Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

topplus Erneuerbare Energien

Energiewende: So wird Bayern klimaneutral

Zwei aktuelle Studien zeigen, wie die Energieversorgung im Freistaat zum Erreichen der Klimaziele umgebaut werden müsste. Ergebnis: Es gibt keinen Königsweg.

Lesezeit: 8 Minuten


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.


Schnell gelesen

  • Wind- und Solarenergie sind neben der Wasserkraft die Eckpfeiler der Energiewende in Bayern.
  • Beide Studien zeigen, dass das Ausbautempo deutlich steigen muss.
  • Biomasse spielt in beiden Studien nur eine begrenzte Rolle, ist aber wichtig als speicherbare Energieform.
  • Vor allem in der Wärmeerzeugung könnte Biomasse eine Rolle spielen.
  • Beim Ausbau der Windenergie zeichnen sich schon heute Konflikte ab, z. B. bei der Idee, mehr Anlagen im Wald zu errichten.



Deutschland hat sich strenge Klimaschutzziele gesetzt. Die Basis dafür ist das Klimaschutzabkommen von Paris aus dem Jahr 2015. Mittel- und langfristig ist zum Erreichen der Ziele ein fast vollständiger Umstieg auf erneuerbare Energien nötig. Dafür müssen neben dem Stromsektor auch die Sektoren Wärme und Mobilität auf Erneuerbare umgestellt werden.

Eine pauschale Lösung dafür gibt es allerdings nicht. Denn jede Region bzw. jedes Bundesland in Deutschland hat andere Voraussetzungen. Wie der Umstieg am Beispiel Bayern gelingen kann, haben Wissenschaftler untersucht: Der Lehrstuhl für Energiesysteme der Technischen Universität München (LES) und das Bayerische Zentrum für Angewandte Energieforschung (ZAE Bayern) in der Studie „100 % erneuerbare Energien für Bayern“ und die Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft (FfE) in der Studie „Klimaneutrales Bayern 2040“ im Auftrag des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW).

Photovoltaik, Wind, Batterien als Stützpfeiler des bayerischen Energiesystems

Die regionalen Besonderheiten Bayerns spielen eine wichtige Rolle bei der Optimierung des Energiesystems, zeigt die Studie „100 % erneuerbare Energien für Bayern“. Die durchschnittliche solare Einstrahlung ist im Freistaat höher als im Rest Deutschlands. Photovoltaikanlagen erzielen entsprechend hohe Energieerträge. Das Potenzial für Windkraft dagegen ist durch geografische Gegebenheiten eingeschränkt. Ein starker Zubau von Photovoltaik, Windkraft und Batteriespeichern wäre aber notwendig, da die Autoren diese drei Technologien als die Stützpfeiler eines optimierten bayerischen Energiesystems ansehen.

Während die bestehenden Wasserkraftwerke und Pumpspeicher weiterhin genutzt würden, hätten sie nur geringen Anteil an der gesamten Energieerzeugung und -speicherung. Im Sommer würde der Strombedarf hauptsächlich über Photovoltaik gedeckt, im Winter über Windkraft. Würden die für das Basisszenario angenommenen Reduktionen des Energiebedarfs erreicht, müsste das bestehende System allerdings noch auf etwa 67 Gigawatt (GW) Photovoltaikleistung, 32 GW Windkraft und Batteriespeicher mit einer Kapazität von 106 Gigawattstunden (GWh) ausgebaut werden, heißt es in der Studie.

Stromerzeugende und KWK-Kraftwerke gegen Dunkelflaute

Die Stromerzeugung von Photovoltaik, Wind und Laufwasser ist allerdings wetterabhängig: Photovoltaik von der solaren Einstrahlung, Windkraft von der Windgeschwindigkeit und Laufwasserkraftwerke von der im Gewässer vorhandenen Wassermenge. Zur Ergänzung der fluktuierenden Energieträger in Stunden geringer Einspeisung („Dunkelflaute“) erlaubt das von den Wissenschaftlern gewählte Modell den Zubau steuerbarer Energieträger. Diese Gruppe umfasst stromerzeugende Kraftwerke sowie Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), die Strom und Wärme zugleich erzeugen: Biomasse-, Gasturbinen- und Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke (GuD) sowie Biomasse-KWK-, Gas-KWK und GuD-KWK-Kraftwerke.

Solche Anlagen können aus Biomasse bzw. Gas konstant Strom produzieren. Das Biomassepotenzial sehen die Wissenschaftler in Bayern jedoch begrenzt. Das Limit von 24,8 Terawattstunden (TWh) Heizwert entspricht dem aktuellen Potenzial fester Biomasse in Bayern. Die Nutzung von Biomasse aus der Land- und Forstwirtschaft zur reinen Stromerzeugung konkurriert mit der Anwendung im Wärmesektor.

