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Mit der Cultan-Düngung dem Klimawandel trotzen?

Extreme Wetterereignisse und hohe Preise schaffen zunehmend Probleme in der Düngung. Wir wollten wissen, ob die Vorratsdüngung im Cultan-Verfahren eine Lösung bieten kann.

Lesezeit: 9 Minuten

Mit einer einzigen Überfahrt den gesamten Jahresbedarf an Stickstoff in einer Vorratsdüngung ausbringen? Das jedenfalls ist der Sinn der Cultan-Düngung. Cultan ist die englische Abkürzung für die kontrollierte Langzeitversorgung der Pflanzen mit Ammonium (Controlled Uptake Long Term Ammonium Nutrition). Das an der Uni Bonn entwickelte Verfahren zielt auf die Depotdüngung von Ammonium in einer einzigen Überfahrt ab.

Wir vom Verein „Boden.Leben“ woll­­ten wissen, ob dieses Düngeverfahren geeignet ist, die zunehmenden Probleme durch extreme Wetterereignisse und die zuletzt exorbitant gestiegenen Düngerpreise in den Griff zu bekommen. Gemeinsam mit der AGES und der Innovation Farm haben wir deshalb 2020 und 2021 umfangreiche Versuche zum Cultan-Verfahren durchgeführt, die heuer fortgeführt werden.

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Mit Injektoren in den Boden

Mittels Injektionsrädern werden dabei Düngerlösungen in den Boden injiziert. In diesem Injektionspunkt kommt es zu einer Überkonzentration mit Nährstoffen, die nicht vom Bodenleben abgebaut werden können. Es bildet sich ein Düngerdepot, aus dem die Pflanzenwurzeln die Nährstoffe aufnehmen können.

In der Regel ist dieses Depot sehr stabil und kann nicht ausgewaschen werden. Zum Einsatz kommen kom­bi­nierte Ammonium-Schwefel-Dünger, teil­weise ergänzt um Harnstoff bzw. flüssige Phosphor- oder Spurenelementedünger. Wir verwenden in unseren Versuchen „Domamon L26“. Das ist eine Mischung aus Ammoniumsulfat­lösung, die bei diversen industriellen Reinigungsprozessen als Nebenprodukt anfällt, kombiniert mit einer Harnstofflösung.

Wichtig bei dem Verfahren ist, auf Nitrat als Dünger so gut es geht zu verzichten. Die Pflanzen sind so gezwungen, sich die Düngedepots zu „erwachsen“. Das wiederum führt zu einer verstärkten Bildung von Wurzeln. So ernährte Pflanzen bilden bis zur doppelten Wurzelmasse und auch die Blattmasse erhöht sich leicht. Beides hilft der Pflanze, deutlich besser mit Trockenheit und Hitze umzugehen.

Die Vor- und Nachteile

Neben der verbesserten Wurzelleistung ist eine deutliche Verbesserung der Effizienz der ausgebrachten Nährstoffe hervorzuheben. Bei herkömmlichen Düngeverfahren gehen 25 bis 50 % des eingesetzten Stickstoffs verloren. Das ist natürlich nicht gut für die Brieftasche. Zudem wird dadurch die Umwelt und das Klima (Lachgas ist 265-mal klimaschädlicher als CO2) belastet.

Beim Cultan-Verfahren ist mit 0 bis 10 % Verlust zu rechnen. Man kann daher die Höhe der N-Gabe zumindest um diese Differenz zurücknehmen, ohne Ertrag zu verlieren. In einem ersten Schritt kann man sofort 20 bis 30 % N einsparen und gleichzeitig klimaschädigende Gase vermeiden.

Cultan kann somit helfen, die Emissionen aus der Landwirtschaft zu minimieren. Pflanzenbaulich gesehen hilft der an die Wurzel gebrachte Nährstoff natürlich weiter. Vor allem bei schwieriger Witterung wie Kälte, Hitze oder Trockenheit kommt der Dünger trotzdem zur Wurzel und ernährt die Pflanzen. Besonders gut konnte man im kalten und trockenen Frühjahr 2021 beobachten.

Die Cultan ernährten Bestände in unseren Versuchen entwickelten sich sehr gut, während die normal gedüngten Bestände Entwicklungsrückstände bis hin zu S-Mangel-Symptomen zeigten. Auch bei Direktsaaten mit großen Massen an oberirdisch liegenden Pflanzenresten ist Cultan perfekt einsetzbar. Das Ammonium im Depot kann von Pflanzen direkt aufgenommen werden, ohne Umbau zu Nitrat. Dadurch ändert sich das Wachstum der Pflanzen.

