Keine Komplettverbote von Pflanzenschutzmitteln und weniger "sensible Gebiete": Beim Pflanzenschutz zeigt sich die EU-Kommission gegenüber den EU-Mitgliedstaaten offenbar gesprächsbereit. Das geht aus einem sogenannten Non-Paper, einer nicht-offiziellen Stellungnahme, der EU-Kommission hervor. Top agrar liegt das Dokument vor.
EU-Kommission unter Zugzwang
Der Druck der Mitgliedstaaten war offensichtlich schon vor Beginn offizieller Verhandlungen zu groß. Eine ganze Reihe von EU-Mitgliedstaaten hatte ihren Unmut über Brüssels Pflanzenschutzpläne geäußert. Am Montag kommen die EU-Agrarminister erneut nach Brüssel.
So sah sich die Kommission gezwungen, mögliche Kompromisse zu ihrem Vorschlag einer Verordnung zur „nachhaltigen Verwendung von Pestiziden“ anzudeuten. Im Dokument gesteht die Kommission ein: „Der Vorschlag der Kommission wird als zu ambitioniert angesehen und würde unverhältnismäßig große Gebiete betreffen.“
Fällt das Verbot in Landschaftsschutzgebieten?
Auf acht Seiten beschreibt die Kommission, wo es Kompromisse geben könnte. Konkret geht es um folgende Punkte:
- Geplante Komplettverbote in Schutzgebiet sollen fallen; Pflanzenschutz soll erlaubt bleiben, allerdings nur Wirkstoffe mit „niedrigem Risiko“ sowie Pflanzenschutzmitteln, die im Öko-Landbau zugelassen sind.
- Die Gebietskulisse für die „sensiblen Gebiete“ soll kleiner werden. Das Europäische Naturschutzregister (CDDA) soll nicht zwingend Grundlage für die Ausweisung sein.
- Mehr Ausnahmen für die Mitgliedstaaten für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bei der Bekämpfung invasiver Arten.
Was passiert mit „sensiblen Gebieten“?
Der Verordnungs-Entwurf der Kommission sieht bislang vor, dass in allen Gebieten aus dem europäischen Naturschutzregister (CDDA) ein Einsatzverbot für Pflanzenschutzmittel gelten soll. Davon nimmt die Kommission nun großen Abstand.
Im Schreiben an die Mitgliedstaaten schlägt die Brüsseler Behörde weitreichende Freiheiten für die EU-Mitglieder vor. Diese könnten zum Beispiel Gebiete viel einfacher aus dem Register rausnehmen oder hinzufügen als ursprünglich geplant.
Was die Vorschläge konkret bedeuten, wird sich in den kommenden Monaten in Brüssel zeigen. Das Gesetzgebungsverfahren steht noch in den Startlöchern.
Klar ist aber schon jetzt: Die EU-Kommission lenkt beim Pflanzenschutz deutlich ein.
Parlament außen vor?
Sie sucht vor allem den Schulterschluss mit den mächtigen EU-Mitgliedstaaten.
Im Europaparlament – eigentlich gleichberechtigter Mitgesetzgeber – kommt das nicht gut an. Der Agrarsprecher der EU-Grünen , Martin Häusling, kommentiert den Vorgang scharf: „Es ist ein einmaliger und irritierender Vorgang, dass die Kommission dem Rat Änderungsangebote zu ihrem eigenen offiziellen Gesetzesvorschlag offeriert und damit am Europäischen Parlament vorbei agiert.“
Nicht nur das Vorgehen auch der Inhalt des Papiers sei kritikwürdig, so Häusling. Die Kommission komme den Kritikern der Pflanzenschutzverordnung zu stark entgegen.
Schneider: Kommission entzieht konventionellen Landwirten Arbeitsgrundlage
Die EU-Umweltpolitikerin Christine Schneider (CDU) zeigte sich am Donnerstag zufrieden, dass "auch die Kommission erkannt hat, dass der Vorschlag zu ambitioniert ist."
Allerdings entziehe die Behörde der konventionellen Landwirtschaft weiterhin ihre Bewirtschaftungsgrundlage. Denn vornehmlich Pflanzenschutzmittel, die in der ökologischen Landwirtschaft zugelassen sind, sollen in den "sensiblen Gebieten" weiterhin zulässig sein.