Die Pläne der Europäischen Kommission für eine Änderung der Kraftstoff-Qualitäts-Richtlinie stellen eine „verantwortungslose Kehrtwende“ dar. So lautet die Kritik von insgesamt 16 deutschen Verbänden, die der Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), Joachim Rukwied, und der Vorsitzende des Bundesverbands BioEnergie (BBE), Helmut Lamp, am vergangenen Freitag mit einer gemeinsamen Erklärung in Berlin vorstellten.
Die Pläne der Kommission seien ein Einknicken vor einer schrägen öffentlichen Debatte um Teller oder Tank. Die junge, mittelständische Biokraftstoffindustrie werde durch die Pläne der EU-Kommission in den Ruin getrieben. Zudem seien Tausende Arbeitsplätze in Gefahr.
Worum geht es? Die EU will bei den Treibhausgas-Bilanzen von Biokraftstoffen künftig berücksichtigen, dass womöglich durch den Anbau von Pflanzen in Europa für die Spritproduktion anderswo Urwald gerodet wird. Lamp kritisiert dies. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass etwa zwischen der Biokraftstoffproduktion in Europa und der Waldrodung in Südamerika kein direkter Zusammenhang bestehe. Durch die geplante Änderungen würden viele Biokraftstoffe daher die von der EU geforderten Einsparquoten für Treibhausgase verfehlen.
Lässt die EU sich von Lobbyisten beeinflussen?
Außerdem will die EU-Kommission Biokraftstoffen aus Abfällen und Reststoffen gegenüber Biokraftstoffen aus Anbaupflanzen den Vorzug geben und sie bei der Berechnung von Biokraftstoffquoten vierfach anrechnen lassen. Die Verbände monieren, dass dadurch lediglich die tatsächliche Beimischung von Biokraftstoffen reduziert und so wieder mehr fossile Kraftstoffe verbraucht werden. Außerdem bestehe die Gefahr, dass die EU so erst Anreize für Produzenten schaffe, Reststoffe wie Stroh bewusst zu produzieren.
Der BBE-Vorsitzende Helmut Lamp vermutet hinter der neu entfachten Debatte um Biokraftstoffe eine interessengeleitete Kampagne mehrerer Akteure. Zum einen herrsche bei vielen Nichtregierungsorganisationen eine „diffuse Ablehnungshaltung gegenüber moderner Landwirtschaft“. Zum anderen gebe es Branchen wie die Ernährungswirtschaft, denen steigende Preise für Agrarprodukte ein Dorn im Auge seien.
Biogas mittel- und langfristig betroffen
Auch die Biogasbranche sieht sich bedroht. Der Geschäftsführer des Fachverbandes Biogas (FvB), Dr. Claudius da Costa Gomez, betonte, die meisten EU-Staaten hätten die von der Kommission ins Spiel gebrachte Grenze von 5 % Bioenergie aus nachwachsenden Rohstoffen am Gesamttransportenergieverbrauch schon heute überschritten. Die Biogasbranche wäre davon im Bereich der Biomethaneinspeisung für den Kraftstoffmarkt betroffen.
Schon heute könne Biomethan aus Abfällen und Reststoffen von den Tankstellen doppelt auf die zu erfüllende Biokraftstoffquote angerechnet werden. Bei einer vierfachen Zählung müsse ein Tankwart künftig nur noch 25 % der vorgeschriebenen Biokraftstoffmenge anbieten, solange diese aus Abfällen stamme. Der Fachverband Biogas befürchtet vor diesem Hintergrund eine absichtliche Erhöhung der Abfallmengen. Reststoffe könnten nämlich unter diesen Voraussetzungen zu lukrativen Preisen von den Biogasanlagenbetreibern aufgekauft werden. Biogas selbst wäre von den Vorgaben aus Brüssel aktuell zwar nur im Bereich der Biomethaneinspeisung für den Kraftstoffbereich betroffen. Mittelfristig sei jedoch davon auszugehen, dass neben der flüssigen auch die feste und gasförmige Biomasse in die EU-Regelungen einbezogen werde.