafanstalt Witzwil in Gampelen besichtigen. Dafür muss man sich für eine ganztägige Führung anmelden. Weiter zum Programm und Anmeldung

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