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Gastkommentar

AbL + Nabu: „Mit zukunftsweisenden Weichenstellungen krisenfest werden“

Für die AbL und den Nabu kommt eine Aufgabe der Ökologisierung der Landwirtschaft nicht in Frage. Stattdessen müsse sich die Landwirtschaft besser von fossilen Energien entkoppeln.

Lesezeit: 6 Minuten

Ein gemeinsamer Gastkommentar von Elisabeth Fresen, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbund Deutschland (Nabu).

„Was gestern noch galt, ist heute schon wertlos? Angesichts der Debatten der letzten Wochen um die Ausrichtung der Landwirtschaftspolitik in Deutschland und Europa kann man ins Zweifeln kommen. Dem Druck der realen Probleme folgend, wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Strategien dazu entwickelt, wie eine umwelt- und klimagerechte, biodiversitätsfördernde und am Tierwohl orientierte Landwirtschaft und für eine gesunde Ernährung der Verbraucherinnen und Verbraucher für die Bäuerinnen und Bauern ökonomisch tragfähig gestaltet werden könnte. Der europäische Green Deal mit der Farm-to-Fork- und der Biodiversitätsstrategie sind hier zu nennen. Und in Deutschland machten die Borchert-Kommission sowie die Zukunftskommission Landwirtschaft – beides Gremien, die die Breite der Landwirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft abbilden – deutlich, dass ein „Weiter so“ und eine weitere Intensivierung der Tierhaltung und des Ackerbaus weder ökonomisch noch ökologisch nachhaltig sind und eine Transformation nötig ist.

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Zu den existierenden Krisen – Klimakrise, Biodiversitätskrise, Hunger in der Welt, explodierende Kosten, Höfesterben – kommen nun noch die Folgen des Kriegs in der Ukraine dazu. Düngermittel und Futter werden damit erneut teurer. Gleichzeitig nehmen einige Akteur:innen Putins Angriffskrieg auf die Ukraine zum Anlass, die notwendigen Veränderungen und die ersten zaghaften ökologischen Verbesserungen der Agrarpolitik grundsätzlich in Frage zu stellen. Nun sei nicht die Zeit für Extensivierungskonzepte. Um der globalen Ernährungskrise zu begegnen, müsse die Produktion vielmehr weiter intensiviert werden, heißt es da von einigen Vertreter:innen des Agrarsektors.

Aufgabe von Brachen ist keine Antwort auf die globale Ernährungskrise

So wird gefordert, die ökologisch wertvollen Brachen zugunsten einer intensiven ackerbaulichen Nutzung freizugeben. Vorliegende Berechnungen zeigen, dass weltweit die Getreideproduktion gerade einmal im Promillebereich steigen würde, wenn die in der EU für ab 2023 vorgesehenen Flächen nicht stillgelegt werden. Eine Rückkehr zur intensiven Nutzung wird mengenmäßig also kaum zur Hungerbekämpfung beitragen. Doch die Debatte um die Brachen steht stellvertretend für eine grundsätzliche Infragestellung der Ökologisierung des Sektors.

Landwirtschaft wie Natur und Klima brauchen echte Weichenstellungen

Die Betriebe sind mit nicht erst seit der Ukrainekrise deutlich gestiegenen Preise für Betriebsmittel, also Diesel, Futtermittel und den sehr energieintensiv hergestellten Mineraldünger konfrontiert. Gleichzeitig steigen aber die Erlöse für Getreide und Ölsaaten auf Rekordniveaus – der Ackerbau steht also trotz der hohen Inputpreise wirtschaftlich besser da als noch vor einigen Jahren.

Es sind vor allem die tierhaltenden Betriebe, die schon lange unter den niedrigen Preisen etwa für Milch leiden und nun zusätzlich mit hohen Preisen für Futtermittel und Energie kämpfen müssen, ohne dass die Erzeugerpreise entsprechend nachziehen. Da stellt auch die von der Politik erteilte Freigabe, den Aufwuchs auf so genannten ökologischen Vorrangflächen ausnahmsweise als Tierfutter zu verwenden, nur eine kleine Linderung dar, die jedoch nichts an den strukturellen Problemen ändert.

Was es braucht, sind echte Weichenstellungen. Denn es ist klar: Für eine ökologisierte Landwirtschaft, die Artenvielfalt fördert, braucht es auch eine Vielfalt an Höfen und Bewirtschaftungsformen! Diese Diversitäten sind unter dem anhaltenden ökonomischen Druck zunehmend gefährdet.

