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Gastkommentar

Jetzt die Bauern, dann der gesamte Mittelstand?

Vom Acker zum Brandenburger Tor. Vom Stall auf die Autobahn. Dürfen die Landwirte das? "Ja, die dürfen das", sagt die frühere österreichische Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger.

Lesezeit: 4 Minuten

Unsere Autorin: Elisabeth Köstinger war von 2009 bis 2017 Abgeordnete zum Europäischen Parlament und von 2017 bis 2022 Bundesministerin für Landwirtschaft und Tourismus in Österreich und ist aktuell als Unternehmerin, Aufsichtsrätin und Investorin tätig. Ihr Gastkommentar war zuerst erschienen in der Zeitung DIE WELT.

Deutschlands Bauernstand steigt auf die Barrikaden und erntet dafür nicht nur Zustimmung, sondern auch Kritik. Schon seit geraumer Zeit rumort es auf den Höfen und landwirtschaftlichen Betrieben zwischen Schwäbischer Alb, Bayerischem Wald und Lüneburger Heide bis zur Ostsee.

Die Protestaktionen der Bauern sind jedoch erst die Spitze eines Eisbergs, der tief in den deutschen Mittelstand hineinreicht und den Regierenden in Berlin viel mehr Sorgen bereiten wird, als sie jetzt noch zu glauben meinen. Bemerkenswert ist auch die Wehleidigkeit, mit der die verantwortlichen Regierungsmitglieder auf Kritik und Protest reagieren.

Bei ihrer eigenen moralischen Überhöhung und dem Fingerzeig auf andere ist man weniger zimperlich. Auch der Versuch, die protestierenden Bauern in ein antidemokratisches und rechtsextremes Eck zu drängen, ist nicht nur falsch, sondern kontraproduktiv.

Um ihr 60-Milliarden-Euro-Finanzloch zu stopfen, setzt die Berliner Ampelregierung ihren Sparstift ausgerechnet bei jenen an, die für die Produktion unserer Lebensgrundlagen verantwortlich sind.

Ordentlich Sand ins Getriebe gekommen

Fleißig, gründlich, ordnungsliebend. So kennt man Deutschland seit Jahrzehnten, zumindest bei uns. Doch ins Getriebe des europäischen Wirtschaftsflaggschiffs ist ordentlich Sand gekommen. Der Wirtschaftsmotor stottert statt zu brummen, und die politische Führung reagiert so, dass es nun auch jenen im Land reicht, die bisher fleißig, gründlich und ordnungsliebend für Vater Staat gearbeitet haben. Das kann nur zu Konflikten führen.

Dass Bauern großflächig auf die Straße gehen und wichtige Verkehrsadern blockieren, ist untypisch. Zumindest in Deutschland oder in Österreich. Untypisch deswegen, da Demonstrationen in unseren Breiten seit Jahrzehnten besonders von linken Anhängern als probates Mittel zur Meinungsäußerung kultiviert wurden und sie diese Methode schlicht und ergreifend für sich beanspruchen.

Wenn also Gewerkschaften oder linke Gruppierungen zu Demos oder Streiks aufrufen, dann ist das mittlerweile common sense und entspricht dem Geist des Mainstreams. Ganz egal, wenn es sich dabei auch nur um eine Minderheit handelt, die der schweigenden Mehrheit etwas aufs Auge drücken will.

Auf einmal beschweren sich die Moralapostel über die Bauern

Wenn aber Bevölkerungsgruppen aus dem Eck der Leistungsträger, des bürgerlichen Lagers kommen und pflichtbewusste, fleißige Staatsbürger ihre Stimme zum Protest erheben, dann stehen besonders jene auf dem Plan und kritisieren das, die sonst immer mit erhobenem Zeigefinger allerorts die Meinungsfreiheit einfordern und mit der moralischen Keule überall dort draufhauen, wo es nach Ungerechtigkeit riecht. Und das Nazi-Eck ist schließlich als letztes Argument auch nicht mehr weit weg.

Dass linke Kräfte besonders schnell begonnen haben, die Proteste der Bauern zu delegitimieren, ist eine Vorgehensweise, die den erfahrenen politischen Beobachter nach den letzten Jahren wohl kaum noch überrascht. Überraschend ist allerdings, mit welch nonchalanter Selbstgerechtigkeit nun jene, die gestern noch Seite an Seite mit den Klimaklebern standen und jede ihrer oft rücksichtslosen Aktionen zu rechtfertigen versuchten, sich nun an den Bauern abarbeiten.

Dabei haben die Anliegen der Landwirtschaft mindestens genauso ihre Berechtigung wie die Anliegen der Klimakleber. Der Unterschied liegt allerdings in der Art und Weise. Der Bauernstand meldet ordnungsgemäß seine Demonstrationen und Sternfahrten an.

Bauern sind das Rückrat des Landes - nicht die Klimakleber

Im Gegensatz dazu blockieren Klimakleber bereits seit Jahren - meist ohne Vorankündigung oder Anmeldung - Straßen, Autobahnen oder Flugpisten, was nicht nur für sie selbst, sondern auch für andere gefährlich ist.

Deutschlands Bauernstand bildet mitsamt seinen Mitarbeitern hingegen das Rückgrat eines funktionierenden Landes. Noch besteht die Möglichkeit zur Korrektur. Deutschland hätte die Kraft dazu. Daher sollte die Politik auf den Traktor aufspringen und speziell der arbeitenden Bevölkerung Respekt zollen, bevor ihr noch größere Maschinen und Menschenmengen sowie der gesamte deutsche Mittelstand gegenüberstehen. Respekt und Wertschätzung haben sich vor allem Bauern für ihre Arbeit verdient.

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