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topplus Biogas-Innovationskongress

Neue Verkaufsprodukte aus Biogasanlagen: Ammoniak, Papierfasern, Biokohle

Am zweiten Tag des Biogas-Innovationskongresses stellten Praktiker, Berater und Wissenschaftler ihre Erfahrungen mit neuen Geschäftsmodellen vor.

Lesezeit: 7 Minuten

Biogasanlagen liefern Strom, Wärme oder Biomethan als Kraftstoff. Doch daneben gibt es weitere Produkte, die sich herstellen und verkaufen lassen. Welche das sind, stellten in der vergangenen Woche Referenten am zweiten Tag des "Biogas-Innovationskongresses" vor. Diesen haben zum 14. Mal der Fachverband Biogas, der Bundesverband Bioenergie und der Deutsche Bauernverband gemeinsam veranstaltet.

Folgende Vortragsthemen haben wir für Sie zusammengefasst:

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Wasserstoff aus Biogas

Zu einem neuen Geschäftsfeld gehört die Wasserstoffproduktion. Dieser wird im Moment großtechnisch via Dampfreformierung aus Erdgas produziert. „Aber auch Biogas ist als Rohstoff geeignet“, erklärte Dr. Andy Gradel von BTX energy, einer jungen Firma, die sich erst im Jahr 2020 aus der WS Wärmeprozesstechnik GmbH ausgegründet hat. „Die Dampfreformierung ist effizienter als die Elektroylse“, stellte er auf dem zweiten Tag des Biogas-Innovationskongresses vorÜber diesen Weg ließe sich mehr H₂ erzeugen als mithilfe von Solarstrom:

  • Aus 10 m³ Biogas (ca. 50 kWh Energieinhalt) und 4,5 l Wasser lässt sich 1 kg Wasserstoff (33 kWh) erzeugen.
  • Bei der Elektrolyse sind laut Gradel für die gleiche Menge Wasserstoff 50 kWh Strom sowie 9 l Wasser nötig.

Als Vorteil nannte Gradel eine Treibhausgaseinsparung von rund 50 % gegenüber der Reformierung aus Erdgas. Bei dieser Betrachtung wird das Biogas aus Energiepflanzen hergestellt. Setzt der Betreiber dagegen 100 % Gülle ein, beträgt die THG-Minderung laut Gradel 271 % gegenüber Erdgas.

Als Vermarktungswege hält er den Verkauf an Zwischenhändler für technische Gase, die Direkvermarktung an die umliegende Industrie (Logistik, stahlverarbeitende Betriebe, Chemiewerke) oder den Verkauf als Kraftstoff für möglich.

Gärrestaufbereitung: Kalkmilch statt Säure

An einer neuen Art der Gärrestaufbereitung arbeitet die FH Münster. Dabei produziert der Anlagenbetreiber mithilfe von Kalkmilch Ammoniakwasser statt dem Flüssigdünger Ammonium-Sulfat-Lösung (ASL). „Mit diesem Weg sparen wir Schwefelsäure und Natronlauge ein und verbessern die Düngewirkung des Gärrestes“, erklärte Dr. Daniel Baumkötter von der FH Münster. Zudem habe ASL aktuell eine geringe Werschöpfung. Ammoniakwasser ließe sich außerhalb der Landwirtschaft z.B. zur Rauchgasreinigung in der Zementindustrie oder als Reinigungsmittel verkaufen.

Über seine Erfahrungen mit der Magnesium-Ammonium-Phosphatfällung (MAP) berichtete Christian Röring aus Vreden (Landkreis Borken, Nordrhein-Westfalen). Er nutzt das Verfahren bei der Ausbringung von Gärrest in Mais und verzichtet damit komplett auf eine Unterfußdüngung. Nach ersten Versuchen im Jahr 2020 hat er in diesem Jahr zusammen mit seinem Lohnunternehmer einen Fasswagen umgebaut. An diesem ist ein 2000 l Zusatzbehälter mit Waage angebaut. Darin führt der Fahrer Kieserit mit. Dieses wird geschwindigkeitsabhängig in den Volumenstrom des Gärrestes bei der streifenförmigen Ausbringung zudosiert. Dadurch entsteht das gewünschte Struvit. „Wichtig ist die Mischung außerhalb des Güllefasses, weil es sonst zu Störungen und Ablagerungen im Fass und in den Leitungen kommt“, sagte er. Wie er festgestellt hat, wachsen die Maiswurzeln horizontal in Richtung des abgelegten Gülledepots. Positiv sieht er auf den sandigen Böden auch die Versorgung mit Schwefel und Magnesium, die im Kieserit enthalten sind. Auch bleibe Phosphat als Pflanzennährstoff durch die Struvitbildung langfristig pflanzenverfügbar.