Sie werden nicht von Nitrat nach „oben getrieben“, sondern wachsen gleichmäßiger und stabiler. Im Trockengebiet kann man dadurch auf die Verwendung von Wachstumsreglern verzichten, im Feuchtgebiet kann sicherlich eine Behandlung entfallen. Neben der verbesserten Wasseraufnahme sowie erhöhten Trockentoleranz verursacht Cultan auch für die Pflanzen weniger Stress. Durch das Weglassen von Nitrat funktioniert der Stoffwechsel der Pflanzen besser.

Die Pflanze kann die Assimilate problemloser zur Wurzel bringen. Ein Stau an Assimilaten verursacht „Zuckerschwitzen“, was wiederum die Attraktivität der Pflanzen für Schadinsekten erhöht und auch Pilzsporen können leichter an den Pflanzen „andocken“. Im Idealfall kann man daher neben der Nährstoffmenge auch Pflanzenschutzmittel einsparen. Mit einer einzigen Überfahrt werden die Pflanzen mit den nötigen Nährstoffen versorgt, wobei es weitere Nebeneffekte gibt.

Stark saure Düngelösung

Die Düngelösung wirkt stark sauer, was vor allem auf carbonatischen Böden für eine bessere Versorgung der Pflanzen mit Spurenelementen sorgt, welche im sauren pH-Wert-Bereich besser aufgenommen werden können.

Daneben kann die Pflanze die Nährstoffe aus dem basischen Milieu weiterhin gut aufnehmen. Es sind lediglich 32 Punkte pro m² mit Düngerlösung, ansonsten bleibt der natürliche Boden vollständig unberührt. Auf Böden mit schlechter Ca-Versorgung oder niedrigen pH-Werten muss allerdings auf eine regelmäßige Ausgleichskalkung geachtet werden.

Ein Nachteil ist, dass man seine Bestände auf einen voraussichtlichen Ertrag düngen muss – und das schon früh im Jahr. Wenn man noch nicht weiß, wie viel Regen kommen wird, muss man auf eine durchschnittliche Erntemenge hin düngen. Hilfreich sind hier Nmin-Untersuchungen, um die Nachlieferung aus dem Boden besser abschätzen zu können.

Üblicherweise düngt man daher eher vorsichtiger. Entwickeln sich vor allem Weizenbestände durch gute Witterungsbedingungen besser als erwartet, so kann man später immer noch nachdüngen. Das kann bei höherem Bedarf mit festen Düngemitteln erfolgen oder bei weniger Bedarf mit dem gleichen Flüssigdünger für Cultan über die Spritze.

Ausbringkosten sind bei der Cultan-Düngung höher

Ein derzeit noch großer Nachteil sind die Kosten für Ausbringung und Logistik. Ein Gerät zur Cultan-Düngung ist relativ teuer und kann sinnvoll nur in Gemeinschaft oder durch Maschinenringe sowie Lohnunternehmer betrieben werden.

Die Kosten für die Ausbringung liegen je nach Auslastung und Gerät zwischen netto 70 bis 110 € pro ha. Werden wie bei einer Ammoniumsulfatlösung (ASL) größere Mengen aufgrund des niedrigen N Gehaltes benötigt, so kommt man inklusive Logistik und Lagerkosten Richtung 200 €/ha. Dafür ist ASL deutlich günstiger zu bekommen.

Unterm Strich kommt man in etwa auf die gleichen Kosten wie mit Domamon L26. Stellt man drei Überfahrten mit dem Düngerstreuer gegenüber, so liegen die Kosten nach ÖKL bei ca. 45 € netto. Derzeit gibt es in Europa de facto nur einen Hersteller dieser Geräte, ein zweites Unternehmen hat in Deutschland erst vor Kurzem mit dem Bau solcher Geräte begonnen.

Aufgrund des hohen Gewichts der Maschinen und des Düngers, 1 l Domamon z. B. wiegt 1,25 kg, sollten die Maschinen und Traktoren mit Reifendruckregelanlagen ausgestattet sein, um die Belastung für den Boden zu minimieren.

Weniger Schlagkraft als ein Düngerstreuer

Mit im Schnitt 3 bis 5 ha pro Stunde liegt man mit einem mittleren Gerät doch auch weit entfernt von der Schlagkraft eines Düngerstreuers. Zudem hat man wieder mehr Spuren am Feld, was sich bei schlechten Bedingungen auch auf das Wachstum der Pflanzen negativ auswirken kann.

