Bayerns Energie- und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger will beim Ausbau der Windenergie mehr Ausnahmen von der umstrittenen 10H-Abstandsregel ermöglichen. Bei einer Videokonferenz am 7. Februar mit den Vertretern aller 18 regionalen Planungsverbände in Bayern gab es großen Konsens für ein starkes Einbinden der Kommunen.
„Um die Windkraft in Bayern weiter voranzubringen, müssen wir vernünftige Ausnahmen der 10H-Regelung definieren, beispielsweise nur noch rund 1000 Meter Abstand zur Bebauung in Wind-Vorranggebieten und in geeigneten Wäldern, die nicht unter Naturschutz stehen“, erklärte der Wirtschaftsminister.
Bedingt durch die Höhe moderner Windräder entspräche der Abstand von zehnmal der Höhe (10H) heute etwa einem Abstand von 2.000 bis 2.500 m, was in der Regel zum Ende weiterer Planungen führe.
Mehr Beteiligung gefordert
Die Vertreter der Planungsregionen, überwiegend Landräte, schilderten ihre jeweilige Situation bezüglich der Windkraft und die Position zu einer Weiterentwicklung der 10H-Regel mit den genannten Ausnahmen. Es müssen auch die monetären Rahmenbedingungen verbessert werden: „Um die Akzeptanz in der Region zu erhöhen, sollten beispielsweise auch angrenzende Grundstückseigentümer an den Einnahmen, die durch EEG-Einspeisevergütung und Pacht erzielt werden, beteiligt werden. Kommunen sollen sich mit ihren Nachbarkommunen abstimmen“, erklärt der Staatsminister.
Bayern plant landesweiten Konsens
Im Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) ist festgelegt, dass im Rahmen von regionsweiten Steuerungskonzepten in den Regionalplänen Vorranggebiete für die Errichtung von Windkraftanlagen festzulegen sind. Damit können Windenergieanlagen an raumverträglichen Standorten konzentriert, negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt eingeschränkt sowie eine Zersiedelung verhindert werden.
In Vorranggebieten für Windkraft sind Nutzungen, die dem Ausbau von Windenergieanlagen entgegenstehen, nicht zulässig. Neben den Vorranggebieten können auch Vorbehaltsgebiete und Ausschlussgebiete für Windkraft in den regionsweiten Steuerungskonzepten festgelegt werden oder auch sogenannte „weiße Flächen“ unbeplant belassen werden.
Zuständig für die Regionalplanung in Bayern sind die 18 Regionalen Planungsverbände, in welchen sämtliche Gemeinden und Landkreise einer Region zusammengeschlossen sind. Die bayerische Staatsregierung will in den nächsten Wochen einen Konsens erarbeiten und an die Bundesregierung melden, wie ein verträglicher und substanzieller Ausbau der Windkraft aussehen kann. Aiwanger hält in Bayern in den nächsten zehn Jahren mehrere hundert Windräder zusätzlich zu den derzeit rund 1.130 bestehenden für realistisch.
Niedersachsen: Umweltverbände kritisieren Raumordnung
Währenddessen stoßen die aktuellen Pläne zur Ausweitung der Windenergienutzung im Wald im 2. Entwurf des Landesraumordnungsprogramms (LROP) bei den niedersächsischen Umweltverbänden BUND, NABU und Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) auf völliges Unverständnis. Sie fordern einen weitgehenden Ausschluss von Windkraft im Wald.
„Wir unterstützen ausdrücklich einen Ausbau erneuerbarer Energie im Sinne des Klimaschutzes, dieser muss jedoch naturverträglich erfolgen. Nach vorliegendem LROP-Entwurf würde sich der Schutz der niedersächsischen Wälder und Waldböden durch den Bau von Windkraftanlagen erheblich verschlechtern“, sagt Axel Ebeler, stellvertretender BUND-Landesvorsitzender.
Auch für den NABU-Landesvorsitzenden Holger Buschmann ist ein Schutz der Wälder ist angesichts des Klimawandels umso dringlicher: „Wälder wirken als wichtige Speicher für schädliche Treibhausgase und erfüllen zentrale Funktionen für die Grundwasserbildung, den Temperaturausgleich und als natürliche Lebensräume für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Unsere Wälder leiden bereits massiv durch den Klimawandel. Sie durch den Bau und Betrieb von Windkraftanlagen zusätzlich zu beeinträchtigen und weiter zu destabilisieren, ist unverantwortlich.“
Die Verbände betonen, dass die niedersächsische Landesregierung den Umweltverbänden in ihrer Abschlusserklärung zum „Runden Tisch zur Zukunft der Windenergie in Niedersachsen“ im März 2020 zugesagt, dass die Nutzung von Windenergie im Wald nur behutsam erfolgen würde. Mindestens Schutzgebiete, historisch alte Waldstandorte und andere ökologisch besonders wertvolle Waldflächen sollten von der Windenergie ausgeschlossen bleiben.
Lies sieht keinen Widerspruch
„Der Ausbau der Windenergie auch an Land ist essentiell, wenn wir unser Ziel einer CO₂-freien Energieversorgung bis 2040 halten wollen. Daher geht es darum, die Landkreise zu unterstützen, mehr Flächen auszuweisen, um das 2 Prozent Ziel zu erreichen“, reagierte der Niedersächsische Umwelt- und Klimaschutzminister Olaf Lies auf die Kritik der Umweltverbände an der Öffnung von Waldflächen für die Windenergie.
Dabei sollten auch Waldflächen kontrolliert, aber konsequent für die Nutzung die Windenergie unter klaren Kriterien geöffnet werden. „Hier geht es nicht um Willkür, sondern dafür haben wir klare Kriterien und saubere Genehmigungsverfahren. Naturschutz und Klimaschutz sind keine widerstreitenden Ziele, sie bedingen einander“, sagte Lies.
Weiter will Lies das Repowering voranbringen, also den Ersatz alter Windräder durch neue, leistungsfähigere Modelle. „Hier müssen wir rechtlich sicherstellen, dass alte Standorte wieder genutzt werden können, auch wenn das vor Ort vielleicht nicht jedem passt.“
Freie Wähler warnen vor Überfrachtung
Die im Zusammenhang mit der bayerischen 10 H-Regelung getroffenen Aussage von Klimaschutzminister Lies, dass Windkrafträder für ihn zur niedersächsischen Kulturlandschaft gehören lehnen die Freien Wähler ab. Die Verweigerungshaltung anderer Bundesländer dürfe nicht zu einer Überfrachtung in Niedersachsen führen. Der Ausbau müsse nach Ansicht der Partei dezentral mit einer klaren Bürgerbeteiligung fortgeführt werden.
„Unsere niedersächsische Wirtschaft braucht den beschleunigten Ausbau von Windenergie und Photovoltaikanlagen. Schwerpunkt muss hierbei auf den dezentralen Ausbau mit fester Bürgerbeteiligung gelegt werden. Gerade die Bürgerwindparks und Energiegenossenschaften tragen maßgeblich zur Akzeptanz des Ausbaus bei“, sagt Arnold Hansen, Landesvorsitzender der Freien Wähler Niedersachsen. Zusätzlich sei mehr Planungssicherheit nötig. Dazu gehört für Hansen auch, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren wesentlich beschleunigt werden.