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Holz als Brennstoff, Baustoff oder CO₂-Speicher – was ist sinnvoll?

Holz ist in der Energie- und Klimakrise stark nachgefragt. Doch Wissenschaftler, Landespolitiker und Praktiker sind besorgt über die vielen Einschränkungen, zeigte ein Fachkongress in Würzburg.

Lesezeit: 8 Minuten

Waldbauern und Holzlieferanten haben derzeit Hochkonjunktur. Denn Brennholz wird von vielen Haushalten als Ersatz für Erdgas gebunkert. Damit könnte die heimische Energie einen wichtigen Beitrag zur Entspannung der Energiekrise leisten. Gleichzeitig dient der Ersatz von Öl und Gas dem Klimaschutz, da Holz als nachwachsender Rohstoff CO₂ aufnimmt – anders als fossile Brennstoffe.

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Anders sehen es aktuell Teile der Politik oder von Umweltverbänden: So will das EU-Parlament Primärholz nicht mehr als „erneuerbare Energie“ einstufen. „Zudem gibt es Vorschläge, im Rahmen des europäischen Green Deal 10 bis 50 % der Waldflächen stillzulegen“, sagte Bernd Heinrich bei der Eröffnung des 22. Fachkongresses für Holzenergie in Würzburg. Heinrich ist Leiter Fachressort Bioenergie und Stoffkreisläufe, Nachhaltigkeit, Umweltschutz beim Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik (KWF) und Vorstandsmitglied beim Fachverband Holzenergie.

Dazu kommt auch viel Gegenwind von deutschen Ministerien: So soll es eine rückwirkende Abschöpfung von Erlösen auf dem Strommarkt bei Holzkraft- und Biogasanlagen geben, die wegen der gestiegenen Rohstoffpreise dadurch in Existenznot geraten. Zudem gibt es Einschränkungen bei der Förderung, die den Umstieg von Öl- und Gasheizungen auf moderne Holzzentralheizungen gefährdet. „Stattdessen fördert man LNG-Terminals, verlängert die Laufzeit von Atomkraftwerken oder stuft Erdgas und Kernenergie auf EU-Ebene sogar als nachhaltig ein. Je länger die Krise dauert, desto absurder werden die legislativen Maßnahmen und Gesetze“, betonte Heinrich.

Aiwanger fordert regionale Wertschöpfungsketten

Auch Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger kritisierte in seinem Grußwort die Bundespolitik heftig: „Man muss sich wundern, wie schnell Ideologie Einzug hält mit dem Ziel, dass Wälder nicht mehr bewirtschaftet werden sollen.“

Er rief dazu auf, die Bevölkerung zu mobilisieren, damit sie sich gegen die Einschnitte wehren. Denn schließlich würde ein Drittel der bayerischen Haushalte traditionell mit Holz heizen. „Und mit einem Raummeter Holz ersetzen wir 100 bis 120 l Öl, das nicht aus Saudi-Arabien kommen muss!“ Dabei seien moderne Heizkessel das Gebot der Stunde, um fossile Energien zu ersetzen.

Der Idee, den Wald als kontinuierliche CO₂-Senke zu verwenden, hält er für unsinnig. „Dann dürften wir auch keinen Salat mehr essen, denn der hat ja auch CO₂ aufgenommen, das nach dem Verzehr wieder abgegeben wird“, sagte er. Wälder müssten genutzt werden, um den verbleibenden Bäumen Licht und Wasser zu bieten.

Aiwanger regte an, dass sich jetzt neue Wertschöpfungsketten bilden: „Wir müssen jetzt die Lehren aus dem Ukrainekrieg ziehen. Genauso, wie Müller oder Bäcker das Getreide von Landwirten vor Ort kaufen sollten, könnten sich Privathaushalte, Unternehmen oder Kommunen mit einer regionalen Waldbauernvereinigung kurzschließen und die Belieferung mit Holz über die nächsten Jahre vertraglich absichern.“ Darum müssten wir die regionale Bioenergie auch nutzen und nicht im Wald verfaulen lassen.