Gasturbinen- und GuD-Kraftwerke können synthetisches Erdgas (SNG) nutzen. Die SNG-Produktion ist allerdings energieintensiv und hat in Kombination mit der späteren Rückverstromung einen geringen Wirkungsgrad in der gesamten Prozesskette.

Verkehr nur noch mit Strom

Die Sektoren Verkehr und Wärme könnten sich zu großen Stromverbrauchern entwickeln. Im Basisszenario gehen die Autoren von einer vollständigen Elektrifizierung des Autoverkehrs aus. Wegen der höheren Effizienz elektrischer Antriebe im Vergleich zu Verbrennungsmotoren würden so etwa 52 % des Energiebedarfs in diesem Sektor eingespart.

Diese Energie müsste fossile Brennstoffe vollständig ersetzen. Wärme würde ebenfalls überwiegend elektrisch produziert. Der Gesamtstromverbrauch würde so, trotz der angenommenen Einsparungen in allen Sektoren, auf fast das Anderthalbfache des heutigen Wertes ansteigen.

Wärmeversorgung mit verschiedenen Technologien

Der zukünftige Wärmesektor wird, abhängig von lokalen Gegebenheiten, auf eine Vielzahl von Technologien zurückgreifen. In dicht besiedelten Gebieten kommen Fernwärmenetze zum Einsatz, erwarten die Wissenschaftler. In einigen Regionen könnte auch hydrothermale Tiefengeothermie als Wärmequelle dienen. Alternativ werden – abhängig von der Verfügbarkeit von Strom – Wärmepumpen, Heizpatronen oder Kraft-Wärme-Kopplungs-Technologien eingesetzt.

Eine geringere Besiedlungsdichte erhöht die Kosten für ein Fernwärmenetz. Daher ist in entsprechenden Gebieten eine gebäudespezifische Wärmeversorgung wirtschaftlicher. Im Idealfall werden Wärmepumpen genutzt, bei großem Bedarf zusätzlich elektrische Heizpatronen eingesetzt. Hochtemperaturwärme für die Industrie könnte aus Biomasse, Strom und zu einem geringen Anteil aus synthetischem Erdgas bereitgestellt werden.

Deutlicher Zubau in den nächsten Jahren

Zwischen den Jahren 2022 und 2040 müssten in Bayern jede Woche zwischen 2022 und 2040 neue Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 63 MW entstehen. Dies entspricht etwa dem vier- bis fünffachen des mittleren Photovoltaikzubaus der letzten 20 Jahre. In einer Woche müssten somit beispielsweise Freiflächen-PV auf einer Fläche von 160 Fußballfeldern und 1.000 typische Wohngebäude-Aufdach-Anlagen in Betrieb gehen.

Zudem müssten jede Woche zwei neue Windräder mit je 5 MW in Betrieb gehen oder 2.300 Heizungsanlagen auf regenerative Energieträger umgestellt werden. Das sind die Ergebnisse der Studie „Klimaneutrales Bayern 2040“, die die Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft (FfE) im Auftrag des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) erstellt hat.

Aus verschiedenen Szenarien ergeben sich für Bayern die folgenden gerundeten Eckdaten:

  • eine installierte Photovoltaikleistung von 80 GW,
  • eine Windkraftleistung von 13 GW,
  • Umstellung von 2,4 Mio. Heizungsanlagen auf regenerative Energieträger, die aktuell noch fossil befeuert werden,
  • Sanierung von 1,2 Mio. Gebäuden,
  • Batteriespeicher mit einer Gesamtkapazität von 15 GWh,
  • Austausch aller 8 Mio. Pkw, die aktuell noch mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden,
  • Wasserstoffelektrolyseure mit einer Leistung von 5 GW und
  • Bau von ca. 1.000 Umspannwerken

Neben diesen plakativen Kennzahlen fordern die Wissenschaftler, dass vielfältige weitere Aktivitäten in Angriff genommen werden. Hierzu zählen die Autoren beispielsweise die Reduktion der Klimawirksamkeit der Landwirtschaft, neue Antriebe und klimaneutrale Energieträger für Luft-, Schwerlast und Schiffsverkehr, Umbau der Grundstoffindustrie, Flexibilitäten im Stromnetz, Digitalisierung der Energiewirtschaft, Anpassung des Marktdesigns und Regulatorik, Regionalplanung und Flächensicherung.

