Unser Autor: Dr. Hubert Heilmann, Leiter Institut für Pflanzenproduktion und Betriebswirtschaft, Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern
Die gesellschaftlichen und politischen Weichenstellungen zeigen stärker denn je auf Ökolandbau. Und das Umstellungsinteresse der Landwirte ist nach wie vor hoch.
Auslöser dafür ist nicht nur der von der Politik angestrebte Ausbau des Ökolandbaus über den derzeitigen Flächenanteil von 10 % hinaus in Richtung 20 %. Auch die aktuellen Diskussionen zum Klimaschutz, zur GAP, den Herausforderungen hinsichtlich Biodiversität und nicht zuletzt die Einschränkungen im Pflanzenschutz sind Auslöser bei vielen konventionell wirtschaftenden Betrieben, über eine ökologische Wirtschaftsweise nachzudenken.
Doch bevor man solche wichtigen Entscheidungen trifft, sollte man einen unvoreingenommenen und faktenbasierten Blick auf den Ökolandbau werfen. Denn: Risikolos ist der Weg nicht. Das wirtschaftliche Umfeld für landwirtschaftliche Betriebe verändert sich zunehmend und muss auch bei der Umstellungsplanung auf ökologische Wirtschaftsweise berücksichtigt und kalkuliert werden.
Halber Ertrag und doppelter Preis – die Rechnung geht nicht immer auf
Am Beispiel der Erträge auf einem der Versuchsfelder der Landesforschungsanstalt in Mecklenburg-Vorpommern, das seit 1992 zum Teil ökologisch und zum Teil konventionell bewirtschaftet wird, sind die Naturalerträge wichtiger Ackerfrüchte gegenübergestellt.
Bei diesem direkten Vergleich sieht man, dass das Ertragsniveau bei den meisten Kulturen im Ökolandbau bei rund der Hälfte liegt. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass im Gegensatz zur konventionellen Wirtschaftsweise im Ökolandbau die Bereitstellung von Stickstoff als knappster Pflanzennährstoff über Kleegrasanbau oder Ähnliches erfolgen muss. Damit gehen im ökologischen Ackerbau rund ein Drittel der Anbaufläche für diese »N-Versorgung« verloren.
Bezogen auf die gesamte Fruchtfolge lag daher das Ertragsniveau im Zeitraum 2003 bis 2019 zwischen etwa einem Viertel und knapp der Hälfte der konventionellen Bewirtschaftung. Diese Feldversuchsergebnisse werden durch Zahlen aus real existierenden Betrieben gestützt.
Auch hier zeigt sich, dass die realisierten Naturalerträge im Ökolandbau weit hinter der konventionellen Wirtschaftsweise liegen. Aus der Tabelle ist auch zu sehen, dass die Öko-Betriebe beim Preis mehr als das Doppelte für den Roggen erzielen konnten als ihre konventionellen Berufskollegen.
Häufig unterscheiden sich aber die Vermarktungswege und -formen zwischen beiden Wirtschaftsweisen erheblich. Der Anteil von Direktvermarktung und regionaler Vermarktung ist im Ökolandbau weiter verbreitet. Damit gehen aber auch in der Regel höhere Vermarktungskosten für die Betriebe einher.
In der Summe liegen zwischen den Umsatzerlösen beider Wirtschaftsweisen keine großen Unterschiede. Das trifft auch für die betrieblichen Aufwendungen zu – geringere Ausgaben für Dünger- und Pflanzenschutzmittel werden an anderer Stelle (z. B. Arbeitserledigung, Aufbereitung, Vermarktung) beim Ökolandbau wieder aufgezehrt. Unter dem Strich (Betriebsergebnis ohne Zulagen und Zuschüsse) lagen beide Wirtschaftsweisen nahezu gleichauf.
Bezieht man allerdings die Zulagen und Zuschüsse einschließlich der Förderung für ökologische Wirtschaftsweise mit ein, schlossen die Öko-Ackerbaubetriebe im Endergebnis besser ab als die konventionellen. Dies trifft besonders für Regionen mit unterdurchschnittlichen Ertragspotentialen zu. Dort sind die Unterschiede in der optimalen Intensität zwischen der konventionellen und der ökologischen Bewirtschaftung geringer, Subventionen und Zulagen haben einen höheren Anteil am Gesamterlös der Betriebe.
Grundsätzlich gilt die Faustformel: Je niedriger die Ertragsfähigkeit des Standortes, umso geringer die Unterschiede zwischen konventioneller und ökologischer Intensität und desto vorzüglicher die Umstellung auf Ökolandbau.
Diskussion zum Klimaschutz, Ackerbaustrategie, GAP-Reform – Auslöser für die Umstellung auf Ökolandbau?