Kombination mit Kohleproduktion

Biogasanlagen lassen sich mit Anlagen zur Hydrothermalen Carbonisierung (HTC) verbinden, berichtete Dr. Tammo Rebling von der umwelttechnik & ingenieure GmbH aus Hannover. Besonders bei der Bioabfallvergärung mithilfe der Trockenfermentation wäre das Verfahren interessant, erläuterte der Referent. Der Gärrest aus der Biogasanlage könnte in der HTC-Stufe zu Biokohle verarbeitet werden, während das Prozesswasser zur Perkolation der Trockenfermentation dient. Die Biokohleproduktion könnte dabei eine Kompostierung ersetzen und zusätzliches Wertschöpfungspotenzial erschließen. Neben den Verkaufserlösen könnten Anlagenbetreiber künftig auch vom Verkauf von CO₂-Zertifikaten profitieren. „Die Wirtschafltichkeit hängt aber von rechtlichen Rahmenbedingungen ab und ist derzeit nicht gegeben“, resümierte Rebling. Gleichwohl speichere Biokohle CO₂ nachhaltiger und sei stabiler als Kompost.

Die Aufbereitung von Biogasgärresten auf mechanisch-biologischer Basis mit Weiterverarbeietung der festen Gärreste mithilfe der HTC war Thema des Vortrags von Stefan Sziwek von der Biatex GmbH. In der Anlage sollen Lignin und Teile der Cellulose sowie die wesentlichen Nährstoffe in der Biokohle aufkonzentriert werden. Die Biokohle habe als Produkt einen Heizwert von 7000 bis 28.000 MJ/t. Holzpellets im Vergleich dazu haben 15.000 MJ/t, erklärte Sziwek.

Papierfasern und kompostierbare Pflanzbehälter

Über die innovative Produktion von Pflanzenfasern berichtete Christoph Heitmann von der Benas Biopower GmbH. Die Biogasanlage aus dem Landkreis Rotenburg-Wümme hat sich zur Bioraffinerie weiterentwickelt. Unter dem Produktnamen „Magaverde“ extrahiert die Anlage aus dem Gärrest Pflanzenfasern, die zu Papier verarbeitet werden. Ein weiteres Standbein ist die Fasergußproduktion. „Wir ersetzen damit Zellstoff und Kunststoff“, sagt Heitmann. Die Zielmärkte sind die Verpackungsindustrie, aber auch der Gartenbaubereich und Baumärkte. Die Biogasanlage erzeugt 8000 t Fasern pro Jahr, 36.000 t benötigt die Produktion.

Ideen für den Weiterbetrieb

Biogasspezialberater Roland Schulze Lefert von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen sieht die Zukunft der Biogasanlagen in der engen Anbindung an die übrige Landwirtschaft. Ziel müsse es sein, 100 % der Energie aus Biogasanlagen auszunutzen über den Verkauf von Strom, Wärme und/oder Gas. Biogaserzeuger sollten sich als Dienstleister der Landwirtschaft sehen. Im Gegenzug sollten Landwirte die Dienstleistungen der Biogasanlagen entsprechend honorieren. Um sich für die Zukunft aufzustellen, sollten sich Biogasanlagen auch zusammenschließen. Dafür müsse die Politik die Voraussetzungen schaffen.

RED II: Licht und Schatten für Biogasanlagen

Bei den neuen Geschäftsmodellen spielen aber die rechtlichen Rahmenbedingungen eine Rolle. Zwei Vorträge zeigten, wie stark dabei die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) die Biogasbranche beeinflusst:

  • Zoltan Elek vom Biomethandienstleister „Landwärme“ machte deutlich, dass der Verkauf von Biomethan aus Gülle als Kraftstoff einen hohen Erlös bringt. Denn Gülle-Biomethan spart viel THG ein und ist ein fortschrittlicher Biokraftstoff. Dieser ist nach dem neuen Gesetz zur Minderung der THG-Emissionen im Verkehr mit einer Unterquote versehen. Mit diesem Gesetz setzt die Bundesregierung die RED II in nationales Recht um. „Biokraftstoffe aus Gülle oder Stroh haben damit einen sicheren Hafen“, sagte er. Ebenso könnte der Verkauf von Biomethan an Stadtwerke wieder interessant werden, die damit BHKW betreiben wollen. Ein weiterer Markt entwickelt sich laut Elek gerade beim Verkauf von CO₂ als Trockeneis.
  • Dr. Stefan Rauh, Geschäftsführer im Fachverband Biogas, berichtete von den neuen Nachhaltigkeitsanforderungen, die sich mit der RED II für alle Bioenergieanlagen über 2 MW Feuerungswärmeleistung (entspricht etwa 800 kW Bemessungsleistung) ergeben. Sie war bislang nur für Anlagen relevant, die Biomethan als Kraftstoff verkaufen. Jetzt gelten sie auch ür Verstromungsanlagen. Für die Vermeidung von Methanemissionen bei der Wirtschaftsdüngerlagerung gibt es eine Gutschrift. Zudem sind Standardwerte zu THG-Emissionen für Gülle, Mist und Abfall aufgeführt. „Individuell rechnen muss man dagegen z.B. bei GPS, Silphie oder Ackergras“, erläuterte Rauh. Noch sei die entsprechende Verordnung dazu aber nicht beschlossen, es kursiert erst ein Entwurf von April 2021. Mit einer verbindlichen Regelung rechnet Rauh ab Anfang bis Mitte Juli. „Betreiber sollten sich und ihre Lieferanten jetzt aber schon darüber informieren, um die nötigen Unterlagen parat zu haben und Auditoren für die Zertifizierung rechtzeitig beauftragen zu können“, rät er. Der Fachverband Biogas bietet dafür für seine Mitglieder Arbeitshilfen und Workshops an.

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