Zeitenwende in der Energieversorgung

Dr. Hans Niggl, Abteilungsleiter erneuerbare Energien im bayerischen Wirtschaftsministerium, fordert ebenfalls den konsequenten Ausbau u.a. der Holzenergie. „Wir müssen sie als zentralen Baustein zum Gelingen der Energiewende und zum Erreichen der Klimaschutzziele in den Mittelpunkt stellen“, sagte er in seinem Vortrag auf dem Kongress. Er vermisst in Teilen der Bundesregierung Realismus. Denn nach dem Beschluss zum Atomausstieg nach der Fukushimakatastrophe und dem klimaschutzbedingten Kohleausstieg sei seit dem 24.2. auch die Erdgasversorgung fraglich. „Wir haben eine Zeitenwende. Aber es gibt immer noch Politiker, die keine Windenergie, keine Wasserkraft oder keine Bioenergie wollen, als hätten wir nicht die Notwendigkeit, alles nutzen zu müssen“, unterstrich er. Es sei absurd, Holz als speicherbares und nachhaltiges Multitalent der Energiewende abzuschaffen. „Das sind weltfremde Theoretiker in Brüssel, die diese Entscheidungen treffen“; fand er deutliche Worte.

Dabei sieht er Holz für die nächsten 15 bis 20 Jahre als Brückentechnologie, bis alternative Wärmequellen wie Erdwärmepumpen, Geothermie und solarthermische Großanlagen auch für Wärmenetze stärker erschlossen seien.

Kritisch sieht er die geforderte Kaskadennutzung: „Es gibt viel Durchforstungholz, das sich nicht stofflich nutzen lässt. Trotzdem dürften wir es nicht verwenden, wenn sich die neuen Regelungen durchsetzen“, warnte er. Daher fordert er von den Trilogverhandlungen zwischen EU-Kommission, Parlament und Europarat zur RED III, dass Holz weiterhin als erneuerbare Energie anerkannt wird.

Einblick in die Sicht der Regierung

Wie bewertet die Bundesregierung Holz als alternativen Brennstoff? Einen Einblick in die Denkweise gab Martin Waldhausen vom Referat Klimaschutz in Land- und Forstwirtschaft des Bundeswirtschaftsministeriums, der u.a. das Erstellen der „Nationalen Biomassestrategie“ mitverantwortet. „Holz spielt für die Energieversorgung eine ganz große Rolle, weil es vor der Haustür wächst und nicht per Schiff oder Pipeline zu uns transportiert werden muss“, sagte er. Die Nationale Biomassestrategie berücksichtige aber den Krieg nur am Rande, es gehe vorrangig um die Ziele Ernährung, Biodiversität und Klimaschutz. „Biomasse wird derzeit von vielen Industrien und Sektoren nachgefragt. Darum ist eine Strategie wichtig, um Zielkonflikte zu vermeiden“, erklärte er. Denn es sei längst nicht genügend Biomasse vorhanden, um in allen Bereichen Kohle und Gas zu ersetzen. Zudem hob er ab auf den Wald als CO₂-Speicher: „Wenn man Wald extensiver nutzt, hat man einen höheren CO₂-Speicher.“ Es sei falsch zu behaupten, dass Waldholz beim Verrotten genauso viel CO₂ emittiere wie beim Verbrennen.

Österreicher sind pragmatischer

Auch Österreich verfolgt das 1,5 °C-Klimaziel, hält aber Bioenergie als essenziell, um dieses Ziel zu erreichen, wie Christoph Pfemeter vom Österreichischen Biomasse-Verband unterstrich. „Wir halten einen Vorratsaufbau im Wald auch für sinnvoll, aber nur da, wo es regional passt.“ Einige Bestände seien stark überaltert und müssten dringend verjüngt werden. In anderen stehen Baumarten, die künftig nicht mehr zum Klimawandel passen. „Wir sehen den Wald als Kohlenstoffbatterie, die von Zeit zu Zeit entleert werden muss, um wieder mehr CO₂ speichern zu können“, machte er deutlich.

Das Holz soll dazu beitragen, fossile Energien bei der Raum- und Prozesswärme zu verdrängen. „Wir sehen aber auch noch viel Potenzial, um aus dem Holz per Fischer-Tropsch-Synthese Kraftstoffe herzustellen, die man in vorhandenen Autos verwenden kann“, erklärte Pfemeter.

Zusätzlich wären negative Emissionen nötig, z.B. mit der Produktion von Pflanzenkohle aus Waldholz. Zudem gäbe es viele Bioökonomieanwendungen von Holz in der Industrie. „All das wäre aber mit einer Reduktion der Waldbewirtschaftung nicht möglich“, betonte er. Darum sieht er es kritisch, dass die EU in einer Zeit, in der Bioenergie dringend benötigt würde, das Angebot verknappt.

Warum Holz CO₂-neutral ist

Die Frage, ob Holz als Brennstoff fossile Energieträger wie Öl und Gas verdrängen soll oder besser im Wald als CO₂-Speicher bleibt, zog sich wie ein roter Faden durch viele der Vorträge in den zwei Tagen. Auch wissenschaftlich näherten sich einige Referenten dem Thema, wie z.B. der frühere Rottenburger Forsthochschul-Professor Roland Irslinger aus Tübingen. „Die Frage, ob bei der Verbrennung von Holz nur das CO₂ abgegeben wird, das die Pflanze vorher aufgenommen hat, führt in die falsche Richtung. Denn dann wäre es ja auch nachhaltig, Regenwaldholz zu verheizen“, erklärte er. Besser sei es zu argumentieren, dass der Wald das bei der Verbrennung abgegebenes CO₂ wieder aufnimmt. Damit widerspricht er der in der Öffentlichkeit vertretenen Meinung, dass Holz als Brennstoff wegen der geringeren Energiedichte sogar klimaschädlicher sei als Gas, Öl und Kohle. Denn diese wachsen nicht nach. Genauso falsch sei es zu behaupten, dass ein gefällter Baum erst 100 Jahre später durch einen neuen Baum ersetzt worden sei. „Wir fällen rund 1 % der Bäume im Jahr, 99 % wachsen weiter und binden das bei der Verbrennung freigesetzte CO₂ wieder“, sagte er.

Er kritisierte ebenfalls, dass bestimmte Begriffe in der Politik und in den Medien fälschlich verwendet werden:

  • Der "Waldspeicher" ist eine Zustandsgröße. Sie beschreibt die Menge an Holz oder Kohlenstoff, die aktuell im Wald vorhanden ist.
  • Eine Senke liegt dann vor, wenn der Speicher zunimmt.
  • Eine Quelle liegt vor, wenn der Speicher abnimmt. Senke und Quelle sind damit Flussgrößen.

„Überlässt man den Wald sich selbst, kann er nur eine zeitlang eine Senke sein, bis der Kohlenstoffspeicher gefüllt ist. Dann fungiert er nur noch als Speicher, nicht mehr als Senke“, machte er deutlich.

Waldspeicher häufig überschätzt

Dr. Herbert Borchert von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft ging in seinem Vortrag auf typische Vorurteile gegenüber Waldholz ein. Dazu gehört das immer wieder aufgeführte Argument, dass bei der Verbrennung schnell viel CO₂ emittiert werde, es aber sehr lange dauere, bis Holz nachgewachsen sei. „Es ist aber falsch, nur den einzelnen Baum zu betrachten. Der meiste Zuwachs und damit die höchste CO₂-Aufnahme findet bei älteren Bäumen statt“, sagte Borchert.

Dabei wird seiner Meinung nach der Waldspeicher meistens überschätzt. Es sei nicht richtig, dass es in einem Wald ohne Bewirtschaftung automatisch zu mehr CO₂-Bindung komme. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen kommen im Wald meist verschiedene Altersklassen vor. In diesen Plenterwäldern liegt der Vorrat im Schnitt bei etwa 400 m³ Holz pro Hektar. Darin ist auch Totholz berücksichtigt. „Wenn die Vorräte wachsen, kann es u.a. mehr Schäden durch Insekten geben“, warnte der Experte.

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