Die geplanten Schwellenwerte der EU-Kommission, mit der sie tierhaltende Betriebe als „industrielle Einrichtungen“ einstufen will, schmecken den meisten EU-Agrarministern überhaupt nicht. Bei ihrem Treffen am Montag in Brüssel machten sie deutlich, dass die EU-Kommission unbedingt nachsteuern muss.
Laut dem tschechischen Agrarminister, Zdeněk Nekula, sehen die EU-Agrarminister erhebliche potentielle Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Vor allem die geplante Ausweitung der Regelungen auf die Rinderhaltung sei problematisch. Unterschiedliche Haltungsformen wie Bio, Freiland- oder Weidehaltung fänden überhaupt keine Beachtung, so Nekula.
Bald auch Rinderhalter betroffen?
Anfang April hatte die EU-Kommission einen Vorschlag zur Reform der EU-Industrieemissionsrichtlinie (IED) vorgelegt. Künftig sollen Tierhalter mit mehr als 150 Großvieheinheiten (GVE) unter die strengen EU-Emissionsregelungen für Industriebetriebe fallen. Das soll für Schweine-, Geflügel und erstmals auch Rinderhalter gelten. Im Rechtstext bezeichnet die EU-Kommission die betroffenen Betriebe als "agrarindustrielle Einrichtungen".
Schwellenwerte zu scharf
Gerade diese Schwellenwerte lösen bei den EU-Mitgliedstaaten Sorge aus. Der österreichische Agrarminister Norbert Totschnig fürchtet: „Bei diesem Schwellenwert fürchte ich für Österreich einen überbordenden Genehmigungsaufwand.“ Käme die Reform so, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, würden viel mehr und vor allem familiengeführte Landwirtschaftsbetriebe unter die strengen EU-Auflagen fallen.
Verbände kritisieren GVE-Grenzen
Laut dem Deutschen Bauernverband (DBV) seien davon gerade kleine und mittlere Betriebe betroffen. Beispielsweise müsste ein Milchviehbetrieb mit ca. 100 Kühen plus Nachzucht oder ein Schweinemäster mit 500 Mastplätzen weitreichende und kostenträchtige Emissionsminderungsmaßnahmen im Stall umsetzen, erklärte der DBV im April. In ihrem Berechnungsschlüssel setzt die EU 0,3 GVE pro Mastschwein an.
Deutschland: Berechnungsschlüssel unklar
Laut der deutschen Botschafterin Dr. Helen Winter, die Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vertrat, wirft vor allem der Berechnungsschlüssel für die Großvieheinheiten Fragen auf. Der in Deutschland gebräuchliche Umrechnungsschlüssel sieht beispielsweise 0,06 bzw. 0,16 GVE pro Mastschwein vor, der EU-Berechnungsschlüssel 0,3 GVE.
Mitgliedstaaten erarbeiten gemeinsame Position
Die EU-Mitgliedstaaten werden nun eine Position zum Vorschlag der EU-Kommission erarbeiten. Federführend sind hierbei jedoch die Umweltminister. Der EU-Agrarministerrat hat nur eine indirekte Mitsprache bei dem Gesetz.
Auswirkungen unklar
Welche konkreten Anforderungen auf die Tierhalter zukommen, ist bislang noch unklar. Die EU-Kommission verspricht: „Die Vorschläge wurden so gestaltet, dass sich der bürokratische Aufwand für die Tierhalter minimal hält.“ Genau daran haben eine ganze Reihe der EU-Agrarminister Zweifel.