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topplus Saat per Drohne

Aufforstung aus der Luft

Der Zustand des deutschen Waldes ist besorgniserregend und erfordert ein schnelles Handeln. Die Drohnen des Start-ups „Skyseed“ sollen Abhilfe schaffen und eine effizientere Aufforstung ermöglichen.

Lesezeit: 7 Minuten

Langsam rieseln die Saatgutpellets aus 70 m Höhe hinunter. Unten am Waldboden ist nur das leise Surren der Drohne zu hören. „Bitte alle stehen bleiben“, sagt Markus Patas, Pilot des 25 kg schweren Fluggerätes, das über den Baumkronen schwebt.

Er ist nicht nur Drohnenpilot, sondern auch Mitinitiator des Start-ups „Skyseed“, das mit seinen Drohnen eine schnelle und effektive Form der Wiederaufforstung im Kampf gegen den Klimawandel anbieten will. Per Computer, GPS-Karten und Fernglas verfolgt das Team den Drohnenflug. Das Ergebnis: Der Abwurfmechanismus funktioniert, die Pellets rieseln zielgenau auf die teilweise geräumte Fläche.

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„Während die Aufforstung eines Hektars Wald vom Boden aus Tage dauern kann, braucht unsere Drohne für einen Hektar weniger als 30 Minuten. Damit sind problemlos zehn bis 15 Hektar pro Tag möglich“, sagt Skyseed-Mitgründer Simon Wind, während die Drohne nach vier Minuten vorsichtig zu Boden fliegt.

Säen statt Pflanzen

Dass es um den deutschen Wald nicht gut steht, ist in den meisten Regionen mit bloßem Auge erkennbar. Diese Beobachtung unterstreicht nicht zuletzt der Waldzustandsbericht aus dem Jahr 2021. Nur jeder fünfte Baum in Deutschland gilt demnach noch als gesund. Die Fläche, die wieder aufgeforstet werden muss, beträgt 277.000 ha –eine Fläche etwas größer als das Saarland.Nahezu alle Hauptbaumarten weisen Vitalitätseinbußen und Schadsymptome auf. Vier von fünf Bäumen haben lichte Kronen. Selbst das vergleichsweise kühle und feuchte Wetter konnte den Borkenkäfer und die Klimafolgeschäden in diesem Jahr nicht eindämmen.

Für die Waldbesitzer sind das keine guten Nachrichten. Einer von ihnen ist Lucas von Fürstenberg. Er stellt dem Start-up heute seine Waldflächen in Brabecke im Sauerland zur Verfügung. Von den insgesamt 1.700 ha seines Forstbetriebs sind etwa 150 dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen – ein enormer wirtschaftlicher Schaden.

„Außergewöhnliche Situationen erfordern entsprechende Maßnahmen“, sagt der Waldbesitzer. „Wir haben weder beim Umbau noch bei der Sicherung von Schadflächen Zeit zu verlieren.“Die Saat per Drohne ist für ihn nicht die Lösung aller Probleme, könnte aber neue Möglichkeiten eröffnen. Denn Wiederaufforstungen und der Umbau des Waldes hin zu naturnahen Mischbeständen sind für ihn enorm wichtig, aber in der Masse oft schwer oder nur mit hohem Aufwand realisierbar. Skyseed will genau hier Abhilfe schaffen und sich mit dem Einsatz der Drohne insbesondere auf großen Flächen, an Steilhängen oder zur Untersaat im lichten Bestand etablieren.

Wie erfolgreich die Aussaat aus der Luft tatsächlich funktioniert, darüber können die Gründer zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussage treffen. „Nach Auswertung der Ergebnisse können wir entscheiden, ob eine Nachsaat oder Nachpflanzung nötig wird“, sagt Ole Seidenberg, Mitgründer und Geschäftsführer des jungen Unternehmens. Das Team befindet sich derzeit in der Pilotphase und testet, wie gut Aussaat, Auflauf und technische Abläufe funktionieren. Vor dem heutigen Testlauf hatten die Gründer das Gelände bereits zu Fuß und per Drohne untersucht. So konnten die Kartierungsgrenzen per GPS erfasst werden, die als Grundlage für die daraus erstellte Flugroute der Drohne dienen.

Ambitionierte Ziele

Entgegen vieler Vermutungen stammen Seidenberg und seine beiden Mitgründer Simon und Dominik Wind nicht aus der Forstwirtschaft. Sie waren zuvor in den Bereichen Klimaschutz und Technologie tätig. Da ihr Geschäftsmodell verschiedene Kompetenzen, auch aus Bereichen wie Bodenkunde, Saatgut, Forst, Drohnen, Machine Learning und Mechatronik erfordert und es einige rechtliche Nüsse zu knacken gab, hat Skyseed mittlerweile 13 Mitarbeiter aus unterschiedlichen Fachbereichen an Bord. Seit Gründung im Januar 2021 verbrachte das Team die meiste Zeit damit, die technischen Abläufe im Hintergrund zu entwickeln.

