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topplus Politik trifft Praxis

Wissenschaft muss Basis für Pflanzenschutz sein

Wie kann der Integrierte Pflanzenschutz helfen, die Forderungen nach Umweltschutz und hochwertigen Nahrungsmitteln in Einklang zu bringen? Darüber diskutierten Politiker und Praktiker gemeinsam.

Lesezeit: 6 Minuten

Welche Rolle nimmt der Integrierte Pflanzenschutz in der heutigen Zeit ein? Darüber diskutierten Praktiker aus nahezu allen Regionen Deutschlands mit vier Agrarpolitikern und einem Pflanzenschutz-Experten vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gestern Abend bei der top agrar-Veranstaltung „Politik trifft Praxis“. Die von BASF unterstützte Diskussion im Fishbowl-Format fand in der Landesvertretung des Saarlandes in Berlin in der Nähe des Bundestages statt und wurde auch auf Youtube übertragen.

Zu den Gästen zählten

  • Carina Konrad, FDP, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Deutschen Bundestag

  • Dr. Franziska Kersten, ordentliches Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft

  • Albert Stegemann, Agrarsprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

  • Karl Bär, Bündnis 90/Die Grünen, Obmann und ordentliches Mitglied des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft sowie

  • Dr. Martin Streloke, Leiter Abteilung Pflanzenschutzmittel beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

Junglandwirte fordern praktikable Lösungsansätze

Unter den Gästen waren auch sechs Schüler der Höheren Landbauschule Rotthalmünster aus Oberbayern. Zwei von Ihnen machten beispielhaft klar, dass das Thema Pflanzenschutz auf unterschiedlichste Weise sehr herausfordernd ist.

Johannes Wagner stammt von einem Betrieb mit Bio-Hähnchenmast und zugehörigem Ackerbau. Für Ihn stehen gerade Investitionen in neue Hack- und Striegeltechnik an, die sich bei der geringen Flächenausstattung und bei den aktuellen Preisen für die Technik aber nicht rechnen.

Ein anderes Problem beschreibt Junglandwirt Michael Stürzer. Er und seine Familie bewirtschaften einen konventionellen Milchviehbetrieb im Alpenvorland. Ein Drittel der zum Betrieb gehörenden Grünlandfläche liegt im Moorgebiet, wodurch sich vermehrt die Problempflanzen Ampfer und Wasserkreuzkraut ausbreiten. Gerade zweites lässt sich nur schwer bekämpfen bzw. chemisch bekämpfen. Von den Politkern wollten die Junglandwirte wissen, wie sie mit diesen Herausforderungen umgehen sollen bzw. welche Lösungsansätze die Politiker anzubieten haben.

Albert Stegemann: „Mit Ideologien kommen wir hier nicht weiter“

Für Albert Stegemann machen die Beispiele deutlich, dass es praktikabler Lösungen bedarf, um Landwirtschaft weiterhin betreiben zu können. Der CDU-Politiker ist der Meinung, dass sich die Diskussion um das Thema Pflanzenschutz zuletzt geändert hat. Das würden auch die jüngsten Entscheidungen zur SUR oder zum Glyphosat deutlich machen. Er sieht die aktuelle Entwicklung aber auch als Chance, um wieder einen realistischen Bezug zur Ernährungssicherheit herstellen zu können. Laut Stegemann sind die beschriebenen Herausforderungen der Junglandwirte gute Beispiele, bei denen man mit ideologischen Ansätzen nicht weiterkommt.

Landwirtschaft hat eigenen Anspruch auf Nachhaltigkeit

Dass man bei den aktuellen Problemen im Pflanzenschutz die vorhandenen Werkzeuge nicht einfach wegnehmen dürfe, verdeutlichte Carina Konrad von der FDP. Ein Lösungsansatz sei vielmehr, bürokratische Hürden abzubauen, um schnell und situationsbezogen handeln zu können. Sie verwies auch darauf, dass die Landwirtschaft selbst einen Anspruch auf weniger Pflanzenschutzmitteleinsätze hätten. Beides müsse man in Einklang bringen.

Nach Aufassung der SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Franziska Kersten sollte der chemische Pflanzenschutz das letzte Werkzeug sein, welches ein Landwirt wählt. Zudem sollte der Einsatz auf das absolut notwendige Maß begrenzt sein. „Dazu haben wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen, einen Ansatz zu entwickeln, der den Landwirt honoriert, der mit weniger Pflanzenschutzmitteln auskommt“, so Kersten. Auch müssten die Zulassungsverfahren darauf ausgerichtet werden, Pflanzenschutzmittel noch sicherer machen.

