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topplus Anfeindungen im Internet

Diese Rechte haben Landwirte gegen verbale Gewalt im Netz

Wenn Sie bei Anfeindungen im Internet den Rechtsweg gehen wollen, sollten Sie sich vorher mit den Chancen und Hürden einer Klage auseinandersetzen. Was Sie dazu wissen sollten.

Lesezeit: 6 Minuten

Wenn im Internet die Gemüter hochkochen und sich ein regelrechter Shitstorm auf Facebook, Instagram und Co. anbahnt, gilt es zu überlegen, ob Betroffene den Rechtsweg gehen sollten. Welche Optionen gibt es zur juristischen Gegenwehr, auch im Falle von negativer Berichterstattung in der Presse?

Sie haben grundsätzlich strafrecht­liche und zivilrechtliche Ansprüche. Das  Strafrecht greift immer dann, wenn Sie zum Beispiel beleidigt werden oder Ihnen jemand übel nachredet und falsche Tatsachen behauptet. Der Staatsanwalt wird auch tätig bei der sogenannten Volksverhetzung. Darunter fallen beispielsweise nationalsozialistische Inhalte und Aufrufe zu Gewalt.

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Strafanzeige mit Beweis-Bildschirmfoto an die Polizei

Entscheiden Sie sich nach Erhalt eines Hasskommentars für die Straf­anzeige, können Sie diese ohne Anwalt direkt bei der Polizei erstatten. Kosten entstehen für Sie keine, da es sich um amtliche Verfahren handelt. Schlussendlich entscheiden die Staatsanwaltschaft und ggf. das Gericht darüber, ob und in welcher Höhe der Verfasser bestraft wird.

Das Strafmaß hängt z. B. vom Einkommen des Täters ab. Dreißig Tagessätze entsprechen der Höhe seines monatlichen Einkommens. Ein Ersttäter bekommt für die Beleidigung einen Strafsatz von 15 – 20 Tagessätzen auf­erlegt. Ein „Wiederholungstäter“ kann durchaus mit 60 – 80 Tagessätzen rechnen. Ähnlich hoch ist das Strafmaß für die Volksverhetzung.

„Wichtig ist, dass Sie namentlich als Person oder Ihr Betrieb direkt beleidigt wurden“, so Rechtsanwalt Dr. Walter Scheuerl. Er ist Experte für Medien- und Presserecht. „Je mehr Beweise Sie vorlegen können, desto größer ist die Erfolgsaussicht“, weiß der Jurist aus Erfahrung. Machen Sie deshalb ein Bildschirmfoto der Tat und geben Sie es mit einer Strafanzeige an die Polizei.

Anders sieht es hingegen bei falschen Behauptungen aus. Dann gilt die um­gekehrte Beweislast, denn hier ist der Angeklagte in der Pflicht. Er muss nachweisen, dass seine Behauptungen richtig sind. „Dennoch sollten Sie auf Nachfrage Ihre Betriebsdaten und ggf. Dokumente über regelmäßige Kontrollen des Bestandstierarztes usw. vorlegen können“, rät Dr. Scheuerl.

Den Strafantrag müssen Sie binnen drei Monaten stellen. Die anschließende Ermittlung kann bis zu sechs Monate dauern. Falls Sie die Zeit nicht abwarten wollen, ist das ­eigenständige Löschen eines Eintrages oder das Blockieren des Accounts sinnvoll. Zusätzlich sollten Sie das soziale Netzwerk über die Meldefunktion auf den Kommentar hinweisen. Grundsätzlich ist das, kombiniert mit dem Rechtsweg, die effektivste Lösung, da die rechtlichen Konsequenzen für die Scharfmacher aus dem Netz eine abschreckende Wirkung haben können. So können Sie auch langfristig einen Effekt erzielen.

Anders als im Strafrecht geht es im  Zivilrecht  nicht um das Interesse des Staates an der Tat. Vielmehr wird hier das Verhältnis von Täter und Opfer untereinander geregelt und um eine Entschädigungen gefochten. Für zivilrechtliche Ansprüche rät Dr. Scheuerl zu anwaltlicher Hilfe.