Ein wichtiger Faktor ist auch der Dünger selbst. Ist dieser doch in der Regel pro kg Reinnährstoff billiger als fester Dünger, so ist die Logistik und Lagerung aufwendiger. Und auch von der rechtlichen Seite muss man bauliche Anforderungen beachten. Unterm Strich blieben 2021 trotz billigeren Düngers und niedrigerer Menge Mehrkosten von ca. 50 € pro ha. Für 2022 erwarten wir deutlich niedrigere Kosten im Vergleich zu festen Düngemitteln. Erste Berechnungen zeigen trotz hoher Ausbringkosten bei Cultan einen Vorteil von 30 bis 100 €/ha gegenüber aktuellen Preisen bei Harnstoff oder NAC.

2020 sahen die Cultan-Parzellen lange Zeit deutlich besser und vitaler aus, als die herkömmlich gedüngten Parzellen. Der viele Regen ab Mitte Mai glich aber alles aus, sodass am Ende keine zählbaren Unterschiede bei der Weizenernte 2020 festgestellt werden konnten.

2021 zeigte sich allerdings ein anderes Frühjahr als gewohnt. Durch die lange Kältephase war speziell die Mineralisierung von Schwefel im Boden gehemmt. Diese setzt erst bei höheren Temperaturen ein, die erst ab Anfang bis Mitte Mai gegeben waren. Bis dahin waren sichtbar viele Schwefelmangelsymptome wie Aufhellungen zu beobachten.

Mit Cultan-Dünger konnten sich die Bestände bestens entwickeln. Besonders auf schlechten Standorten zeigte sich der Weizen in wirklich guter Verfassung, Was­ser war vom nassen Herbst und Winter im Boden und noch verfügbar. An beiden Standorten im Trockengebiet (siehe Übersicht) zeigte sich, dass auch geringere N-Mengen in etwa gleiche Erträge brachten wie höhere. Beim Protein lag Cultan um 1 bis 1,5 Prozentpunkte hinten. Das kann einerseits an der Anordnung des Versuches liegen, wodurch im Druschbereich technisch bedingt womöglich zu wenig Dünger platziert wurde. 2022 soll durch Änderung des Versuchsdesigns dieser Fehler ausgeschlossen werden.

Weizen soll etwas „hungern“

Generell gilt für die Cultan-Düngung:

  • Als erste Kultur im Jahr kann Raps gedüngt werden, und zwar so früh es möglich und sinnvoll ist.
  • Anschließend kann die Wintergerste versorgt werden sowie daran anschließend Roggen und Triticale.
  • Nur Weizen soll etwas „hungern“, ehe man ihn düngt.
  • Zuckerrüben können vor dem Auflaufen ebenfalls Cultan gedüngt werden, wobei zugesetzte P-Dünger die Ergebnisse verbessern.
  • 2021 wurden in der Praxis durch den Maschinenring Hollabrunn-Horn auch noch Sommergetreide, Wintermohn und Senf Cultan gedüngt.
  • Mais kann bei Trockenheit und Wärme bis zum 3- bis 4-Blatt-Stadium befahren werden.
  • Andere Kulturen können durchaus auch Cultan gedüngt werden.

Wie kann man mit Cultan beginnen?

Interessierte Landwirte können sich an den MR Hollabrunn-Horn sowie an den MR OÖ werden. Daneben gibt es einige wenige Lohnunternehmer, die meistens aber über eher kleinere Maschinen zur Ausbringung verfügen.

Auch der Dünger ist am besten beim MR zu bestellen. 2022 gibt es aber aufgrund der Situation am Gaspreismarkt auch bei Cultan-Düngern mit höheren N-Werten Probleme mit der Versorgung. Zwar konnte vom MR Hollabrunn-Horn die benötigte Menge zu einem frühen Zeitpunkt gesichert werden und ist preislich in Ordnung. Aber diese Menge ist für die bestehenden Kunden reserviert.

ASL-Dünger ist verfügbar

Erfreulich ist, dass soeben der ASL-Dünger der Fa. Nufarm zugelassen wurde. Wir bekommen jetzt große Mengen davon (ca. 1.600 t). Bei ASL ist aber wie bereits vorher erwähnt mit deutlich höheren Kosten der Ausbringung und Logistik zu rechnen.

Interessierte können sich aber trotzdem gerne melden für die Saison 2023. Ab Juni 2022 wird Dünger dafür ein­gelagert. Aber auch die Maschinen zur Ausbringung sind derzeit nicht zu bekommen. Unter einem Jahr Lieferzeit ist kein Gerät erhältlich beim führenden Hersteller Duport.

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