Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

topplus Studie

Welche Strategien verfolgen Landwirte als Unternehmer – und warum?

Neue Standbeine aufbauen oder beim Bewährten bleiben? Den Hof breiter aufstellen oder wachsen? Eine Umfrage gibt Einblicke, welche Faktoren die unternehmerische Aktivität von Landwirten beeinflussen.

Lesezeit: 6 Minuten

Hoher Wettbewerbsdruck, liberalisierte Agrarmärkte und veränderte gesellschaftliche Anforderungen: Die Landwirtschaft ist im Umbruch, viele Betriebe sind im Schwebezustand und es herrscht Planungsunsicherheit.Sind die aktuellen Entwicklungen nun eher als Risiko oder als Chance zu sehen? Für die Landwirtschaft bergen sie zunächst einmal die Gefahr zusätzlicher wirtschaftlicher Belastungen, welche nicht direkt über den Markt vergütet werden.

Dennoch gibt es Gestaltungsspielraum und das gesellschaftliche Interesse bietet Potential für neue Geschäftsideen und -modelle. Welche über die klassische landwirtschaftliche Produktion hinausgehenden Aktivitäten haben Landwirte bereits auf ihren Betrieben etabliert? Und welche Faktoren beeinflussen die unternehmerische Aktivität von Landwirten? Das zeigt eine Umfrage der Universität Göttingen und der FH Südwestfalen in Soest. top agrar sprach mit Dr. Viktoria Graskemper über ausgewählte Ergebnisse im Interview.

Das Wichtigste zum Thema Perspektiven dienstags, alle 14 Tage per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Hintergrund der Umfrage

Um die unternehmerische Aktivität deutscher Landwirte zu untersuchen, befragten Dr. Viktoria Graskemper und Prof. Jan-Henning Feil im Winter 2018/19 im Rahmen einer breit angelegten Studie deutschlandweit über 800 landwirtschaftliche Betriebsleiter und Hofnachfolger, die bereits aktiv in die Leitung und Entwicklung des Betriebs involviert sind. Dementsprechend liegt das Durchschnittsalter der Teilnehmer bei 38 Jahren. Lediglich 15 % der Teilnehmer sind in der Altersgruppe 55 Jahre und älter. Die durchschnittliche Flächenausstattung liegt bei knapp 320 ha, wobei 36 % der Betriebe eine Flächenausstattung unter 100ha haben und die Hälfte in der Größenklasse 100-500 ha liegen. 12 % der Betriebsleiter geben an eine Fläche von über 500 ha zu bewirtschaften, 8 % sogar über 1000 ha.

BETRIEBLICHE STRATEGIEN

top agrar: Gilt das „wachsen oder weichen“ für Betriebe heute noch? Falls nicht, welche alternativen Strategien verfolgen Landwirte – auf Basis der Umfrage – dann?

Dr. Viktoria Graskemper: Die Ausweitung klassischer landwirtschaftlicher Produktion bietet längst nicht mehr allen eine Zukunftsperspektive. Die Wachstumsstrategie gibt es natürlich aber immer noch und für viele Betriebe macht das auch durchaus Sinn. Vor allem aber Betriebe, die in der Nähe von Ballungs- oder Tourismusgebieten liegen, haben häufig nicht die Möglichkeit, im klassischen Sinne landwirtschaftlich zu wachsen und greifen eher auf alternative Strategien zurück.

Meist spricht man hier von Diversifikation, also die Aufnahme neuer Aktivitäten, die meist auf bestehenden Ressourcen und Betriebszweigen aufbauen. Das können zum Beispiel der Anbau besonderer Kulturen oder die Herstellung und Vermarktung eigener Produkte zur Steigerung der Wertschöpfung sein. Häufig bestehen verschiedene Aktivitäten, auch nicht-landwirtschaftliche, nebeneinander (Pluriaktivität). Politisch und gesellschaftlich gefordert wird immer mehr auch die sogenannte Multifunktionalität von Landwirtschaft, was schließlich bedeutet, dass Landwirte neben der Primärproduktion auch Funktionen für Umwelt und Gesellschaft sowie für den ländlichen Raum übernehmen.

PERSÖNLICHE FAKTOREN UND BILDUNGSWEGE

Welche Ergebnisse der Umfrage stechen besonders hervor?

Graskemper: Es fällt auf, dass die persönlichen Faktoren von hoher Bedeutung für die Betriebsentwicklung sind. Je kreativer und risikofreudiger ein Landwirt ist, desto eher neigt er zur Diversifikation.

Je kreativer und risikofreudiger ein Landwirt ist, desto eher neigt er zur Diversifikation. - Dr. Viktoria Graskemper

Ein Hochschulabschluss senkt die Wahrscheinlichkeit für Wachstum. Tendenzen sind hier erkennbar hin zur Diversifikation und zur Reduktion der Betriebskomplexität. Erst hat mich das überrascht. Aber wenn man bedenkt, dass Akademiker bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben und eine Beschäftigung außerhalb des Betriebs häufig dazu führt, dass Betriebe im Nebenerwerb geführt werden, macht das wieder Sinn. Auch dass ein Job außerhalb des Betriebs eine Reduktion der Bewirtschaftungsfläche oder der Betriebskomplexität begünstigt, passt ins Bild.