Zwar liegen die konkreten Umsetzungspläne für die angekündigte »Ökologisierung der Landwirtschaft« aktuell noch im dichten Nebel, dennoch stehen einige Aspekte fest. Seit diesem Jahr ist das Verbot der Anwendung von Herbiziden und biodiversitätsschädigenden Insektiziden in Schutzgebieten Realität. Als Schutzgebiete wurden im Insektenschutzprogramm FFH-, Naturschutzgebiete, Nationalparks und Vogelschutzgebiete benannt.
Die Auswirkungen auf die betroffenen Betriebe sind enorm. Die Schwankungsbreite für den Grad der Betroffenheit auf Betriebsebene reicht von null bis 100 %. Bei hoher Betroffenheit liegt die Umstellung auf ökologischen Landbau sehr nahe. Dabei sollte man allerdings beachten, dass zur Vermeidung von Doppelförderung gesetzliche Schutzgebietsauflagen nicht über die zweite Säule, also z. B. über die Öko-Prämie »gefördert/ausgeglichen« werden dürfen.
So hat in der laufenden Förderperiode beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern die Öko-Förderung für Flächen in Wasserschutzgebieten gekürzt, wo der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln ohnehin untersagt ist. Ein analoges Vorgehen wäre auch für diese »neuen« Schutzgebietsauflagen zu befürchten, was eine deutliche Senkung der Öko-Prämien zur Folge hätte. Damit wird letztlich auch die »Flucht in den Ökolandbau« in diesen Schutzgebieten gedämpft.
Die Aufnahmefähigkeit der Öko-Märkte ist nicht unbegrenzt
Der Markt ist klein. Bei einer Umstellung vieler konventioneller Betriebe drohen die regionalen Märkte für viele Öko-Produktlinien zumindest kurz- und mittelfristig überfordert zu werden. Ein Beispiel dafür ist der Milchsektor: Nachdem einige Zeit ein »Aufnahmestopp« für neue Öko-Milchlieferanten verhängt war, suchten zuletzt einige süddeutsche Molkereien wieder Bio-Lieferanten.
Auch bei wichtigen pflanzenbaulichen Produktionslinien, wie dem Roggen, sind bereits in der Vergangenheit regional unbefriedigende Vermarktungsquoten erzielt worden. Ein nicht unerheblicher Teil des Öko-Roggens (vorwiegend »Nicht-Verbandsware«) musste als konventionelle Ware vermarktet werden. Letztlich bestimmen auch auf dem Öko-Markt Angebot und Nachfrage den Preis.
Ein Überangebot an Öko-Ware führt zu Preisverfall, möglicherweise mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen für weite Teile des Öko-Sektors. Auch eine Anhebung der Öko-Prämien als agrarpolitische »Gegenmaßnahme« würde den Schaden vermutlich nicht kompensieren können. Marktwirtschaftliche Probleme können nun mal nicht mit planwirtschaftlichen Instrumenten gelöst werden.
Zielkonflikte
In den diversen politischen Strategien und Zielvorgaben, mit denen sich die Landwirtschaft zunehmend konfrontiert sieht, liegt ein großes Konfliktpotential. Jeder vernünftige Mensch weiß, dass man bei einer Vielzahl von Zielen nicht alle gleichzeitig erreichen kann. So hat beispielsweise der Ökolandbau unbestritten im Zielfeld Biodiversität die Nase vorn. Auch beim Klimaschutz liegen die Treibhausgasemissionen je Flächeneinheit beim Ökolandbau niedriger. Durch die erheblichen Ertragsdifferenzen gegenüber der konventionellen Wirtschaftsweise ist allerdings die Klimabilanz je Produkteinheit im Ökolandbau tatsächlich schlechter.
Fazit
Solange noch viele entscheidende Parameter unklar sind, sollte man sich mit grundlegenden Betriebsveränderungen zurückhalten. Denn eine Umstellung ist ein tiefgreifender Einschnitt ins Betriebskonzept; nicht nur eine Veränderung der Produktionsweise, sondern auch der Produktionsumfänge (Fruchtfolge), der Arbeitswirtschaft bis hin zu neuen Investitionen in Bodenbearbeitungs- und Pflege-, Aufbereitungs- und Vermarktungstechnik.
Letztlich wird die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Agrarpolitik nicht verringert. Klar ist, die Umstellung auf ökologische Bewirtschaftung ist kein Selbstzweck – der Unternehmer will damit Geld verdienen. Wo Ökolandbau zum Betrieb und Betriebsleiter passen, macht es aber allemal Sinn, sich damit ernsthaft zu befassen.