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topplus Tierhaltung "Plus"

Plus fürs Tierwohl, nur nicht fürs Konto

Das freiwillige Gütesiegel „Tierhaltung Plus“ von der AMA soll den Molkereien den Zugang zum deutschen Markt sichern. Die Bauern bekommen mehr Auflagen und Bürokratie ohne Entgelt.

Lesezeit: 6 Minuten

Unsere Autorin: Susanna Derler

Hitzige Debatten lieferten sich rund 600 Milchbauern in Neukirchen an der Vöckla, bei einer Infoveranstaltung der Agrargemeinschaft Österreich (AGÖ) zum neuen AMA-Gütesiegel „Tierhaltung Plus“. Dabei waren AMA-, Molkereien- und Landwirtschaftskammervertreter. Der Maßnahmenkatalog für das neue „Tierhaltung Plus“-Gütesiegel wurde erst vor Kurzem an die Lieferanten ausgeschickt (siehe Infografik - Modul Tierhalntug'Plus').

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Dazu gab es von Berglandmilch und MGN bereits eine Anpassung der Produktionsrichtlinien. Verträge für die Bauern. Von Freiwilligkeit kann keine Rede sein. Unterschreiben oder nicht mehr abliefern, heißt es da. Was die Landwirte besonders ärgert: Es gibt keine Abgeltung für den Aufwand. Offen Kritik üben, will aber kaum ein Bauer, weil Repressalien durch die Molkereien befürchtet werden. Grund für das Gütesiegel sind die deutschen Haltungskennzeichnungen. Diese reichen von 1 Anbindehaltung bis 5 Biohaltung. Ohne Klassifizierung hätte der Handel die österreichische Milch aussortiert. 

Schnell gelesen

Das Gütesiegel sichert die Export­möglichkeit nach Deutschland. So sind österreichische Betriebe gleichauf mit ­der deutschen Kennzeichnung.
Die Molkereien beginnen ­„Tier­haltung Plus“ ihren Lieferanten vor­zuschreiben, denen bleibt kaum eine ­andere Wahl.
Viele Bauern fordern eine faire Ab­geltung der Mehrleistungen.

Die Vorbereitungen für das AMA-Gütesiegel liefen gut zwei Jahre. Erst im Dezember kam es zu einer Einigung und „Tierhaltung Plus“ ist im deutschen Initiative Tierwohl System (ITS) als Tierhaltungsstufe 2 anerkannt. Die Molkereien sehen darin einen großen Wurf, immerhin geht jeder vierte Liter Milch nach Deutschland und dort wird dies Liefervoraussetzung.

Welche Molkereien „Tierhaltung Plus“ verlangen, kann Johann Költ­ringer, Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Molkereien (VÖM) nicht sagen: „Ich gehe davon aus, ­dass die Richtlinien von ,Tierhaltung Plus‘ in Österreich Großteils Standard wer­den. Einige Betriebe überlegen noch, wann sie diese von ihren Lieferanten fordern, andere haben dies bereits getan“.

Landwirte kritisieren, dass sie vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Neben den neuen Auflagen ist es vor allem die fehlende Abgeltung für den Mehraufwand, die für Aufregung sorgt. AGÖ-GF Johann Konrad nannte als realistische Forderung 5 Ct/kg. Immerhin würden die Bauern auch mehr leisten.

Wie sehen nun die zusätzlichen Auflagen in „Tierhaltung Plus“ aus?

Mehr Kontrollen

In Laufställen mit Liegeboxen braucht es künftig mindestens eine Liegebox pro Tier. In der Kombinationshaltung braucht es mindestens 120 Tage pro Jahr à zwei Stunden Bewegungsmöglichkeiten. Die Bewegungsfläche pro GVE hat mindestens 4,5 m² zu betragen und muss eine mindestens 16 m² große zusammenhängende Fläche sein.

Ein weiterer Punkt ist die verpflichtende Teilnahme am Tiergesundheitsdienst und am Programm „erweitertes Tiergesundheits-Monitoring“. Die Antibiotikaeinsatzmenge sowie Daten der Schlachttier- und Fleischuntersuchung werden überprüft und gesammelt. Hier regt sich Kritik von Tierärzten, die eine Datenschutzverletzung sehen.

Eine Kratzbürste pro 60 Tiere

Im Laufstall und bei Kombinationshaltung im Auslauf oder auf der Bewegungsfläche muss pro 60 Tiere eine Scheuerkratzbürste vorhanden sein.  Auf der Weide und auf Almen ist dies nicht erforderlich.

Das Gütesiegel verbietet den Einsatz von Futtermitteln, welche Palmöl beinhalten und jene, die nicht aus entwaldungsfreiem Anbau sind. Auch bei der Eutergesundheit wird beim Gütesiegel genauer hingeschaut. Der Mittelwert der Zellzahl in der Anlieferungsmilch im 3-Monatsdurchschnitt wird berechnet und soll 200.000 Zellen/ml nicht überschreiten. Bei erhöhtem Gehalt der Zellzahl muss ein Tierarzt konsultiert werden. Bei Betrieben, die bereits am Zusatz-Modul Qplus-Kuh teilnehmen, wird das Monitoring dort übernommen. Es wird auch zusätzliche Kontrollen geben, die mindestens einmal jährlich pro Betrieb stattfinden. Die Kosten dafür werden vorläufig über den Fördertopf der ländlichen Entwicklung zu 80 % refundiert.

