Der romantische Blick auf die Landwirtschaft, den die Bevölkerung so schätzt, hat mit der wirtschaftlichen Realität auf den deutschen Höfen nicht mehr viel gemein, schreibt der Chefredakteur der WirtschaftsWoche, Roland Tichy. Seiner Meinung nach steht die frühere bäuerliche Kultur längst unter einem brutalen Modernisierungsdruck. Selbst kleinere Höfe seien heute komplett durchorganisiert und stünden einem Industriebetrieb in nichts mehr nach: Hochtechnisiert, durchrationalisiert, arbeitsteilig und kapitalintensiv. "Der moderne Bauer verkauft seine Ernte längst und ganz selbstverständlich an Terminbörsen. Raum für Romantik und Selbstverwirklichung lassen der brutale Kostendruck und die niedrigen Preise nicht zu", so Tichy. Eine Gefahr sieht der Journalist auch im Energiepflanzenanbau. "Statt auf den Teller wandern die landwirtschaftlichen Erzeugnisse mit massiver staatlicher Unterstützung in den Tank, in Biogasanlagen oder Brennöfen." Der Trend sei weltweit zu beobachten: Nicht mehr aus Dienstleistung und Industrie komme das Wirtschaftswachstum, sondern aus dem Agribusiness. "Es klingt wie Hohn: Gerade erst haben wir auf Berater und Banker umgeschult \- jetzt sollen wir wieder Bauer werden", stellt er fest und erkennt durchaus Gründe. Die wachsende und wohlhabendere Weltbevölkerung wird laut Experten 40 % mehr Nahrungsmittel brauchen und 30 % mehr Trinkwasser zu deren Produktion. Gleichzeitig schrumpft die landwirtschaftliche Nutzfläche. Seit einigen Jahren gelten Agrarprodukte als eigene Anlageklasse neben Wertpapieren und Industrierohstoffen, erläutert der Wirtschaftsexperte weiter. Und seither würden sich Finanzmärkte der eher geruhsamen, konservativ vor sich hin dümpelnden Agrarmärkte bemächtigen. "Mit der neuen deutschen Landlust hat das wenig zu tun. Die wirtschaftliche Realität hebelt Romantik und Ökologie aus", zeigt sich Tichy ernüchtert.
${intro}