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Streit um Kernenergie zum Klimaschutz

Konservative Politiker wie die AfD-Fraktion und Windkraftgegner fordern neuerdings eine Renaissance der Atomkraft in Europa. Gibt die EU nach, würde das die Energiewende weiter behindern.

Lesezeit: 5 Minuten

Die Bundesregierung hat nach Medienberichten auf dem EU-Gipfel beim Streit mit Frankreich um die Einstufung von Investitionen in Atomenergie auf EU-Ebene als "grüne Investitionen" offenbar eingelenkt. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat nach Informationen der AfD-Bundestagsfraktion angekündigt, einen Vorschlag vorzulegen, der auch Atomkraft und Gas einschließt. „Der EU-Gipfel hat gezeigt, dass eine Mehrheit in Europa auf Vernunft statt Ideologie setzt und nicht bereit ist, die energiepolitische Geisterfahrt der Bundesregierung beim Ausstieg aus der Kernenergie mitzuvollziehen“, kommentiert das AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel. Deutschland drohe bereits diesen Winter aufgrund der verantwortungslosen Klima- und Energiepolitik der Merkel-Jahre eine gefährliche Energiekrise. Der vollständige Ausstieg aus der Kernenergie nach 2022 werde dramatische Folgen für Deutschlands Wirtschaft, Umwelt und Bürger nach sich ziehen - die deutsche Versorgungssicherheit wäre endgültig in Gefahr, so die Politikerin.

Am 13. Oktober 2021 veröffentlichte zudem die „Welt“ einen offenen Brief von 25 überwiegend internationalen Wissenschaftlern. Darin wird unter der Überschrift „Liebes Deutschland, bitte lass die Kernkraftwerke am Netz“ die Forderung erhoben, die 2021 und 2022 bevorstehende Abschaltung der verbliebenen sechs deutschen Atomkraftwerke aus Klimaschutzgründen zu verschieben.

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Auch das Joint Research Centre (JRC) kommt zum Schluß, dass die Kernenergie keinen erheblichen Schaden verursache und daher als „nachhaltige“ Technologie zur Bekämpfung des Klimawandels durch die EU gefördert werden könne. Das JRC hatte die Prüfung im Auftrag der Europäischen Kommission vorgenommen.

Erhebliche Kritik an der Studie

Das JRC betrachtet wesentliche Risiken wie die Gefahr katastrophaler Unfälle sowie die Verbreitung von Kernwaffen nicht in der notwendigen Tiefe, bemängelt das Öko-Institut. Ein „signifikanter Schaden“ könne nicht ausgeschlossen werden, weshalb die Kernenergie nicht als „nachhaltig“ eingestuft werden könne. Das Öko-Institut hat für die Heinrich-Böll-Stiftung die wichtigsten Argumente des JRC-Berichts geprüft. „Die Ausführungen des JRC zu diesen wichtigen Fragen reichen nicht aus, um das Risiko schwerer Unfälle fundiert zu bewerten“, fasst Dr. Christoph Pistner Leiter des Institutsbereichs Nukleartechnik & Anlagensicherheit zusammen. „Wir haben erst in der jüngsten Vergangenheit gesehen, dass schwere Unfälle in Kernkraftwerken vorkommen können und dass sie erhebliche Folgen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben.“

Die Nukleartechnologie kann sowohl für die friedliche Energieerzeugung als auch für militärische Zwecke, also zur Herstellung von Kernwaffen, genutzt werden. Der JRC-Bericht berücksichtigt laut Öko-Institut die Verbreitung von Kernwaffen, Kernwaffentechnologie sowie spaltbarem Material (kurz: Proliferation) praktisch gar nicht.

Auch der Solarenergieverein Deutschland kritisiert die neuerliche Pro-Atom-Kampagne. Aus der eklatanten Verfehlung der Klimaschutzziele werde gefolgert, dass die „kohlenstoffarme“ Energieerzeugung aus Atomkraft die Lücke schließen müsse. Angesichts der großen Potenziale für erneuerbare Energien in Deutschland und angesichts der Havariegefahr der Atomanlagen und des immer noch nicht einmal ansatzweise gelösten Atommüll-Problems sei dies verantwortungslos.

Windkraftgegner auch für mehr Atomstrom

Wie zu erwarten, sprechen sich auch die Windkraftgegner für mehr Atomkraft aus. Dazu gehört die Organisation „Vernunftkraft“. Vorsitzender der Vereinigung ist Dr. Nikolai Ziegler, ein leitender Mitarbeiter des Bundeswirtschaftsministeriums. Unterstützt wird die Forderung vom Ex-RWE-Manager Fritz Vahrenholt. Die bayerische Schwesterorganisation von Vernunftkraft ist der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz (VLAB). „Dieser klagt gegen fast alle Windkraftprojekte anfangs in Bayern und mittlerweile auch in anderen Bundesländern. Der VLAB wurde von Energiewendegegnern gegründet und hat durch den Freistaat Bayern und anschließend sogar durch das Umweltbundesamt mit der staatlichen Anerkennung als Naturschutzverband das Verbandsklagerecht verliehen bekommen“, kritisiert Raimund Kamm, Vorsitzender des Forums „Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e.V.“.

Unter dem Deckmantel angeblicher Naturschutzarbeit betätige sich der VLAB als Klageführer für Vernunftkraft und behindere seit Jahren die Energiewende in Deutschland. „Die Finanzquellen dieser Energiewendegegner sind undurchsichtig. Ihr Tun nutzt der kapitalkräftigen Atomkraft und der Gaswirtschaft. Auch macht sie uns abhängiger von Russland“, betont Kamm.

Nachhaltigkeitslabel wäre fatal

Wie der grüne Europaparlamentarier Sven Giegold erklärt, arbeitet die EU-Kommission schon seit Monaten an einem neuen EU-Standard für nachhaltige Investitionen, die sogenannte EU-Taxonomie. Dieser Standard wird zum Beispiel definieren, welche Energiequellen als nachhaltig gelten. Die Taxonomie ist laut Giegold also ein Nachhaltigkeitslabel. Die Einstufung als nachhaltige Investition habe immense Folgen: In Zukunft würden sich nicht nur Banken, Versicherungen und andere Finanzmarktakteure bei ihren Investitionsentscheidungen nach diesem EU-Standard richten, sondern auch Kleinanleger. Auch Fördergelder, europäische und nationale Beihilfen und Steuergelder würden in Atom und Gas fließen, wenn diese Energiequellen das Nachhaltigkeitslabel bekommen.

„Die Bundesregierung ist beim letzten EU-Gipfel umgekippt und hat ihren Widerstand gegen das Greenwashing der Atomkraft aufgegeben. Damit könnten bei Gas und Atomkraft in der EU-Taxonomie nun schnell Fakten geschaffen werden. Und zwar noch bevor eine neue Bundesregierung ihre Arbeit aufnimmt und diese Pläne stoppen könnte“, befürchtet Giegold. Jetzt käme es also auf Ursula von der Leyens EU-Kommission und ihren Vorschlag für die Nachhaltigkeitsregeln an. Giegold betont: „Denn klar ist: Atom und Gas sind weder ökologisch nachhaltig noch wirtschaftlich sinnvoll. Schon heute ist immer öfter der Strom aus erneuerbaren Energien günstiger als Atom und Gas.“

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