Henning Dicks vom Dienstleister agriportance sieht große Chancen für Biogas aus Wirtschaftsdüngern im Kraftstoffmarkt.
Ihr Unternehmen agriportance bietet Dienstleistungen für Biogasanlagen an. Welche sind das?
Dicks: Wir helfen den Landwirten beim Einstieg in den Biokraftstoffmarkt und haben ein Werkzeug für die Treibhausgasbilanzierung und die Nachhaltigkeitszertifizierung entwickelt. Außerdem agieren wir als Makler zwischen Biogaserzeuger und Mineralölunternehmen bei der Vermarktung von Biomethan und von Treibhausquoten.
Welche Chancen sehen Sie hier?
Dicks: Der Markt entwickelt sich sehr rasant. Vor allem Biomethan aus Gülle und Mist ist stark gefragt bei Mineralölunternehmen und Speditionen. Das haben auch viele Anlagenbetreiber entdeckt und interessieren sich für die Umstellung der Verstromung auf die Biomethanproduktion.
Was ist der Treiber dafür?
Dicks: Vor allem die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II), die aktuell in deutsches Recht umgesetzt wird. Sie bescheinigt Biogas aus Wirtschaftsdüngern eine sehr hohe Treibhausminderung. Wer Biomethan als Kraftstoff verkauft, kann diese THG-Minderung in Form einer Quote an Mineralölunternehmen verkaufen. Diese haben großes Interesse an dem Gas aus Gülle und Mist, weil sie damit ihre THG-Minderungspflicht einfacher nachkommen können. Die Quote ist seit Anfang des Jahres angehoben worden, weshalb Tankstellenbetreiber usw. jetzt mehr Treibhausgase einsparen müssen. Das alles führt insgesamt dazu, dass sich der Markt gerade sehr stark entwickelt.
Wie setzt sich dann der Preis zusammen und wo liegt er aktuell?
Dicks: Die hohe Nachfrage nach THG-Quote führt dazu, dass wir seit Monaten einen konstant hohen Quotenpreis von ca. 250 €/t CO2 haben. Wer Biomethan aus Abfall oder Reststoffen wie Stroh verkauft, erhält rund 6,5 ct/kWh. Biomethan aus Gülle oder Mist kostet dagegen aktuell über 12 ct/kWh. Der Preis bezieht sich dabei auf den Heizwert des Gases, analog zum Erdgaspreis. Er setzt sich zusammen aus Quotenerlös und reinem Gaspreis.
Mineralölunternehmen können die Treibhausemissionen aber ja auch mit Strom für Elektrofahrzeuge oder mit anderen Biokraftstoffen senken. Brauchen sie überhaupt Biomethan?
Dicks: Es gibt derzeit eine starke Nachfrage nach Bio-LNG, also nach verflüssigtem Biomethan. Es ist für den Schwerlastverkehr sehr attraktiv. Schon fossiles LNG hat Vorteile gegenüber Diesel, weil die Motoren leiser sind und es weniger Emissionen verursacht. Mit Bio-LNG wollen die Speditionen noch nachhaltiger werden. Zudem gibt es finanzielle Anreize durch die Mautbefreiung sowie eine Investitionsförderung. Vor 1,5 Jahren hatten wir in Deutschland erst 20 LNG-Tankstellen, heute sind es 60. Bis 2023 könnten es über 200 sein.
Das ist aber angesichts von 900 Erdgastankstellen nicht viel.
Dicks: Die Zahlen lassen sich nicht vergleichen. Ein 40-Tonner fährt mit einer Tankfüllung Bio-LNG rund 1500 km weit. Daher ist ein Netz von etwas mehr als 300 Tankstellen in Deutschland völlig ausreichend. Beim herkömmlichen komprimierten Gas (CNG) dagegen stammen die Kunden vor allem aus dem Pkw-Sektor. Die Reichweite von CNG ist deutlich geringer, weshalb auch mehr Tankstellen nötig sind. Aber wir sehen den CNG-Markt weiter im Rückwärtsgang, im Pkw-Bereich geht die Reise in Richtung Elektromobilität. Die Zukunft von Biomethan als Kraftstoff liegt ganz klar im Bio-LNG.
Bleibt das wie bislang eine Nische oder wird das den Biogasmarkt stark verändern?
Dicks: Die Veränderung ist schon zu spüren, das Interesse der Anlagenbetreiber am Kraftstoffmarkt ist groß. Es gibt erste Anlagen, die schon innerhalb der EEG-Laufzeit von der Verstromung auf die Biokraftstofferzeugung umstellen wollen. Zudem gibt es eine Reihe von Neubauprojekten, was es im Biogasmarkt in den letzten 7 Jahren so nicht mehr gegeben hat. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Gülle und Mist. Hier haben Veredelungsregionen große Vorteile. Der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen wie Mais wird eher zurückgehen.
Ist eine Umstellung von Strom auf Kraftstoffvermarktung problemlos möglich?
Dicks: Sie ist möglich, aber mit vielen Auflagen und Herausforderungen verbunden. Neben den verschiedenen Zertifizierungen gehört dazu auch die technische Änderung von Energiepflanzen auf Gülle- und Mistvergärung. Zudem sind hohe Preise am Markt nur bei einer entsprechend hohen Biomethanmenge zu erzielen. Aktuell halten wir 1000 m3 Rohbiogas pro Stunde für eine Größe, die beim Verkauf anzustreben ist.
Welche elektrische Leistung ist das umgerechnet und was können kleinere Anlagen tun?
Dicks: 1000 m3/h entsprechen etwa einer Anlagengröße von 2 MW elektrisch. Klassische 500 kW-Anlagen sollten sich zusammenschließen, um eine gemeinsame Gasaufbereitung zu bauen. -neu-