FAMILIE WICHTIGER FAKTOR

Schauen wir auf das persönliche Umfeld von Landwirten als Einflussfaktor. Was beeinflusst dort das unternehmerische Handeln?

Graskemper: Die Einstellung und Einbindung der Familie ist tatsächlich mitentscheidend. Je mehr Angehörige mitarbeiten, desto positiver wirkt sich das auf die Fortführung und -entwicklung des Betriebs aus. Vor allem die Mitwirkung des Partners oder der Partnerin zeigt unterstützende Wirkung für alle Strategien, vor allem für eine Kombination aus Wachstum und Diversifikation. Da nur 10% der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland von Frauen geführt werden, sind die Partner oder Partnerinnen überwiegend weiblich. Den Frauen wird in vorhergehenden Studien die Rolle zugeschrieben, verstärkt neue Denkweisen und Aktivitäten im Betrieb zu etablieren.

NEUE IDEEN UND BETRIEBSZWEIGE

Wie sieht es mit neuen Ideen und Betriebszweigen auf den Höfenaus? Zu welchen Aktivitäten neigen Landwirte?

Graskemper: Ich habe verschiedene Aktivitäten abgefragt, die von der klassischen Landwirtschaft abweichen. Der Klassiker sind die erneuerbaren Energien, was zu erwarten war, da dieser Bereich stark subventioniert wurde. Andere Aktivitäten erfordern meist eine höhere Risikobereitschaft und Kreativität. Daher werden die erneuerbaren Energien von nachfolgenden Betrachtungen ausgeschlossen, aufgrund ihrer hohen Bedeutung aber mit aufgeführt.

An zweiter Stelle folgen Lohndienstleistungen. Als kreativere Einkommensquellen folgen dann die alternativen Vermarktungs- und Vertriebswege, etwa Hofläden. Die Geschäftsmöglichkeiten der alternativen Vermarktungs- und Vertriebswege sowie der Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte werden vor allem von tierhaltendenden Betrieben wahrgenommen. Genauso wie Aktivitäten im Tourismusbereich.

Zum Bereich der solidarischen, sozialen oder pädagogischen Aktivitäten zählen beispielsweise solidarische Landwirtschaft, Bauernhofkindergärten oder die Arbeit mit Menschen mit Behinderung. Betriebe mit struktureller Diversifikation liegen etwas öfter nahe eines Tourismus- oder Ballungsgebietes.

Was sind laut Umfrage die Beweggründe für die Aufnahme der genannten Diversifikationsstrategien, z. B. Vermarktung oder Dienstleistungen?

Graskemper: Betrachtet man die Motive für die Aufnahme der Aktivitäten, erneuerbare Energien dabei ausgenommen, so scheint den Landwirten generell das größte Anliegen die Sicherung des Einkommens und der Fortbestand des Betriebs zu sein. Viele möchten auch vorhandene Ressourcen besser nutzen. Direkt hierauf folgen Ziele der unternehmerischen Entfaltung. Als weniger wichtig gelten familiäre Anstöße zur Umstrukturierung im Rahmen eines Generationswechsels oder zur Beschäftigung weiterer Familienmitglieder.

MÖGLICHE HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR LANDWIRTE

  • Die Produktion von Gemeinwohlleistungen sollte neben klassischer Nahrungsmittelproduktion als Geschäftsmodell begriffen und genutzt werden. Dabei ist auch die Nutzung digitaler Medien zum (Selbst-)Marketing förderlich.
  • Sich der strategischen und unternehmerischen Entscheidungen bewusst machen
  • Sich seiner inneren Antriebe und Motivationen bewusst werden
  • Eine Entwicklung neuer Geschäftsideen sollte, je nach betrieblichen Umständen, dem Ausbau konventioneller Betriebszweige vorgezogen werden.
  • Berücksichtigung der Wünsche der Familie und Einbeziehung von Familienmitgliedern in das Unternehmen
  • Aufgeschlossener Austausch mit Akteuren innerhalb und außerhalb des Sektors
  • Regelmäßige Reflektionen und Auswertungen

Alle Empfehlungen und Schlussfolgerungen gelten lediglich auf Basis der Umfrage.

Umfrage: Startup-Gründungen von Landwirten

Neben der unternehmerischen Entwicklung eines Betriebs entscheiden sich einige Landwirte für die Gründung eines eigenen Startup-Unternehmens oder interessieren sich dafür. Aufbauend auf die vorliegende Umfrage untersucht eine Forschungsarbeit an der FH Südwestfalen, wie es in der Startup-Landschaft der Agrarbranche aussieht. Wo liegen die Stärken und Schwächen im Ökosystem? Was muss sich verändern, um das Gründungsgeschehen voranzutreiben? Ziel ist es, Verbesserungspotenziale für die Politik und den gesamten Sektor aufzuzeigen. Die Doktorandin Sibylle Gerlach sucht dazu nach Startup-Gründern aus der Agrar- und Ernährungsbranche. Dabei muss das Startup noch nicht zwingend offiziell gegründet sein.

Hier geht es zur Umfrage: Startups in der Landwirtschaft

Mehr zu dem Thema

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.