Ein Kommentar von Olaf Tschimpke, Präsident des NABU:
Noch immer gehen in Deutschland jeden Tag knapp 90 ha landwirtschaftliche Nutzfläche durch Gewerbe-, Siedlungs- und Infrastrukturprojekte verloren. Ein breiter gesellschaftlicher Konsens aus Naturschützern, Landwirten und Gemeinden wehrt sich gegen den fortschreitenden Verlust von Lebensqualität, Natur und Landschaft. Falsche Zahlen, unbelegte Behauptungen und ein systematisches Versagen beim Einsatz gegen die echten Verursacher von Flächenverbrauch drohen jedoch die dringend erforderliche Trendwende auszubremsen. Das lehne ich ab.
Das Prinzip von Ausgleich und Ersatz als Folge unvermeidbarer Eingriffe in die Natur ist das Kernstück des Naturschutzes. Nur so lassen sich die durch einen Eingriff entstehenden Schäden kompensieren. Auch wenn dies zum Teil auf landwirtschaftlichen Flächen geschieht, kann von einem Flächenverbrauch durch Naturschutzmaßnahmen nicht die Rede sein: Die Flächen werden eben nicht – wie beim Bau einer Straße – verbraucht, sondern sie werden extensiver genutzt oder aus der Nutzung genommen. Das ermöglicht bereits heute eine sachgerechte Gestaltung von Kompensationsmaßnahmen.
Bei Beschränkung auf die bloße Zahlung eines Ersatzgeldes fehlt ein wesentlicher Anreiz, den Eingriff auf die naturschutzfachlich weniger wertvollen Flächen zu lenken. Auch wird die Verantwortung für eine Wiederherstellung des gebotenen Naturzustands auf die Naturschutzverwaltung überwälzt, was zu mehr Bürokratie und zur Abkehr vom Verursacherprinzip führt.
Darüber hinaus ist die vielfach behauptete überdurchschnittliche Kompensation auf landwirtschaftlichen Produktionsflächen unbegründet. Zahlreiche Auswertungen belegen dies zweifelsfrei. So wird in Thüringen 1 ha Eingriff im Schnitt nur mit 0,85 ha Ausgleichsfläche kompensiert. Beim Neubau der Autobahnen A 71 und A 73 waren es nach Angaben der Behörden sogar nur 0,4 ha.
Keine Frage: Auch die Förderung von Entsiegelungsmaßnahmen ist eine effektive Kompensation. Gleiches gilt in begrenztem Umfang auch für produktionsintegrierte Maßnahmen. Diese sollten aber klar über die gute fachliche Praxis der Landwirtschaft hinausgehen und so lange gesichert und durchgeführt werden, wie der Eingriff andauert.
Eine auf die Zukunft ausgerichtete Kompensation heißt nicht zwangsläufig Aufgabe der Landwirtschaft. Im Gegenteil: Vielfach ist es erst eine angepasste Nutzung, die die er- wünschten Lebensräume in der Nachbarschaft erhält.
top agrar-Rubrik "Der Blick von außen"
Dieser Text stammt aus der Rubrik "Der Blick von außen", die jeden Monat in der top agrar-Heftausgabe erscheint. Hier lassen wir Kritiker zu Wort kommen und stellen die Argumente anschließend zur Diskussion. Denn: Die Landwirtschaft muss sich der Kritik stellen, denn letztendlich geht es um die Akzeptanz unserer Landwirtschaft. Wir freuen uns auf Ihre sachlichen und fairen Kommentare.
Zum Streitpunkt-Thema der letzten Ausgabe:
Prof. Pies: Spekulation ist erwünscht! (20.4.2013)