Bevor es mit der Drohne an den Markt geht, heißt es: Testen, was das Zeug hält. In diesem Winter und im kommenden Frühjahr soll die Pilotphase auf insgesamt 50 ha Fläche fortgesetzt werden. Derzeit nutzt Skyseed drei Drohnen des US-amerikanischen Unternehmens Freefly Systems als Basis. Dort sind Drohnen zur Aufforstung bereits in größerem Stil im Einsatz. Sie gilt laut Gründern als „die härteste Drohne der Welt“, hat eine Spannweite von 2,2 m und kann bis zu 12 kg Pellets ausbringen, was in den meisten Fällen für 1 ha Waldfläche ausreicht. Mit einer Akkuladung kann das Fluggerät rund 25 Minuten fliegen. Für diese Leistung greifen die Gründer zunächst aber tief in die Tasche: Das Fluggerät kommt mit Anschaffungs- und Anpassungskosten von insgesamt etwa 30.000 € daher. Den Abwurfmechanismus hat das Team in Eigenregie entwickelt.

Günstiger als herkömmliche Aufforstung?

„Wir planen, im Laufe dieses Jahres an den Markt zu gehen“, sagt Ole Seidenberg. Derzeit bietet das Start-up vergünstigte Preise für seine Pilotkunden an. Langfristig will das Team die Aufforstung als Dienstleistung anbieten und den Preis für eine vergleichbare Aufforstung um etwa 30 % unterbieten. In der Regel kostet ein aufgeforsteter Hektar durch Skyseed zwischen 2.000 und 6.000 €. Im Preis enthalten sei unter anderem die Beratung, bei der sich Mitarbeiter des Start-ups den Wald vor Ort anschauen und gemeinsam mit dem Kunden entscheiden, welches Saatgut sich für den Aufbau eines Mischwaldes eignen würde.

Kritiker der Methode müssen sich noch etwas gedulden. Bislang gibt es noch keine validierten Aussagen zum Feldaufgang des Saatguts. Die Keimfähigkeit der Samen hat man bisher nur im Labor untersucht. Erste Ergebnisse zum Auflauf sollen in wenigen Monaten folgen.Darüber hinaus unterscheidet die Drohne bei der Aussaat nicht zwischen den Bodenverhältnissen oder dem Anteil an Totholz. Wie viele der Samen tatsächlich in den Mineralboden gelangen und aufgehen und wie hoch die Verlustrate ist, bleibt also noch abzuwarten.

Bislang hat das Unternehmen mit eigenem Kapital im mittleren sechsstelligen Bereich gewirtschaftet, das ihm durch eine Reihe an Investoren zur Verfügung gestellt wurde. Nun, etwa ein Jahr später, sammelt Skyseed in einer weiteren Finanzierungsrunde weiteres Geld ein, um sein System weiterzuentwickeln und Verbesserungen hinsichtlich Reichweite, Tragkraft und Akkulaufzeit vornehmen zu können. Künftig will das Start-up etwa bessere Voranalysen der zu befliegenden Flächen vornehmen, Hindernisse aussparen und den Anschluss zum Mineralboden gezielt erleichtern.

Kunden können Flächen auf einem Sattelitenbild markieren und die Menge, Baumart, die Stelle und die Saatform, zum Beispiel horstweise oder durchmischt, angeben." - Ole Seidenberg

Skyseed denkt in großen Maßstäben: „Unsere Zielgruppe sind Waldbesitzer mit großen Flächen – je größer das Gebiet bei einem Einsatz, desto höher die Zeit- und Kostenersparnisse“, sagt Mitgründer Seidenberg. Auch Einsätze in schwerer zugänglichen Gebieten wie Steillagen oder alpinen Bereichen sind denkbar, genauso wie Auenwälder und Feuchtgebiete. „Kunden können im Vorfeld Flächen auf einem Sattelitenbild markieren und die Menge, gewünschte Baumart und die Stelle sowie die Saatform, also beispielsweise horstweise oder durchmischt, angeben“, sagt der 38-Jährige.

Pelletierung selbst entwickelt

Skyseed ummantelt das Saatgut mit einer organischen Schicht, die die Nährstoffverfügbarkeit und Wasserspeicherfähigkeit erhöhen soll. Die Pelletierung haben die Biologen Katrin Staab und Johannes Miczajka aus dem Skyseed-Team entwickelt. So kann das Unternehmen die Ausbringung von z. B. Birke, Erle, Eicheln und Bucheckern realisieren und bis auf Kastanien alle Baumarten aussäen.

Über das selbst entwickelte Abwurfmodul kann die Drohne auch großkörniges Saatgut ausbringen. „Saatgut ist aktuell Mangelware, die Preise sind hoch“, sagt Katrin Staab. Das Team hat Kontakte zu Forst-Saatgutproduzenten in Deutschland aufgebaut, die über zertifizierte Flächen verfügen und so die Versorgung sicherstellen.

Drohne als Allheilmittel?

Auch für Skyseed gilt: Aufforstung ohne Bejagung und Zäunung ist schwierig, und Ausfälle durch Wild sind wahrscheinlich. - Auszug

„Es kann sein, dass Mäuse oder Schnecken Samen fressen, aber unsere Pelletentwicklung soll das weitestgehend ausschließen“, so Staab. In späteren Aufwuchsstadien gilt für Skyseed: Eine Aufforstung ohne Bejagung und Zäunung ist schwierig, und Ausfälle durch Wild sind wahrscheinlich. Trotz der überwiegend problemlosen Pilotversuche bleibt Vorsicht beim Einsatz der Drohne in der Luft oberstes Gebot, um Unfälle zu vermeiden. Der Anwendungsfall der Drohnen-Saat war auch für die Behörden Neuland, denn bisher wirft sonst kaum ein Drohnen-Pilot etwas ab.

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