Nie wurde die die gemeinsamen Auswirkungen von Klimakrise und Importabhängigkeit von fossilen Rohstoffen so deutlich sichtbar wie in diesen Tagen. „Die Klimakrise sorgt dafür, dass die Flüsse wenig Wasser führen und Kohle daher nicht mehr zu Kraftwerken transportiert werden kann. Zudem ist die Hälfte der französischen Atomkraftwerke ausgefallen, was die Versorgung in Frankreich massiv gefährdet“, schilderte Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) die aktuelle Lage auf den Energiemärkten. In Frankreich würde man jetzt sogar darüber nachdenken, mit einem gezielten Blackout in einzelnen Regionen einem landesweiten Stromausfall entgegenzuwirken.
Doch anstatt jetzt die erneuerbaren Energien als Lösung schnell und massiv auszubauen, baue die Bundesregierung fossile und atomare Brücken und gefährde mit dem Eingreifen in den Strommarkt die Energiewende. Denn gerade die erneuerbaren Energien würden nachweislich zu einer Strompreissenkung führen. „Den signifikant preisdämpfenden Effekt der erneuerbaren Energien gilt es umfassend zu nutzen. Wir können es uns nicht leisten, noch einmal in eine fossile Preiskrise zu schlittern“, appelliert die BEE-Präsidentin. Nicht etwa das umfangreiche Osterpaket, sondern die Preis- und Versorgungskrise lasse die Bürger jetzt umdenken und in erneuerbare Lösungen investieren.
Atomkraft ist keine Lösung
Peter kritisierte den gestern vorgestellten Plan, die Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim in eine Notfallreserve zu überführen. „Sowohl das Potenzial zur Kostensenkung als auch zur Stromproduktion sind minimal bei den zwei AKW und daher keine Lösung für aktuelle Probleme“, sagte sie. Dass gerade Bayern jetzt auf die Laufzeitverlängerung dränge, sei kein Wunder: „Jahrelang hat die Landesregierung die Windenergie torpediert, dort fehlt jetzt eine Alternative.“ Wissenschaftliche Informationen, warum Streckbetrieb oder Laufzeitverlängerungen der Atomkraftwerke wenig sinnvoll sind, zeigt auch ein neuer Blogeintrag des Ökoinstituts.
Der BEE schlägt als Alternative zu der risikoreichen Atomkraft oder der klimaschädigenden Kohlevertstromung ein „Erneuerbares Befreiungspaket“ vor. Dieses besteht aus kurz- und mittelfristigen Lösungen. Kurzfristig wirksam wäre vor allem der Bürokratieabbau:
- Bioenergie: Die gesetzliche Drosselung der Produktion sowie die zeitlich befristete Anpassung im Genehmigungsrecht sollten ausgesetzt werden, um die Leistung zu steigern.
- Photovoltaik: Die geforderten Netzanschlusszertifikate sollten nur noch für große, leistungsstarke Anlagen nötig sein.
- Windenergie: Neben schnelleren Genehmigungen fordert der BEE, die Abschaltungen von Anlagen auszusetzen.
- Wärme: Wärmepumpen und kleine Geothermie-Erdwärmepumpen sollten leichter angeschlossen werden können.
Mittelfristige Werkzeuge
Als mittel- bis langfristig fordert der BEE:
- Vorrang der Erneuerbaren in Fachgesetzen verankern;
- Planung und Bau von Erneuerbaren Anlagen und zugehöriger Infrastruktur priorisieren;
- „LNG-Geschwindigkeit“ bei Genehmigungsverfahren organisieren (gemeint ist, die Verfahren analog zur schnellen Genehmigung der Flüssigerdgasterminals an der Küste zu beschleunigen);
- Flächen schnellstmöglich zur Verfügung stellen;
- Windenergie (10 GW im Genehmigungsprozess) und PV-Freiflächen vorrangig behandeln: Fristen festsetzen/ kürzen;
- Verwaltungskapazitäten in Behörden und Gemeinden erhöhen;
- Repowering bei Wind (45 GW) erleichtern, z.B. Beschleunigung durch Anzeigepflicht ohne erneute naturschutzfachliche Genehmigung
- Bürokratieabbau und Vereinfachung für Prosuming (Mieterstrom, Eigenversorgung);
- Netzanschluss beschleunigen, z.B. für gewerbliche PV Anlagen und
- Netzausbau vorantreiben
- Flexible Leistung bereit stellen (über Leistungssteigerung bei Biogasanlagen).
„Solarbooster nötig“
Allein 7 GW Solarwärme lassen sich zudem in den nächsten drei Jahren durch einen Solarbooster heben. „Und auch bei der Holzenergie sollten wir die nachhaltig verfügbaren Potenziale nochmals prüfen – denn hier sieht der BEE ebenfalls noch Luft nach oben.“
Mittelfristig müssen erneuerbare Energien in den Fachgesetzen als vorrangig gelten und Planung und Bau priorisiert werden. Außerdem müssen die Energiemärkte nach den Bedürfnissen der Erneuerbaren ausgerichtet werden: „Allein im Jahr 2021 wurden 5,8 Terawattstunden Wind- und Sonnenstrom abgeregelt. Das ist widersinnig und spricht auch gegen den weiteren Betrieb von konventionellen inflexiblen Anlagen wie Atomkraftwerken, die Risiken bergen und viel Geld kosten. Hier sind besser alle anderen Optionen – von Lastverschiebung bis erneuerbarer KWK – zu nutzen“, so Peter. „Die Bundesregierung sollte noch in diesem Jahr die Plattform Klimaneutrales Strommarktdesign einsetzen, um ein flexibel steuerbares dezentrales Back-up im Strommarkt zu schaffen.“
Vorschläge, wie der Strommarkt der Zukunft aussehen kann, hat der BEE bereits im letzten Jahr in einer Studie gemacht. „Kurzfristige Eingriffe, wie jetzt von der EU geplant, müssen im Einklang mit den Ausbauzielen stehen. Nur durch einen schnellen Zubau der Erneuerbaren Energien werden wir langfristig die fossile Energiekrise zu überwinden.“