„Wir haben schon bisher mit höchsten Standards produziert und setzen die Wünsche der Konsumenten um, nur braucht es eine faire Abgeltung dafür.“
Landwirtin Martina Mittermayr

Tierhaltung Plus Außenklima

Die nächsthöhere Stufe „Tierhaltung Plus Außenklima“ entspricht der deutschen Haltungsstufe 3. Die Haltung der Kühe erfolgt im Laufstall mit mindestens 120 Tagen (6 Stunden pro Tag) pro Jahr oder im Laufstall mit ganzjährig nutzbarem Laufhof (mindestens 3 m² pro Tier) oder in einem Offenfrontstall, bei dem mindestens 25 % der Außenhülle permanent geöffnet sind.

Angebrachte Curtains sind erlaubt. Es muss jedoch dokumentiert werden, wenn diese geschlossen sind. Als Ausnahmen gelten starker Wind, Frost, Sonneneinstrahlung, Schneegestöber und Regen.

Faire Abgeltung gefordert

Martina Mittermayr, Milchviehhalterin aus Andorf im Bezirk Schärding, hat Bedenken gegenüber dem neuen Qualitätssiegel. „Es darf nicht mehr passieren, dass so weitreichende Entscheidungen ohne die Bauern getroffen werden. Wir haben schon bisher mit höchsten Standards produziert und setzen die Wünsche der Konsumenten beim Tierwohl um, nur braucht es eine faire Abgeltung dafür“, erklärt die Landwirtin.

So sehen es viele ihrer Berufskollegen. Doch kaum jemand traut sich, offen Kritik zu üben. „Tierwohl geht mit Investitionen einher. Bei stetig steigenden Betriebskosten und keinerlei Mehrerlösen steht die Frage nach dem Weiterbestehen unseres Betriebes im Raum“, erklärt ein Landwirt (Name der Redaktion bekannt, Anm.).

Er habe keine Wahl, außer die Anforderungen der Molkerei zu erfüllen, weil keine Möglichkeit bestehe, an jemand anderen zu liefern. „Wir erfüllen die Erfordernisse für „Tierhaltung Plus“ durch kleinere Adjustierungen, aber was kommt als Nächstes? Es kann nicht immer nur gefordert und nichts bezahlt werden“, sagt der Bauer. Von der Molkerei hätte er sich eine bessere Kommunikation erwartet. „Die Herangehensweise war nicht sehr wertschätzend“, meint der Landwirt.

„Wenn wir einen Vertrag mit mehr Auflagen und Bürokratie ertragen müssen, können wir das nicht gratis machen, wo sonst gibt es das in der Gesellschaft? Auch für die Landwirte ist alles teurer geworden“, erklärt AGÖ-Obmann Hans Konrad. Die meisten Landwirte hätten zwar schon unterschrieben, „aber wir wollen weiterhin Druck machen, dass für die Bauern mehr übrig bleibt“, meint Konrad.

Maßnahme ist alternativlos

Doch laut unseren Recherchen würde kaum ein Milchbauer für „Tierhaltung Plus“ mehr Geld erhalten. „Die Milchgenossenschaft Niederösterreich (MGN) wird die Umsetzung des Programms mit 1. April 2024 starten“, sagt Leopold Gruber-Doberer, Geschäftsführer der MGN. „Es geht letztendlich um die Aufrechterhaltung der Exportmöglichkeiten nach Deutschland.

Und auf diesen wichtigen Markt wird langfristig kein Milchverarbeitungsunternehmen verzichten können“, sagt Gruber-Doberer. Für die Bauern hat die Molkerei mit 1. Juli 2022 einen Tierwohlbonus eingeführt, „wobei es für die jeweilige Haltungsform einen Zuschlag in unterschiedlicher Höhe gibt.“ Neue Zuschläge sind nicht geplant.

Die Berglandmilch hat alle ihre Milchbauern im Dezember über die Neuerung informiert. „Die entsprechenden Richtlinien wurden in unsere Lieferordnung aufgenommen. Im Laufe des Jahres 2024 soll alles umgesetzt sein“, erklärt eine Sprecherin. „Tierhaltung Plus“ sei die neue Premiummilch-Basis und „ist im aktuellen Milchpreis abgebildet“, heißt es.

Die Salzburg Milch prüft aktuell die Verwendung der neuen AMA-Gütesiegel für Produkte in Österreich. „Durch die seit sieben Jahren laufende SalzburgMilch Tiergesundheitsinitiative mit beinahe identen Kriterien ist der Mehraufwand bereits in die Gestaltung des Milchpreises eingeflossen. Zudem bezahlen wir seit Jahren einen Tier­wohl­zuschlag für unser Projekt ,365 Tage Freilauf Milch‘“, sagt Salzburg Milch-Geschäftsführer Andreas Gasteiger.

Die Kritik vonseiten der Bauern und Tierärzten kennt auch Költringer von der VÖM: „Mit zunehmender Information werden sich diese Vorbehalte auflösen. Natürlich müssen solche Qualitätssysteme überprüft werden und auf eine Datengrundlage zugreifen können, sonst hat es keinen Sinn.“

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