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Schlachtunternehmen im Gespräch

Wichtige Säule der Vermarktung: Schlachtbranche hält am Export fest

Der heimische Fleischmarkt wird sich weiter in Richtung Tierwohl bewegen. Davon gehen die vier großen deutschen Schlachter aus. Export und Import bleiben dabei Eckpfeiler der Branche.

Lesezeit: 6 Minuten

Für viele Verbraucher und Umweltorganisationen gilt die Formel: Weniger Tiere, weniger Flächenverbrauch = Weniger Hunger. Doch geht diese Gleichung wirklich auf? Das werden wir am 22.9. mit Politikerinnen und Politikern sowie Vertreterinnen und Vertretern aus der Agrarwirtschaft in unserem Format Landwirtschaft im Dialog diskutieren (Livestream ab 19 Uhr unter topagrar.com). Vorab nehmen die vier größten deutschen Schlachtunternehmen im exklusiven top agrar-Interview Stellung.

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Wir sprachen mit David De Camp, Geschäftsführer Rind bei der Vion Food Group, Thomas Dosch, Politik-Chef von Tönnies, René Olsen, CEO Deutschland bei Danish Crown und Michael Schulze Kalthoff, Vorstand der Westfleisch SCE.

Kritiker werfen den Nutztierhaltern und der Fleischindustrie vor, dass die Tiere wertvolle Ressourcen aufgebrauchen. Geht die Gleichung „Weniger Tiere, weniger Flächenverbrauch = wenige Hunger“ aus Ihrer Sicht auf?

De Camp: Rund um Fleischerzeugung und Fleischkonsum haben sich in den letzten Jahren viele Mythen breit gemacht – leider. Man muss verstehen, dass Tier- und Pflanzenerzeugung einen Kreislauf bilden. Mehr freie Futterfläche bedeutet nicht, dass darauf automatisch pflanzliche Erzeugnisse für die menschliche Ernährung angebaut werden kann. Die Lösung sind nicht weniger Tiere, sondern technologischer Fortschritt, der es uns erlaubt Fleisch nachhaltig herzustellen – entlang der gesamten Produktionskette.

Olsen: Allerdings müssen wir auch sehen, was der Verbraucher von uns möchte. Bei Danish Crown folgen wir konsequent den Wünschen unserer Konsumentinnen und Konsumenten. Nachhaltigkeit, Tierwohl und Transparenz sind langfristige Trends, die sich fortsetzen werden. Die Impulse kommen sowohl aus der Gesellschaft als auch aus der Politik.

Kann sich Deutschland denn überhaupt noch selbst mit Fleisch versorgen? Wo sind wir auf Importe angewiesen?

Schulze Kalthoff: Aktuell kauft kein Land in der EU so viel Fleisch im Ausland ein wie Deutschland! Vom Schwein werden vor allem Teilstücke wie Filet, Rücken und Schinken importiert. Aktuell ist unser Land also abhängig von Importen. Angesichts der derzeit so wichtigen Versorgungssicherheit ein Zustand, der nicht weiter verschärft werden sollte.

Für viele Teile der Gesellschaft scheint klar: Deutschland produziert viel zu viel Fleisch. Müssen wir weniger Tiere produzieren?

Dosch: Der Teil der Gesellschaft, der eine Reduktion der Tierzahlen fordert, muss sich fragen: Ist die schlichte Reduktion ein Ziel für sich? Ich denke nicht. Es geht um Grundwasserschutz, Klimaschutz und Erhalt der Biodiversität. Dabei müssen wir uns fragen, ob wir die Ziele nicht besser durch die Re-Integration der Nutztierhaltung in die Landwirtschaft erreichen, statt Nutztiere zu verteufeln. Ein bloßer Streit um die Zahl von Nutztieren ist absolut nicht zielführend.

De Camp: Man muss hier differenzieren zwischen Rind und Schwein. Beim Schwein haben wir in den letzten vier Jahren schon ca. 30 % weniger geschlachtet. Das müssen alle Schlachtunternehmen sehr genau beobachten. Irgendwann haben wir zu viele Schlachthöfe in Deutschland. Wir müssen dann unsere Strukturen ändern. Im Bereich Rindfleisch verzeichnen wir Rückgänge von ca. 2 % pro Jahr – das hält sich also noch im Rahmen.

Unsere Gesprächspartner

Dabei war der Export doch eine der wichtigsten Säulen der deutschen Fleischwirtschaft. Ist es nicht sinnvoller, sich wieder mehr auf den heimischen Markt zu konzentrieren und mehr auf Qualität statt Quantität zu setzen?