Nach Beleidigung: Löschen im Eilverfahren

Ihr Anwalt kann einen Antrag auf Unterlassung per einstweiliger Verfügung erstellen oder direkt Klage einreichen. Die einstweilige Verfügung ist das Ergebnis eines Eilverfahrens und der schnellste Weg, um Ihre Ansprüche vorläufig gerichtsfest zu machen: Beispielsweise, wenn Sie jemand beleidigt oder verleumdet und damit Ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. Der Ersteller ist dann dazu verpflichtet, seine Inhalte zu löschen – vorausgesetzt, Ihr Anwalt stellt den Antrag innerhalb eines Monats. Bei längerer Wartezeit trotz Kenntnis des Hass-Kommentars bleibt nur die Hauptsache-Klage auf Unterlassung. Diese dauert sehr viel länger als der einstweilige Rechtsschutz. „Schon in der ersten Instanz müssen Sie mit bis zu einem Jahr rechnen. Legt der Verurteilte Berufung ein, können weitere 1,5 Jahre vergehen“, erklärt der Anwalt.

Alle Kosten, auch die des Anwalts der Gegenseite, trägt die unterliegende Partei. „Deshalb sollten Sie sich vorher absichern, dass die Aussage nicht nur eine einfache Meinungsäußerung, sondern einen konkrete falsche Tatsachenbehauptung enthält“, so Dr. Scheuerl.

Die Täter-Identität muss bekannt sein

Nicht immer lässt sich die Identität des Unruhestifters herausfinden. Doch sie ist die Voraussetzung für zivilrechtliche Ansprüche. Falls Sie den Urheber nicht selbst ermitteln können, müssen Sie an die Portalbetreiber herantreten.

Oft nutzen die Täter Fantasienamen und sind schwer identifizierbar.“
Dr. Walter Scheuerl

Laut Netzwerksdurchsetzungsgesetz (Netz DG) sind die Anbieter sozialer Netzwerke dazu verpflichtet, Hasskriminalität einzudämmen, indem sie z. B. ihre Bestandsdaten verfügbar machen. Dr. Scheuerl weiß aber: „Oft nutzen die Täter Fantasienamen. Die Identität ist dann kaum feststellbar.“ Die Politiker arbeiten deshalb an einem Gesetzentwurf gegen digitale Gewalt. Das Bundesjustizministerium unter Dr. Marco Buschmann legte im April 2023 die Eckpunkte vor. Demnach müssten Facebook und Co. auch die IP-Adressen für die Enttarnung herausgeben.

Wann gilt die Pressefreiheit?

Auch in Print, Hörfunk, TV und Online-Presseportalen gibt es falsche oder negative Berichterstattung – oft motiviert durch Tierrechtsgruppen, die Bild- und Videomaterial legal oder illegal beschafft haben.

Wenn Medien die Inhalte entfernen sollen, können Sie einen Unterlassungsanspruch geltend machen. Das geht jedoch nur, wenn die Verbreiter im selben Zug falsche Behauptungen aufstellen. Sonst verweisen die Gerichte auf die Presse- und Meinungsfreiheit und verneinen Ihren Anspruch. Bis zu einem Urteil aus 2018 hat eine Straftat (z. B. Hausfriedensbruch) während der Aufnahmen automatisch dafür gesorgt, dass die Verbreitung rechtswidrig war – es sei denn, das Material zeigte schwere Rechtsverstöße auf einem Betrieb. Heute gilt: War der Verbreiter nicht an den Aufnahmen beteiligt, haben Sie als Betroffener keinen Unterlassungsanspruch, wenn die Gerichte ein öffent­liches Informationsinteresse bejahen.

„Statt gegen das Material vorzugehen, können Sie Einspruch gegen die öffentliche Namensnennung erheben und einer identifizierenden Berichterstattung widersprechen“, so Dr. Scheuerl. Eine weitere Option ist die Gegendarstellung. Das Problem: In der Formulierung müssen Sie die Erstmitteilung wiederholen, was den erlittenen Rufschaden verstärken kann. Außerdem müssen Sie beweisen, dass es sich um eine Falschaussage handelt. Dr. Scheuerl fasst zusammen: „Die Gegendarstellung ist weniger effektiv als die Löschung oder die Anonymisierung.“

Anspruch auf Schadensersatz

Erleidet Ihr Betrieb nachweislich einen Schaden durch z. B. Umsatzeinbußen oder Auslistungen aus Handelspartnerschaften, dann steht Ihrem Anspruch auf Schadensersatz nichts im Wege. Wichtig ist, dass das Gericht den Veröffentlichungszeitpunkt des Berichtes als eindeutige Ursache identifizieren kann.

Ein Zugangsrecht der Presse auf Ihren Hof gibt es nicht. Hier greift das Hausrecht: Auf dem Betriebsgelände muss der Inhaber einwilligen. Deshalb ist es laut Dr. Scheuerl sinnvoll, freundlich darauf hinzuweisen, dass Sie Anfragen vorab schriftlich klären möchten. Er rät: „Meiden Sie spontane Statements zu brisanten Themen.“ ●

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