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Kabinettsbeschluss

Bundesjagdgesetz wird nach 44 Jahren erneuert

Das Bundeskabinett hat heute eine umfassende Reform des Jagdrechtes beschlossen. Es enthält neue Ausbildungsinhalte und Vorschriften zur Jagd sowie zur Eindämmung von Wildverbiss im Wald.

Lesezeit: 8 Minuten

Das Bundeskabinett hat heute Änderungen im Bundesjagdgesetz, im Bundesnaturschutzgesetzes und im Waffengesetz zugestimmt. „Das ist somit die erste größere Novelle des Bundesjagdgesetzes seit 1976“, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner nach der Kabinettssitzung in Berlin.

Die Bundesregierung wolle damit das Jagdrecht in die aktuelle Zeit und in die Zukunft führen und eine Gleichberechtigung von Wild und Wald herbeiführen, erläuterte Klöckner vor der Presse. „Wir setzen darauf, dass es den Wald mit Wild gibt aber wir brauchen eine bessere Balance“, sagte sie.

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Klöckner räumte ein, dass die vielen Jahre, in denen keine Reform des Jagdgesetzes gelungen sei, zu verhärteten Positionen geführt haben. „Jetzt haben wir einen guten Kompromiss gefunden“, sagte sie. Teil des Gesetzespakete ist auch die lange diskutierte Minimierung von Blei in Büchsenmunition.

Dritter Aspekt sind Regelungen zum Schutz vor Wildverbiss. Bundesweit gebe es im Wald 33% Verbiss Schäden. Das sei ein enormer Rückschlag für den aktuell so notwendigen Waldumbau, sagte Klöckner.

Gleichzeitig betonte Klöckner, dass sie den Waldbesitzern, Jagdausübern und Jagdpächtern mehr Eigenverantwortung übertragen will. Diese sollen sich selbst im Rahmen von Abschusskorridoren einigen. Erst wenn es keine Einigung gibt, soll die Jagdbehörde eine Abschussquote für Rehwild festlegen.

Das sind die Eckpunkte des Bundesjagdgesetzes:

  • Das jagdrechtliche Verbot für Nachtzieltechnik sowie das waffenrechtliche Verbot für Infrarotaufheller wird bei der Jagd auf Schwarzwild aufgehoben: um die Eindämmung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) zu erleichtern.



  • Blei in Büchsenmunition wird minimiert, aber dabei eine hinreichende Tötungswirkung gewahrt, um Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutz in Einklang zu bringen.



  • Ein bundesweiter Schießübungsnachweis für Gesellschaftsjagden wird eingeführt.



  • Vereinheitlichung der Jäger- und Falknerprüfung, da sich in den vergangenen 40 Jahren deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern herausgebildet haben.



  • Modernisierung der Jägerausbildung. Wildbrethygiene und Lebensmittelsicherheit werden eine stärkere Rolle spielen, ebenso Fächer wie Waldbau und Wildschadensvermeidung.



  • Verbot des Kaufs und Verkaufs von Tellereisen aus Tierschutzgründen.



  • Verbot von Jagd an Waldquerungshilfen, im Sinne des Natur- und Artenschutzes.



  • Verbot von fangbereiten Fallen für Greifvögel, mit Ausnahme für Falkner im Sinne des Tier- und Tierartenschutzes.



  • Ergänzende Regeln bei der Festlegung von Jagdzeiten.



  • Anhebung des Bußgeldrahmens – von 5.000 auf nun 10.000 Euro. Die letzte Anpassung fand vor 44 Jahren statt.



  • Anhebung der Jagdhaftpflichtversicherung auf eine Mindesthaftsumme von 5.000.000 Euro. Für einen ausreichend finanziellen Schutz des Jägers im Fall eines Schadenfalls – und des potentiellen Opfers.



  • Einheitliche Regelungen zum Schutz vor Wildverbiss, um den klimastabilen Waldumbau sicherzustellen.

Das sind die neuen Regelungen für den Schutz des Waldumbaus:

  • Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf soll im Bundesjagdgesetz die Eigenverantwortung vor Ort gestärkt werden.



  • Die behördliche (Höchst-) Abschussplanung für Rehwild soll abgeschafft werden.



  • Stattdessen sollen sich die Jagdgenossenschaften beziehungsweise Grundeigentümer und Jagdpächter künftig eigenverantwortlich über einen jährlichen Abschusskorridor für Rehwild im Jagdpachtvertrag verständigen.



  • Grundlage für die Einigung sollen Vegetationsgutachten sein, die um eine Lebensraumanalyse des Rehwildes ergänzt werden.