Aiwanger will Wasserstoff

Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger erklärt zur FfE-Studie: „Ein klimaneutrales Bayern bis 2040 ist möglich, aber nur mit grünem Wasserstoff, auch aus Import. Eine Verfünffachung der Windenergie und Versechsfachung der Photovoltaik in Bayern halte ich für eher unrealistisch, weil wir damit an gesellschaftliche Akzeptanzgrenzen stoßen.“

Er sieht diese Grenze derzeit bei einer Verdoppelung der Windenergie und einer Verdreifachung der Photovoltaik. Die bleibende Lücke müsste grüner Wasserstoff decken. „Das müssen wir jetzt gezielt angehen über eigene Erzeugung und mit der Suche nach Partnerländern, die uns den grünen Wasserstoff liefern“, sagt der Minister.

Streit um Windenergie

Wie sehr Anspruch und Wirklichkeit bei der Umsetzung abweichen, zeigt sich am Beispiel der Windenergie. Hier hätte Bayern noch großen Ausbaubedarf: Das Land liegt bei der Zahl der Anlagen (1.178, Stand Juni 2021) an viertletzter Stelle vor Sachsen, Baden-Württemberg und Saarland. Um den Ausbau voranzubringen, will Energieminister Aiwanger in den bayerischen Wäldern mehrere Hundert neue Windräder initiieren. Für die Waldbesitzer sind die Windkraftanlagen laut Aiwanger auch eine gute Einnahmemöglichkeit.

Die bayerische Landwirtschafts- und Forstministerin Michaela Kaniber warnt jedoch davor, die bayerischen Wälder unkontrolliert mit Windrädern „vollzupflastern“. Wald sei ein wertvolles Ökosystem. Denkbare Ausnahmen könnten künftig auch für Vorrangflächen in den Regionalplänen gelten. Die Zuständigkeit hierfür liegt beim Wirtschaftsministerium. Bislang seien dem Forstministerium hierzu aus dem Hause Aiwanger noch keine konkreten Vorschläge bekannt. „Für solche Ausnahmefälle soll es eine erleichterte Möglichkeit mit einem geringeren Abstand geben, beispielsweise beim Repowering, im Wald und bei Vorrangflächen und vorbelasteten Gebieten. Potenziale bestehen auch bei Truppenübungsplätzen“, meint die Ministerin.




Energiepolitik in Bayern: Solarparks boomen, Windkraft stockt

Der Ausbau der Solarenergie in Bayern kommt laut Energieminister Hubert Aiwanger sehr gut voran. Bei der deutlich überzeichneten Ausschreibungsrunde der Bundesnetzagentur für Freiflächen-Photovoltaik vom 1. November 2021 erhielten Investoren in Bayern 69 Zuschläge, davon 41 in landwirtschaftlich benachteiligten Gebieten. Das sind mehr als 50 % der 133 Zuschläge im gesamten Bundesgebiet. „Wir haben mit der Erhöhung der Höchstgrenze für Photovoltaik-Freiflächenanlagen auf Acker- und Grünlandflächen in landwirtschaftlich benachteiligten Gebieten die richtigen Weichen gestellt. Das zahlt sich jetzt aus“, erklärte Aiwanger.

Die jährliche Höchstgrenze für Photovoltaik-Freiflächenanlagen auf Acker- und Grünlandflächen in landwirtschaftlich benachteiligten Gebieten wurde in Bayern zum 1. Juli 2020 von 70 auf 200 Anlagen erhöht. Photovoltaik-Freiflächenanlagen über 750 kW Leistung können in Bayern auf Acker- und Grünlandflächen in sogenannten landwirtschaftlich benachteiligten Gebieten einen Zuschlag erhalten. Diese Möglichkeit erweitert die förderfähige Flächenkulisse gem. § 37 EEG, die unter anderem vorbelastete Flächen wie beispielsweise entlang von Bahngleisen und Autobahnen oder militärisch genutzte Konversionsflächen umfasst.

Weniger gut sieht es bei der Windenergie aus. An fehlender Windausbeute in Bayern liegt das aber laut Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) nicht. Das Problem sei viel mehr, dass Bayern weiterhin an der 10-H-Regel festhalte, wodurch es kaum noch möglich sei, Flächen für Windenergie an Land zu finden. Diese nur in Bayern geltende Regelung besagt, dass Windräder zur Wohnbebauung den zehnfachen Wert der Höhe eines Windrades einhalten müssen. Bei einer modernen, 200 m hohen Anlage wären das also 2 km.

Mehr zu dem Thema

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.