Artensterben seit Rücknahme der Stilllegung 2008 beschleunigt

Die aktuell diskutierten Maßnahmen zur Aufhebung der Ökologisierung sind also nicht wirkungsvoll und würden zudem teuer erkauft: Es ist noch gar nicht so lange her, da zahlte die EU Stilllegungsprämien an die Landwirt:innen. Durchschnittlich 10 Prozent der Fläche jedes Betriebes wurden aus der Nutzung genommen und standen der Natur zur Verfügung. Als diese Praxis 2008 beendet und die Äcker wieder in Bewirtschaftung genommen wurden, hatte dies dramatische Auswirkungen auf die Insekten- und Vogelbestände in der Agrarlandschaft. Viele Agrarvogelarten erlebten einen massiven Rückgang in ihren Beständen. Verschiedene wissenschaftliche Studien verdeutlichen zudem, dass ein Anteil von 10 % der Flächen in Form von Brachen, Hecken und weiteren Strukturelementen notwendig zum Erhalt der Artenvielfalt sind.

Honorierung von öffentlichen Leistungen in der Landwirtschaft

Für Betriebe sind Maßnahmen der Extensivierung oder sogar des Verzichts auf die Bewirtschaftung stark kostenaufwändig und müssen als gesellschaftliche Leistungen entsprechen mit öffentlichen Geldern honoriert werden. Extensivierung ist aber nur ein Teil einer klima- und naturschutzverträglichen Landwirtschaft; die Bäuerinnen und Bauern müssen insgesamt befähigt werden, auf ihrem gesamten Betriebe schonender zu wirtschaften. Dazu braucht es eine Marktpolitik, die faire und kostendeckende Preise für die Höfe ermöglicht. Und wo die Landwirt*innen am Markt nicht ausreichend Einkommen erzielen, müssen öffentliche Gelder die Mehraufwände für öffentliche Leistungen zielgerichtet honorieren.

Wissenschaftlich unumstritten ist: Wir müssen unsere Produktions- und Lebensgrundlagen, also die bestäubenden Insekten und Nützlinge, die fruchtbaren Böden und Wasserkreisläufe erhalten und fördern und unsere Agrarsysteme widerstandsfähiger gegen die Folgen der Klimakrise machen. Dazu muss sich die Landwirtschaft, auch aus Eigeninteresse, ökologisieren – was angesichts der Dringlichkeit der Arten- und Klimakrise keinen Aufschub verträgt.

Weite Fruchtfolgen und geschlossene Stoffkreisläufe etablieren

Die aktuelle Krise zeigt einmal mehr, wie sehr der Landwirtschaftssektor von fossiler Energie abhängig ist. Die Erträge vor allem im konventionellen Ackerbau sind abhängig von synthetischem Stickstoffdünger, der unter hohem Energieeinsatz hergestellt wird. Es ist auch angesichts der aktuellen Preisentwicklungen auch betriebswirtschaftlich geboten, die Landwirtschaft von fossilen Energien, nicht nur in Form von Düngern, zu entkoppeln und stattdessen auf weite Fruchtfolgen zu setzten und möglichst geschlossene Stoffkreisläufe etablieren.

Langfristig verbindliche Anreize für flächengebundene Tierhaltung

A propos Kreislaufwirtschaft: Eine regional angepasste, flächengebundene Tierhaltung mit dem anfallenden Mist und der Gülle genau dazu bei. Die konzentrierte Tierhaltung in einigen „Hotspots“ ohne ausreichende landwirtschaftliche Flächen jedoch führt zu bekannten Problemen: Gewässerbelastungen und hohe Kosten für die Trinkwasseraufbereitung sind nur zwei der Folgeerscheinungen. Zudem landen 60 Prozent unserer Getreideernten im Trog. Es braucht dringend einen wirksamen politischen Rahmen, der ökonomisch und langfristig verbindliche Anreize und Perspektiven mit deutlich mehr Natur- und Klimaschutz sowie Tierwohl verbindet. Dafür bieten die Pläne der Borchert-Kommission Lösungsansätze: etwa den Vorschlag einer Mehrwertsteuererhöhung, die den Umbau der Tierhaltung finanziert. Solche Veränderungen im Steuersystem können zudem zu einer aus Klimaschutz- und Gesundheitsgründen notwendigen Reduktion unseres momentan übermäßigen Verzehrs tierischer Produkte beitragen.

Wir brauchen eine Tierhaltung die, in Maßen und möglichst überall im Land, zu Nährstoffkreisläufen und zum Erhalt unserer Kulturlandschaft beiträgt, etwa in Form der artgerechten Haltung von Rindern auf Weiden. Nur mit Naturschutz, Klimaschutz und vielen sowie vielfältigen Höfen wird unser Ernährungssystem krisenfest.“

Gastkommentare geben nicht in allen Fällen die Meinung der Redaktion wieder. Wir veröffentlichen sie, wenn wir den Inhalt für diskussionswürdig halten.

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