De Camp: Ich denke, wir haben spezielle Kanäle sowohl beim Schwein als auch beim Rind, in denen wir auch künftig hochqualitative Produkte exportieren können. Es werden auch weiterhin Schinken nach Spanien und Spare Ribs in die USA exportiert werden. Allerdings ist der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) ein großes Problem für uns. Der Zugang am asiatischen Markt ist immer noch schwierig.

Schulze Kalthoff: Wir haben uns bereits in den vergangenen Jahren ganz eindeutig als Qualitätsanbieter positioniert; entsprechend steht der heimische Markt klar in unserem Fokus. Mit unseren Handelspartnern fahren wir zahlreiche Sonderprogramme – oft angereichert mit Zusatzoptionen wie einem besonderen Regionalitätsbezug. Unsere Sonderprogramme erfüllen im Übrigen dabei als Imageträger für die Gattung Schwein eine sehr wertvolle Funktion. Und dennoch ist klar: Ein gewisser Export ist und bleibt weiter notwendig.

Die hohen Exportquoten von zum Teil 50 % und mehr könnten für Sie nun zum Klotz am Bein werden. Aktuell müssen Sie Teilstücke teuer „entsorgen“, die sie in Deutschland nicht vermarkten können. Ist es nicht sinnvoller, sich wieder mehr auf den heimischen Markt zu konzentrieren und mehr auf Qualität statt Quantität zu setzen?

Dosch: Wir verwerten bei Tönnies das ganze Tier. Nichts wird weggeworfen. Am liebsten würden wir alles am heimischen Markt absetzen. Daran arbeiten wir – zusammen mit Unternehmen aus dem LEH. Solange jedoch hier sogar mehr Edelteile nachgefragt werden, als in Deutschland selbst erzeugt werden, müssen Nebenprodukte auf Märkten verkauft werden, die auch Schweineköpfe und Pfoten zu schätzen wissen.

Sehen Sie da einen Trend?

Dosch: Leider findet das bisher nur in Nischen statt.

Schulze Kalthoff: Das sehe ich ähnlich. Für mich ist leider auch klar, dass wir – selbst wenn wir wieder für den südostasiatischen Markt zugelassen werden – nicht sofort wieder große Mengen exportieren werden. Jedoch ist das extrem wichtig. Wir bekommen in den asiatischen Ländern mehr Geld für die Pfötchen als für das Filet. Der kompletten Fleischkette entgeht dadurch aktuell ein Umsatz von gut 2 Mrd. € pro Jahr.

Wenn wir zusammen mit dem LEH eine Aktion fahren, um 10 t Schweinefilet zu vermarkten, müssen wir ca. 20.000 Tiere schlachten." - David De Camp, Vion

De Camp: Wenn wir zusammen mit dem LEH eine Aktion fahren, um 10 t Schweinefilet zu vermarkten, müssen wir ca. 20.000 Tiere schlachten. Was machen wir mit dem Rest der 100 kg schweren Schlachtkörper? Da müssen wir auch den LEH in die Pflicht nehmen.

Wie sieht die Tierhaltung in 15 Jahren in Deutschland aus? Gibt es künftig noch Chancen für die Wertschöpfungskette Fleisch?

Olsen: Die Situation wird sich orientieren an Nachhaltigkeit, Transparenz und Mehrwert. Ich glaube, die Konsumenten werden sich auch wieder auf das Tierwohl besinnen, wenn die Inflation sich beruhigt. Sowohl der Handel als auch die Politik will ITW 2. Das wird sich durchsetzen.

Dosch: Volle Zustimmung! Ich setze auch darauf, dass Unternehmen, die sich zum Haltungswechsel bekennen, nicht leichtfertig davon abweichen werden. In Partnerschaft mit dem Lebensmitteleinzelhandel werden wir weiter das Thema Tierwohl verfolgen. Ich gehe jedoch nicht davon aus, dass es der Konsument sein wird, der da die Hauptimpulse gibt.

Ähnlich wie bei den Käfigeiern; Da war es der Handel, der sie nicht mehr gelistet hat und irgendwann wurde die Käfighaltung per Gesetz eingeschränkt. Solche grundsätzlichen Weichenstellungen muss die Politik in einer Demokratie treffen. Mit anderen Worten: Was im Laden liegt, darf gekauft werden.

De Camp: Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Politik einfach nicht hinter uns steht. Zum Beispiel bei 5xD.

Das ist Teil eins unseres großen Interviews mit der deutschen Schlachtbranche im Rahmen von "Landwirtschaft im Dialog: Weniger Tiere, weniger Flächenverbrauch = Weniger Hunger Stimmt die Gleichung?". Den zweiten Teil finden Sie hier: Zum zweiten Teil!

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