Dass es im Zusammenhang mit Pflanzenschutzmittelen nicht um Themen wie Bürokratieabbau gehen sollte, sondern um die ökologischen Probleme wie Biodiversitätsverlust und Klimawandel, ist ein großes Anliegen von Karl Bär. Der grüne Bundestagspolitker hofft auf ein politisches Klima, in denen diese für die Ernährungssicherheit wirklich relevanten Herausforderungen wieder in den Vordergrund rücken.  

Entscheidungen wie jene zu den Neoniks revidieren?

Sehr konkret wurde es in der saarländischen Landesregierung, als Landwirt Christian Rohlfing den Politikern kleine, kümmernde Rapspflanzen vorlegte, die mit den Larven des Erdflohs durchsetzt waren. Rohlfing stellt die Frage in die Runde, ob das Verbot der neonikotinoiden Beizen nicht ein Fehler gewesen sei. „Mit den Beizen konnten wir dem Problem dort begegnen, wo es entsteht, nämlich im Boden“, so der Landwirt, der trotz viermaliger Flächenspritzung im Herbst seinen Raps hat nicht ausreichend schützen können. „Das müssen wir überarbeiten, damit wir langfristig Raps in Deutschland anbauen können“, so Rohlfing.

Wie schlecht es um den Raps in Thüringen, erzählt auch Christoph Szygulla. „Bei uns im Thüringer Becken mussten rund 40 % vom gesäten Raps umgebrochen werden. Das sind bei uns 400 ha“, berichtet der Landwirt.

Konrad: Neoniks zu verbieten war Fehler

Carina Konrad, die neben ihrer politischen Tätigkeit auch Landwirtin ist, pflichtet den Praktikern bei: „Wenn der Raps in zwei aufeinanderfolgenden Jahren so aussieht, baut keiner mehr Raps an.“  Sie sieht als negative Folge solcher Ereignisse, dass sich die Fruchtfolgen wieder weiter verengen, wenn eine Kultur wie der Raps nicht mehr angebaut wird. Ähnlich schwierig sei es regional beim Anbau von Zuckerrüben.

Rückblickend glaubt die FDP-Politikerin, dass das ein Fehler gewesen sei, die neonikotinoiden Beizen zu verbieten. Man müsse sich außerdem überlegen, wie man die Forschung und Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln beschleunigen könne. Außerdem bedarf es einen vernünftigen Umgang mit diesen Mitteln, den auch die Gesellschaft akzeptiert. Dazu gehöre auch die Anwendung von Alternativen, wie z.B. Hacke und Striegel.

Von den Ökolandwirten lernen

Ganz anders sieht es Karl Bär. „Die Neonikotinode hätten nach heutigem Wissen nie zugelassen werden dürfen“, sagt der Grünen-Politker. Wir sollten vielmehr schauen, wie es im ökologischen Landbau funktioniert.

Dazu meldete sich Andreas Wangert, der im Havelland einen Ökobetrieb führt und sich sicher ist, dass man die Bevölkerung auch ohne chemische Pflanzenschutzmittel und mineralische Dünger ernähren könne.

Wir brauchen Innovationen

Dass es keine Diskussion "bio vs. konventionell" geben darf, mahnt Marie Hoffmann an. Die Junglandwirtin aus der Soester-Börde plädiert dafür, innovative Technologien im Rahmen des Integrierten Pflanzenschutzes stärker zu nutzen. Und das seien nicht nur Geräte zur Bodenbearbeitung bzw. mechanischen Unkrautbekämpfung, da diese ebenfalls Nachteile wie CO2-Freisetzung mit sich bringen, sondern eher ein Spot-Sprayer oder die Laser-Technologie.

Das Risiko richtig bewerten und mangen

Der Leiter der Abteilung Pflanzenschutzmittel beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Dr. Martin Streloke verdeutlichte in der Diskussion, dass man zwischen Risikobewertung und Risikomanagement unterscheiden muss.

Fakt sei, das in Deutschland und der EU das Risiko aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse und Richtlinien bewertet wird. Wie mit der Bewertung umzugehen ist, liegt dann nicht mehr alleine in der Hand der Wissenschaft, sondern in der Politik. Die müsse auch z.B. soziale, juristische oder moralische Aspekte mitberücksichtigen.

Ihre Meinung ist gefragt

Pflanzenschutz ist schon mit einem vollen Werkzeugkasten eine Herausforderung. Richtig schwierig wird das, wenn das Wirkstoffspektrum immer kleiner wird und alternative Methoden fehlen oder ins Geld gehen.

Was sind Ihre Erfahrungen? Schreiben Sie uns unter: daniel.dabbelt@topagrar.com.

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