  • Wenn die Parteien sich nicht einigen oder die Einigung hinter dem notwendigen Mindestabschuss zurückbleibt, soll die Jagdbehörde die Abschussquote festlegen.



  • Wird der Mindestabschuss nicht erreicht, soll die zuständige Behörde anordnen, dass der Jagdausübungsberechtigte den Wildbestand zu verringern hat.



  • Regelungen der Länder, die über diese geplanten Änderungen hinausgehen, wie etwa Regelungen über einen Abschussplan, der zu erfüllen ist und der auf Grundlage von forstwirtschaftlichen Gutachten erstellt wurde, bleiben unberührt und somit weiterhin bestehen.

Die Änderungen im Bundesjagdgesetz bedürfen nicht der Zustimmung des Bundesrates. Der Gesetzesentwurf durchläuft im Anschluss an die Kabinettsentscheidung das parlamentarische Verfahren im Bundesrat und Bundestag.

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S T I M M E N

Von Alfons Deter

DJV sieht Licht und Schatten

Der DJV begrüßt, dass dabei zentrale Punkte aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden. Allerdings sieht er Nachbesserungsbedarf in der Wald-Wild-Thematik.

Der Deutsche Jagdverband (DJV) begrüßt, dass wichtige Kritikpunkte aus seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf im August aufgenommen wurden. Dazu zählt die Ergänzung forstlicher Gutachten um eine Lebensraumanalyse.

Dennoch hält er in der Wald-Wild-Thematik an seiner Kritik fest: "Der Entwurf ist in Tendenzen wildfeindlich", sagt DJV-Vizepräsident Ralph Müller-Schallenberg. Es entstehe der Eindruck, dass der zweifelsohne notwendige Waldumbau zu klimastabilen Mischwäldern nur mit dem Gewehr gelingen könne.

Kritik zur Wald-Wild-Thematik

Bereits im August hatte der DJV kritisiert, dass Waldumbau und Wiederaufforstung im wesentlichen durch "Naturverjüngung und ohne Schutzmaßnahmen" möglich sein sollten. Der neue Entwurf sieht nun vor, dass sogar die gesamte Verjüngung "im wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen" erfolgen soll, was zusätzlich Pflanzungen und Saat einschließt. "Das ist endgültig praxisfern. Kein Waldbauer wird in einen Nadelholzforst (etwa 27 % der deutschen Waldfläche) kleine Laubbäume pflanzen und diese nicht vor Wildverbiss schützen", so Müller-Schallenberg. "Da reicht das letzte Reh, und die Laubbäume sind angeknabbert."

Wenn der Fokus weiterhin auf den verbissenen Bäumen liege, drohe das Wild den forstlichen Interessen geopfert zu werden. Jungpflanzen sind natürliche Nahrung des heimischen Wildes. Der Fokus sollte darauf liegen, wie viele wirtschaftlich nutzbare Bäume pro Fläche nötig sind, um die waldbaulichen Ziele zu erreichen: Zum Beispiel keimen in einem Buchenbestand im Schnitt mehr als 10.000 Jungpflanzen auf einem Hektar, so der DJV in seiner Stellungnahme.

Bei ordnungsgemäßer Waldbewirtschaftung würden davon etwa 50 bis 100 Bäume das Zielalter von etwa 150 Jahren erreichen. Die Bäume, die bis zum Erreichen des Zielalters bei Pflege- oder frühzeitigen Erntehieben entnommen werden, seien im unteren dreistelligen Bereich. Es blieben sehr viele Keimlinge und Jungpflanzen, die irrelevant für den Waldbau sind. "Nicht jeder Verbiss ist also ein Schaden, denn auch das Wild hat ein Existenzrecht und muss in seinem Lebensraum Nahrung finden können", so Müller-Schallenberg.

Der DJV begrüßt, dass der Entwurf nunmehr auch eine Höchstgrenze beim Abschuss vorsieht, die verhindern soll, dass Wälder wildleer geschossen werden. "Das Bundesjagdgesetz darf nicht zum Erfüllungsregelwerk einer einseitigen Forstpolitik werden", so Müller-Schallenberg.

Er begrüßt außerdem, dass das Vegetationsgutachten, das von der Behörde notfalls zur Abschussfestsetzung herangezogen werden kann, um eine Lebensraumanalyse ergänzt werden soll

DJV begrüßt politische Umsetzung aus Koalitionsvertrag

Der DJV begrüßt zudem die bundesweit gültigen Regelungen zur Jungjägerausbildung, zu einem Schießübungsnachweis und zur Bleireduktion bei der Verwendung von tierschutzgerechter Jagdbüchsenmunition. Der Verband fordert aber, dass die zu erlassende Verordnung zur Munition nun zeitnah vorgelegt wird. Mit diesen drei Punkten werden Forderungen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, die schon seit Jahren diskutiert werden.

