Zu keinem Thema haben wir in letzter Zeit so viele Rückmeldungen und Einsendungen von unseren Lesern bekommen, wie zu Anfeindungen am Feldrand. Anschuldigungen gegenüber Landwirten sind keine Einzelfälle mehr. Immer mehr Landwirte berichten von aggressiven Bürgern. Das zeigt auch unserer Onlineumfrage. Hier hatten sich bis Ende Juni über 5.000 Nutzer beteiligt. 16 % gaben an, regelmäßig am Feldrand oder auf den Wirtschaftswegen beschimpft zu werden. Und 4 % wurden sogar tätlich angegriffen. Das macht ratlos und frustriert gewaltig.
Auslöser für unsere Reihe zum Thema, war die Meldung „Landwirt bringt Pflanzenschutz aus – Anwohner beginnt Schlägerei“. Ein Landwirt aus Essenbach im Kreis Landshut (Bayern) spritzte auf seinem Feld gegen Blattläuse, was einen 30-jährigen Anwohner offenbar völlig aus der Fassung brachte. Der Bürger beschwerte sich beim Landwirt, was zunächst zu einer verbalen Streitigkeit führte. Letztendlich schlug der Anwohner dem Landwirten ins Gesicht. In dieser Meldung berichten Landwirte über diverese Vorfälle, die sie in der Vergangenheit erlebt haben.
Was gilt eigentlich rechtlich?
Bei Beleidigungen ist eine Anzeige möglich, bei Nötigung Notwehr erlaubt. Handyaufnahmen zu machen und diese als Beweismittel zu nutzen, ist möglich. In den nachfolgenden Zeilen geben wir Ihnen einen Überblick und Tipps rund um Anfeindungen am Feldrand. Denn Sie müssen sich nicht alles gefallen lassen.
Ein Leser fragt, welche Rechte er hat, wenn er mit Schlepper und Spritze unterwegs ist, dann von einem Radfahrer angehalten und beschimpft wird, zudem noch den Mittelfinger gezeigt bekommt.
1. Eskalation vermeiden
Wie verhalte ich mich in so einer Situation rechtlich richtig? Kann ich den Radfahrer auffordern, aus dem Weg zu gehen, um meine Arbeit fortzusetzen?
Antwort: Wenn sich der Radfahrer in den Weg stellt, um den Landwirt an der Weiterfahrt zu hindern, gilt dies als Nötigung. Dagegen wäre Notwehr möglich. Umgekehrt kann aber auch das Zufahren auf den Radfahrer, um diesen vom Weg zu drängen, eine Nötigung sein. Auf solche „Spielchen“ sollten Sie sich deshalb keinesfalls einlassen. Meist sind Sie als Landwirt besser bedient, solche Provokationen zu ignorieren – das gilt insbesondere dann, wenn es keine Zeugen gibt.
2. Strafanzeige möglich
Kann ich gegen dieses Verhalten Anzeige erstatten? Bringt das etwas?
Antwort: Das Zeigen des Mittelfingers stellt eine Beleidigung nach § 185 StGB dar, die allerdings nach § 194 StGB nur auf Antrag verfolgt wird. Eine Strafanzeige muss also auch ausdrücklich mit einem Strafantrag versehen werden. Kommt es dann wirklich zu einem Strafverfahren, entscheidet der Richter, ob er Ihnen als Zeugen Glauben schenkt oder ob Zweifel verbleiben und er deshalb den Radfahrer als Angeklagten freispricht. In aller Regel stellt die Staatsanwaltschaft ein solches Verfahren wegen Beleidigung schon frühzeitig ein. Letztlich steht der Rechtsstaat den Betroffenen hier kaum noch zur Seite. Als Anzeigeerstatter werden Sie dann auf den Privatklageweg verwiesen. Dafür können Sie Ihren Vorwurf beim Amtsgericht zu Protokoll geben oder eine Anklageschrift einreichen. Voraussetzung dafür ist dabei die Durchführung eines erfolglosen Sühneversuchs, wobei Zuständigkeiten und Verfahren von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt sind.
3. Kontaktdaten sichern
Kann ich vom Radfahrer seine Kontaktdaten verlangen, gegebenenfalls die Polizei hinzuziehen?
Antwort: Wenn ein Radfahrer eine Straftat – hier Nötigung und Beleidigung – begangen hat, dürfen Sie ihn nach seiner Identität fragen. Kommt der Radfahrer dem nicht nach, sind Sie oder auch jemand anderes hier befugt, den Täter festzuhalten (§ 127 StPO), Sie können natürlich auch die Polizei hinzuziehen. Praktisch dürften Sie dann den Täter auffordern, auf die Polizei zu warten und ihm beispielsweise das Fahrrad festhalten, um ihn an einer „Flucht“ zu hindern. Grundsätzlich sollten Sie aber den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen und unbedingt aufpassen, dass die Situation nicht eskaliert.
4. Körperverletzung
Der Radfahrer warf mit einem Stein Richtung Schlepper. Gilt das schon als Körperverletzung?
Antwort: Eine Körperverletzung liegt dann vor, wenn eine körperliche Misshandlung oder eine Gesundheitsschädigung vorliegt. Im Regelfall wird der Tatbestand erst durch eine Handgreiflichkeit erfüllt sein. Das Werfen mit Steinen auf den Schlepper ist allenfalls eine Sachbeschädigung, wenn Schäden am Schlepper eintreten.
5. Video erlaubt
Darf ich das Verhalten des Radfahrers per Video aufzeichnen?
Antwort: Grundsätzlich ist es zulässig, das strafbare Verhalten des Schädigers mit einer Videoaufzeichnung zu dokumentieren. Eine solche Aufzeichnung ist auch in einem Strafverfahren als Beweismittel verwertbar.
Kann gezielte Kommunikation helfen?
„Außer den Schreihälsen kann man ganz viele Menschen noch erreichen“, sagt top agrar-Chefredakteur Guido Höner. Er wirbt in seinem Kommentar zum Thema für Verständnis und mehr Öffentlichkeitsarbeit.
Tipps zur Kommunikation am Feldrand, finden Sie in dieser Meldung: