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Klima-Taxonomie: Kontroverse um klimaschonende Technologien

Die EU hat definiert, was klimaverträgliche Investitionen sind. Während sich die Erdgaslobby benachteiligt sieht, kritisieren Umweltorganisationen die Aufnahme von fossilem Gas.

Lesezeit: 6 Minuten

Am Mittwoch (21. April) hat die EU-Kommission den ersten delegierten Rechtsakt zur EU-Taxonomie, die sogenannte Klima-Taxonomie, in Brüssel vorgestellt. Darin werden Prüfkriterien definiert, nach welchen Investitionen in Technologien und wirtschaftliche Aktivitäten als klimaverträglich bezeichnet werden dürfen. Die EU-Taxonomie soll Investoren und Nationalstaaten dabei helfen, nachhaltiger zu investieren und Gelder im Sinne des Umwelt- und Klimaschutzes einzusetzen.

Nachhaltige Investitionen definiert

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Die europäische Taxonomie-Verordnung ist ein Rahmen zur Bewertung der Nachhaltigkeit von wirtschaftlichen Aktivitäten. Sie trat im Juli 2020 in Kraft. Das Ziel: Investoren, Nationalstaaten und die Europäische Union sollen nachhaltiger investieren, "Greenwashing" soll verhindert werden. Eine Investition bzw. die der Investition zugrunde liegende Wirtschaftsaktivität gilt in der Taxonomie als nachhaltig, wenn sie wesentlich zu mindestens einem von sechs Umweltzielen beiträgt und keinen erheblichen Schaden im Sinne der übrigen Umweltziele verursacht.

Die EU-Kommission hat den Entwurf der Taxonomie dem Finanzministerrat und dem EU-Parlament zugeleitet. Beide Institutionen müssen dem Entwurf nun zustimmen.

Aiwanger fordert Gaskraftwerke als Übergangslösung

In dem neuen Entwurf der EU-Kommission wird der Neubau von Erdgas-Kraftwerken ebenfalls als grünes Investment bezeichnet, insbesondere wenn es sich um Kraftwärmekopplungs-Anlagen handelt, die vor 2025 Kohlekraftwerke ersetzen. In einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat sich Bayerns Energieminister Hubert Aiwanger gegen „deutlich überzogene Anforderungen der EU-Taxonomie an gasbetriebene Kraftwerke und KWK-Anlagen“ ausgesprochen. Aiwanger bat den Bundeswirtschaftsminister nachdrücklich, dass die Bundesregierung ihren Einfluss in Brüssel geltend macht, damit die Anforderungen angepasst werden. „Kraft-Wärme-Kopplung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Versorgungssicherheit im Rahmen der Energiewende. Sie schließt aktuell die Lücke in der Energieerzeugung, die der Atom- und Kohleausstieg verursacht. Investitionen in KWK-Anlagen sind daher dringend notwendig“, unterstreicht der Minister. Dafür seien Planungssicherheit für Investoren, Anlagenhersteller und Betreiber besonders wichtig. Überzogene Anforderungen an CO2-Grenzwerte für gasbetriebene Kraftwerke und KWK-Anlagen seien kontraproduktiv. Anlagen, die mittelfristig mit Wasserstoff CO2-neutral betrieben werden, müssten als nachhaltig klassifiziert werden.

Zukunft Gas befürchtet Stromlücke

Auch die Brancheninitiative „Zukunft Gas“ sieht den Entwurf aus Brüssel als kurzsichtig an. Dies zeige ein Beispiel aus dem Strommarkt: Auch über die Zielmarke 2050 hinaus würden steuerbare Kraftwerke auf Basis von fossilem Erdgas weiterhin die schwankende Einspeisung der erneuerbaren Energien ergänzen müssen. Mit dem Ausstieg aus der Kohle und Atomkraft werde auch der Bedarf an umweltschonenden und steuerbaren Kraftwerken steigen. Durch ihre geringen CO₂-Emissionen und die hohe Flexibilität würden sich Gaskraftwerke besonders gut als Back-Up der Erneuerbaren eignen. Laut der aktuellen Fassung der Taxonomie dürften die Treibhausgasemissionen aus der Stromerzeugung mit gasförmigen und flüssigen Brennstoffen einen Grenzwert von 100 g CO₂/kWh nicht überschreiten. Dabei liegen selbst die Klassenbesten Gaskraftwerke nicht unter 340 g CO₂/kWh.

Gaskraftwerke, die bis 2025 entstehen, wären von dieser Bemessungsgrenze zwar ausgenommen, jedoch wird für die Errichtung solcher Anlagen im Schnitt eine Vorlaufzeit von etwa sieben Jahren benötigt. „Für die Versorgungssicherheit sind Gaskraftwerke noch einige Jahrzehnte unerlässlich. Wenn Investitionen in die Gasinfrastruktur nicht als nachhaltig klassifiziert werden, riskieren wir in den 2030er Jahren Versorgungslücken und Stromausfälle“, ergänzt Dr. Timm Kehler, Vorstand der Brancheninitiative.

120 Umweltorganisationen gegen Erdgas

Ganz anders bewerten 130 europäische Umweltorganisationen die Rolle von Erdgas in der Energiewende: In einem gemeinsamen Brief fordert die Verbände, darunter die Deutsche Umwelthilfe (DUH), fossiles Erdgas aus der EU-Taxonomie weiter auszuschließen. Die DUH sieht darin einen Widerspruch zum weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien und echten grünen Investments. Auch Atomkraft müsse weiter aus der Taxonomie ausgeschlossen bleiben.„Erdgas ist ein fossiler Energieträger, seine Nutzung ist Teil des Problems, nicht der Lösung. Um die Klimakrise zu bewältigen, müssen wir deshalb nicht nur schneller aus der Kohle aussteigen, sondern auch die Nutzung von Erdgas so schnell wie möglich herunterfahren“, fordert DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Nur Investitionen in Effizienz, erneuerbare Energien, grünen Wasserstoff und Stromnetze würden zur Energiewende beitragen. Die Aufnahme von Erdgas-Kraftwerken in EU-Regeln für nachhaltige Finanzierung hefte dieser fossilen Energie ein grünes Label an. Auch zerstöre es die Glaubwürdigkeit und den Nutzen der Taxonomie.

Kritik auch aus Österreich

In den als Verhandlungsgrundlage vorgelegten Entwurf ist neben Erdgas auch die Atomkraft enthalten. „Es kann unmöglich sein, dass Atomkraft und Erdgas an jenem Tag in einer Verordnung als ‚grüne‘ Energie eingestuft werden sollen, an dem die EU ihre neuen verschärften Klimaziele präsentiert“, kritisiert Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft aus Österreich. Weltweit schreitet der Ausstieg aus fossilen Energien mit großen Schritten voran. Die Taxonomie-Verordnung wäre ein wichtiges Instrument, diesen Trend zu verstärken und den Klimaschutz weiter voranzutreiben. „Werden die Atomkraft und das Erdgas mit der Taxonomie-Verordnung klima- und umweltpolitisch in der EU mit einem grünen Mäntelchen versehen, würden diese Technologien den erneuerbaren Energien beinahe gleichgestellt. Das käme einer Vollbremsung bei der Energiewende gleich“, bemerkt Moidl: „Die Österreichische Bundesregierung und unser österreichischer Kommissar Johannes Hahn müssen diesen klima- und umweltpolitischen Wahnsinn verhindern.“

Nabu kritisiert Einsatz von Energieholz

Der heute vorgestellte Entwurf bleibt laut NABU jedoch weit hinter diesen Zielen zurück. „Auf Druck der nordischen Lobby gelten auch die industrielle Abholzung von CO₂-speichernden Wäldern und das klimaschädliche Verbrennen von Holz zur Energiegewinnung als nachhaltig. Umweltsünder können ihre Investitionen somit weiterhin als grün labeln“, kritisiert NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.

In relevanten Bereichen wie Forstwirtschaft und der Förderung von Biomasse sei die EU-Kommission nicht den Empfehlungen ihrer Expertengruppe, sondern Lobbyinteressen gefolgt. Konkret kritisiert der NABU, dass in der Fortwirtschaft de facto alle Formen des Holzeinschlages bzw. der Abholzung von Wäldern als "grün" definiert werden.

Darüber hinaus werde im jetzigen Entwurf jede Art von Bioenergie, die in der überholten Erneuerbaren Energie Direktive von 2018 (RED II) erlaubt ist, ebenfalls als „grüne Aktivität“ gewertet. „Die RED II erlaubt jedoch weiterhin, dass z.B. Wälder abgeholzt und in deren Holz in Kraftwerken verbrannt werden, was hohe Netto-Emissionen verursacht, Waldökosysteme schädigt und gleichzeitig mit Milliarden als ‚erneuerbare Energie‘ subventioniert wird“, kritisiert Krüger.

Die Entscheidung, ob Erdgas und Atomkraft als „klimafreundliche“ Formen der Stromgewinnung aufgenommen werden, wurde auf das vierte Quartal des Jahres verschoben. Hier drohe laut Nabu „ein schmutziger Kompromiss“, wenn Frankreich sich für Atomstrom und Deutschland für Erdgas durchsetzen würden.

VDMA fordert Aufnahme des Anlagenbaus

Die Maschinenbauindustrie ist in dem neuen EU-Regelwerk nicht enthalten – ohne, dass es dafür eine Begründung gäbe. „Die EU-Kommission ignoriert in ihrer Klimapolitik leider den Maschinen- und Anlagenbau und dessen Beitrag zur Erreichung der europäischen Klima- und Nachhaltigkeitsziele. Damit versagt sie einem wichtigen Entwickler von klimafreundlichen Technologien die Unterstützung“, kritisiert Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).Denn der Maschinen- und Anlagenbau sei heute schon wichtigster Lieferant von nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Technologien, die zu einer klimaneutralen Zukunft führten. „Mit den von uns entwickelten grünen Technologien können wir die Treibhausgasemissionen in der Industrie um fast 90 % reduzieren“, erklärt Brodtmann und verweist auf eine Studie von VDMA und BCG aus dem Jahr 2020.

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