Agrarökonom gibt Schwarzmeer-Korridor über Oktober hinaus wenig Chancen
Laut dem Göttinger Agrarwissenschaftler Prof. Stephan von Cramon-Taubadel hat Moskau kaum noch politische oder ökonomische Gründe, das Abkommen mit der Ukraine zu verlängern.
Die Einigung auf einen Transitkorridor für Getreide durch das Schwarze Meer hatte Ende Juli international für große Erleichterung gesorgt. Tatsächlich konnten seitdem erhebliche Mengen an Agrarerzeugnissen aus der von Russland angegriffenen Ukraine exportiert werden, was über die alternativen Transportstrecken per Schiene oder Binnenschifffahrt so nicht möglich gewesen wäre. Allein in der dritten Septemberwoche sind über die Seehäfen 1,2 Mio t exportiert worden. Prof. Stephan von Cramon-Taubadel von der Universität Göttingen ist allerdings skeptisch, was die nächsten Monate angeht.
Bei der Tagung des Dachverbandes der Deutschen Agrarforschung (DAF) wies Cramon-Taubadel gestern in Berlin darauf hin, dass die Lage vor Ort nach wie vor extrem fragil ist. Die Vereinbarung für den Schwarzmeerkorridor sei im Juli vorerst für drei Monate geschlossen worden. Inzwischen mehrten sich aber die Anzeichen, dass Russland ihn bald schließen könnte bzw. Ende Oktober nicht verlängern wird.
Moskau sieht Exportziele kritisch
Darauf deuten laut dem Agrarökonomen Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin und von Außenminister Sergei Lawrow hin. Beide hatten behauptet, dass die Lieferungen – anders als abgesprochen - keinen humanitären Zwecken dienten, sondern als Futtergetreide vorrangig in die Länder des Westens gingen. Die sich aktuell wieder zuspitzende Kriegssituation dürfte nach Cramon-Taubadels Einschätzung auch nicht dazu beitragen, dass Russland einer Verlängerung zustimmt, da dies die Ukraine wirtschaftlich stärken dürfte.
Auch eigene ökonomische Interessen Moskaus könnten einer Verlängerung des „Istanbuler Abkommens“ im Wege stehen. Russland hat in diesem Jahr mit geschätzten 91 Mio t eine Rekord-Weizenernte eingefahren, die mindestens 15 Mio t über dem Vorjahr liegen dürfte. „Diese Mengen müssen auf dem Weltmarkt verkauft werden“, gab Cramon-Taubadel zu bedenken. Er wäre jedenfalls überrascht, wenn Russland sich unter diesen Bedingungen in den kommenden Wochen auf eine Verlängerung des Schwarzmeer-Abkommens einlässt. Nicht vergessen werden dürfe, dass die Route über das Schwarze Meer immer nur einen gezielten Raketenangriff von der Schließung entfernt sei, so der Agrarmarktexperte.
Getreidemarkt bleibt angespannt
Die Landroute über die ukrainische Westgrenze insbesondere nach Polen leistet ihm zufolge weniger als möglich wäre, und könnte eine Schließung des Schwarzmeer-Korridors nicht ausgleichen. Der stockende Export drücke schon jetzt die Preise in der Ukraine und führe zu Liquiditätsengpässen auf den Betrieben, was wiederum die Herbstaussaat gefährde. Cramon-Taubadel geht deshalb davon aus, dass die globale Versorgung mit Getreide auch im kommenden Vermarktungsjahr 2023/24 und darüber hinaus angespannt bleiben wird.
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Die Einigung auf einen Transitkorridor für Getreide durch das Schwarze Meer hatte Ende Juli international für große Erleichterung gesorgt. Tatsächlich konnten seitdem erhebliche Mengen an Agrarerzeugnissen aus der von Russland angegriffenen Ukraine exportiert werden, was über die alternativen Transportstrecken per Schiene oder Binnenschifffahrt so nicht möglich gewesen wäre. Allein in der dritten Septemberwoche sind über die Seehäfen 1,2 Mio t exportiert worden. Prof. Stephan von Cramon-Taubadel von der Universität Göttingen ist allerdings skeptisch, was die nächsten Monate angeht.
Bei der Tagung des Dachverbandes der Deutschen Agrarforschung (DAF) wies Cramon-Taubadel gestern in Berlin darauf hin, dass die Lage vor Ort nach wie vor extrem fragil ist. Die Vereinbarung für den Schwarzmeerkorridor sei im Juli vorerst für drei Monate geschlossen worden. Inzwischen mehrten sich aber die Anzeichen, dass Russland ihn bald schließen könnte bzw. Ende Oktober nicht verlängern wird.
Moskau sieht Exportziele kritisch
Darauf deuten laut dem Agrarökonomen Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin und von Außenminister Sergei Lawrow hin. Beide hatten behauptet, dass die Lieferungen – anders als abgesprochen - keinen humanitären Zwecken dienten, sondern als Futtergetreide vorrangig in die Länder des Westens gingen. Die sich aktuell wieder zuspitzende Kriegssituation dürfte nach Cramon-Taubadels Einschätzung auch nicht dazu beitragen, dass Russland einer Verlängerung zustimmt, da dies die Ukraine wirtschaftlich stärken dürfte.
Auch eigene ökonomische Interessen Moskaus könnten einer Verlängerung des „Istanbuler Abkommens“ im Wege stehen. Russland hat in diesem Jahr mit geschätzten 91 Mio t eine Rekord-Weizenernte eingefahren, die mindestens 15 Mio t über dem Vorjahr liegen dürfte. „Diese Mengen müssen auf dem Weltmarkt verkauft werden“, gab Cramon-Taubadel zu bedenken. Er wäre jedenfalls überrascht, wenn Russland sich unter diesen Bedingungen in den kommenden Wochen auf eine Verlängerung des Schwarzmeer-Abkommens einlässt. Nicht vergessen werden dürfe, dass die Route über das Schwarze Meer immer nur einen gezielten Raketenangriff von der Schließung entfernt sei, so der Agrarmarktexperte.
Getreidemarkt bleibt angespannt
Die Landroute über die ukrainische Westgrenze insbesondere nach Polen leistet ihm zufolge weniger als möglich wäre, und könnte eine Schließung des Schwarzmeer-Korridors nicht ausgleichen. Der stockende Export drücke schon jetzt die Preise in der Ukraine und führe zu Liquiditätsengpässen auf den Betrieben, was wiederum die Herbstaussaat gefährde. Cramon-Taubadel geht deshalb davon aus, dass die globale Versorgung mit Getreide auch im kommenden Vermarktungsjahr 2023/24 und darüber hinaus angespannt bleiben wird.