Zudem sind aus Sicht des DJV Regelungen zur Verwendung von Infrarotaufhellern bei der Jagd auf Schwarzwild und ein Jagdverbot an Wildgrünbrücken begrüßenswert. Damit wurden Anregungen aus der Verbändeanhörung von der Bundesregierung aufgegriffen.

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Forstwirtschaft: Gesetz ermöglicht Waldverjüngung ohne Schutzmaßnahmen

Zufrieden zeigt sich der Deutsche Forstwirtschaftsrat (DFWR). Laut dessen Präsident Georg Schirmbeck hat sich das Gesetz im Sinne der Forstwirtschaft weiterentwickelt. Jetzt komme es darauf an, dass in den Beratungen des Bundestages zusätzliche erforderliche Änderungen vorgenommen werden, um den Gesetzesentwurf zum Erfolg werden zu lassen.

Schirmbeck dankt Klöckner, beim Wald-Wild Konflikt zu vermitteln. So seien auch die geplanten regelmäßigen und flächendeckende Vegetationsgutachten richtig, um die Abschusshöhe festlegen zu können. Der vorgelegte Gesetzentwurf regele nun deutlicher als bisher, dass die Verjüngung des Waldes im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen möglich sein muss.

„In diese Verpflichtung eingeschlossen sind neben der Naturverjüngung auch die Saat und Pflanzung als künstliche Verjüngungsverfahren. Um die Wälder für die Zukunft resilienter zu gestalten, müssen diese aber arten- und strukturreicher werden. Das erfordert eine gemischte Verjüngung des Waldes. „Folgerichtig muss auch die gemischte Verjüngung in die Regelung einbezogen werden, wenn wir in Zukunft Mischwälder haben wollen“, betont der DFWR-Präsident.

Waldumbau wegen Klimawandel noch nicht ausreichend berücksichtigt

Der DFWR sieht weiteren Anpassungsbedarf, wenn es darum geht, die großen Schadflächen wieder zu bewalden und die Wälder in den nächsten Jahrzehnten an den Klimawandel anzupassen. So bedarf zum Beispiel die Anpassung der gesetzlichen Regelungen zur Anlage von Schutzvorrichtungen der Klarstellung, dass die Herstellung üblicher Schutzvorrichtungen durch den Waldbesitzenden nicht bedarf, wenn die im Jagdbezirk vorkommenden Baumarten Verwendung finden.

Abweichend von der jetzt vorgesehenen Mindestabschussplanung für Rehwild favorisiert der DFWR den Fortfall der behördlichen Abschussplanung für Rehwild. In diesem Zusammenhang überzeugten die positiv gewonnenen Erfahrungen der Länder, die bereits in der Vergangenheit die behördliche Abschussplanung für Rehwild ersatzlos aufgehoben haben.

Bei der Durchführung von Ansitzdrückjagden sei das unbeabsichtigte Überjagen von Jagdhunden auf angrenzenden Jagdbezirken konditioniert zu dulden. Vor dem Hintergrund der sich auch in Deutschland ausbreitenden Afrikanischen Schweinepest (ASP) gewinne diese Forderung noch zusätzlich an Bedeutung.

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FDP: "Affront gegen Jäger"

Unzufrieden zeigt sich dagegen der jagdpolitische Sprecher der FDP-Fraktion Karlheinz Busen: „Die geplante Änderung des Bundesjagdgesetzes ist ein Affront gegen die fast 400.000 Jäger in unserem Land. Wir brauchen ein ideologiefreies Jagdrecht, anstatt den Grundsatz ,Wald vor Wild‘ gesetzlich zu zementieren", sagt er.

Beim Waldumbau und -schutz müssten Jäger und Förster auf Augenhöhe agieren können. Nur so könne die von Klöckner geforderte gesunde Balance zwischen Wald und Wild gelingen. Er mahnt, dass Jäger nicht zu reinen Erfüllungsgehilfen für Förster werden dürfen. "Mit Klöckners Gesetzentwurf droht zudem eine weitere Bürokratiekrake: Die Erstellung und regelmäßige Aktualisierung von Vegetationsgutachten für jeden Jagdbezirk ist ein gigantischer, unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand. Die personellen Ressourcen in den Jagdbehörden können besser eingesetzt werden.“

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