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Landwirtsfamilien als „Heimat auf Zeit“ für verhaltensauffällige Jugendliche

Bernd Dreger hat jahrelange Erfahrung in der Therapie von Jugendlichen auf landwirtschaftlichen Betrieben. Aktuell sucht er Familien, die bereit sind, junge Menschen auf ihren Höfen aufzunehmen.

Lesezeit: 3 Minuten

Seit 1996 arbeitet Bernd Dreger mit landwirtschaftlichen Betrieben zusammen, um jungen Menschen den Anschluss in unserer Gesellschaft zu erleichtern: zunächst 25 Jahre lang in der Therapie von drogenabhängigen jungen Erwachsenen und jetzt, seit einem Jahr, im Rahmen der timeout Stiftung mit verhaltensauffälligen Jugendlichen, die ein neues Umfeld brauchen, um wieder ein erfüllteres Leben zu führen.

Herr Dreger, was macht Bauernhöfe zu einem so guten Lebensort, dass Sie aktiv nach Betrieben suchen, die bereit sind, Jugendliche als „Familie auf Zeit“ aufzunehmen?

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Bernd Dreger: Ich arbeite seit 1996 mit den Landwirtsfamilien zusammen. In dieser Zeit habe ich immer wieder erlebt, dass die Landwirtschaft ein Umfeld bietet, das Selbstwert wieder entstehen lassen kann. Die jungen Menschen können sich einbringen, selbst Aufgaben übernehmen und im Familienverbund wieder Beziehungen, Anerkennung und Geborgenheit erfahren. Darüber hinaus bietet der Hof z. B. Jugendlichen, die sich in Gruppen nicht zurechtfinden, ein völlig anderes Umfeld als beispielsweise eine Wohngruppe.

Ihr Angebot heißt „Timeout auf dem Bauernhof“. Timeout, also „Auszeit“, klingt nach einem kurzfristigen Angebot. Über welchen Zeitraum sprechen wir, wenn es um die Vermittlung der Jugendlichen geht?

Dreger: Wir wollen die Jugendlichen langfristig in Pflegefamilien unterbringen. Unser Angebot ist Teil der „timeout Stiftung“, die neben der Zeit auf dem Bauernhof noch viele weitere Projekte betreut. Unser Kerngedanke lautet: „Niemanden zurücklassen“. Deshalb liegt unser Fokus darauf, Menschen mitzunehmen, die Mühe haben, in der Gesellschaft zu sein. Wir suchen deshalb nach Entwicklungsmöglichkeiten und Angeboten, die für jeden Einzelnen greifen.

Welche Voraussetzungen sollten die „Familien auf Zeit“ erfüllen?

Dreger: Vom Pferdehof bis zum großen Milchviehbetrieb kann erst einmal jede Familie zur Pflegestelle werden. Wichtigste Grundvoraussetzung ist, dass der Jugendliche ein eigenes Zimmer hat und dass die Familie bereit ist Zeit zu investieren, um Vertrauen und eine Beziehung zum jungen Menschen aufzubauen. Verständnis, Geduld aber auch Klarheit sind dabei wichtige Ressourcen, die eine „Familie auf Zeit“ mitbringen sollte. Wenn es nicht so läuft, wie man es sich wünschen würde, braucht man dafür auch mal einen längeren Atem.

Was erwartet die Familien, die dazu bereit wären, einen Jugendlichen in ihr Familienleben zu integrieren?

Dreger: In der Regel gibt es erst einmal eine Probewoche, in der sich die Familie und der oder die Jugendliche kennenlernen können. Wenn sich alle einig sind, zieht der Jugendliche auf den Hof. Vor allem in der Anfangsphase sind wir als Fachdienst dann wöchentlich auf dem Betrieb, um die Situation zu begleiten. Notfalls sind wir auch rund um die Uhr am Telefon erreichbar.

Dazu kommen natürlich Vorgespräche mit dem Jugendamt und z. B. auch Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten. Insgesamt ist das durchaus eine zeitintensive Aufgabe, die der Familie aber auch in Form eines monatlichen Pflegegelds in vierstelliger Höhe anerkannt wird. Für den Landwirt bedeutet die Aufnahme eines jungen Menschen durch diese zusätzliche, steuerfreie Einnahmequelle ein weiteres Standbein.

Welche Entwicklung erhoffen Sie sich für die Zukunft?

Dreger: Aktuell sind wir vor allem in Süddeutschland aktiv. Ich würde mir wünschen, das Projekt im gesamten Bundesgebiet auszubauen. Wir haben bereits einige Höfe in Norddeutschland, die sich gerne einbringen würden. Um das möglich zu machen, brauchen wir aber weitere Höfe in den Regionen, die dann auch den Betreuungsaufwand von unserer Seite rechtfertigen. Eins ist klar: An Nachfragen auf Seiten der Jugendämter mangelt es nicht. Bei uns klingelt täglich das Telefon.

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