Langsam rieseln die Saatgutpellets aus 70 m Höhe auf den Waldboden. Unten am Boden ist nur das leise Surren der Drohne zu hören. „Bitte alle stehen bleiben“, sagt Markus Patas, Pilot des 25 kg schweren Fluggerätes, das über den Baumkronen schwebt.
Er ist nicht nur Drohnenpilot, sondern auch Mitinitiator des Start-ups „Skyseed“, das mit seinen Drohnen eine schnelle und effektive Form der Wiederaufforstung im Kampf gegen den Klimawandel anbieten will. Per Computer, GPS und Fernglas verfolgt das Team den Flug genau. Das Ergebnis: Der Auswurfmechanismus funktioniert, die Pellets rieseln zielgenau auf die teilweise geräumte Fläche.
„Während die Aufforstung eines Hektars Wald vom Boden aus Tage dauern kann, schafft unsere Drohne einen Hektar in unter 30 Minuten. Damit sind pro Tag problemlos zehn bis 15 Hektar möglich“, sagt Mitgründer Simon Wind, während die Drohne nach vier Minuten vorsichtig zu Boden fliegt.
SÄEN STATT PFLANZEN
Dass es dem deutschen Wald nicht gut geht, ist in den meisten Regionen mit bloßem Auge ersichtlich. Ähnliches hat auch der Waldzustandsbericht 2021 offenbart. In Deutschland gibt es rund 277.000 ha Schadfläche. Selbst das vergleichsweise kühle und feuchte Wetter konnte den Borkenkäfer und die Klimafolgeschäden nicht eindämmen. Für die Waldbesitzer keine guten Nachrichten. Auch der Forstbetrieb von Lucas von Fürstenberg aus Brabecke im Sauerland, auf dem Skyseed heute seine Drohne testet, ist betroffen. Von den 1.700 ha des Gesamtbetriebes sind etwa 150 dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen.
„Außergewöhnliche Situationen erfordern entsprechende Maßnahmen“, sagt Waldbesitzer von Fürstenberg, während die Drohne nach vier Minuten langsam auf dem Boden landet. „Wir haben weder beim Umbau, noch bei der Sicherung von Schadflächen Zeit zu verlieren. Die Saat per Drohne kann sicher nicht alle Probleme lösen, aber sie eröffnet neue Möglichkeiten, insbesondere bei großen Flächen, Steilhängen oder zur Untersaat im lichten Bestand.“ Wiederaufforstungen und der Umbau hin zu naturnahen Mischwäldern sind für ihn enorm wichtig, aber in der Masse oft schwer realisierbar.
„Nach Auswertung der Ergebnisse können wir entscheiden, ob eine Nachsaat oder Nachpflanzung nötig wird“, erklärt Mitgründer und Geschäftsführer Ole Seidenberg. Skyseed befindet sich in der Pilotphase und testet derzeit, wie gut Aussaat, Auflauf und technische Abläufe funktionieren. Vor der Aussaat hatte das Team das Gelände bereits zu Fuß und per Drohne untersucht, um die Kartierungsgrenzen per GPS zu erfassen, woraus die Flugroute für die Drohne erstellt wurde.
AMBITIONIERTE ZIELE
Seidenberg und seine Mitgründer Simon und Dominik Wind stammen nicht aus der Forstwirtschaft, sondern haben bisher in den Themenfeldern Technologie und Klimaschutz gearbeitet. Da ihr Vorhaben Kompetenzen u. a. aus den Bereichen Bodenkunde, Saatgut, Forst, Drohnen, Machine Learning und Mechatronik braucht und es einige juristische Nüsse zu knacken gab, hat Skyseed mittlerweile 13 Mitarbeiter an Bord. Seit Gründung im Januar 2021 verbrachte das Team die meiste Zeit damit, die technischen Abläufe im Hintergrund zu entwickeln.
Bevor es mit der Drohne an den Markt geht, heißt es: Testen, was das Zeug hält. Wie schon im vergangenen Herbst soll auch im kommenden Frühjahr die Pilotphase auf rund 50 ha Fläche fortgesetzt werden. Derzeit nutzt Skyseed drei Alta X Drohnen von Freefly Systems als Basis. Sie gilt als „die härteste Drohne der Welt“, hat eine Spannweite von 2,2 m und kann bis zu 12 kg Pellets ausbringen, was in den meisten Fällen für 1 ha reicht. Mit einer Akkuladung kann sie rund 25 Minuten fliegen. Mit rund 30.000 € Anschaffungs- und Anpassungskosten hat das vollausgestattete Fluggerät allerdings auch seinen Preis. Die technische Basis hat das Team nicht selbst entwickelt. Das Gerät stammt aus den USA, wo Drohnen bereits in größerem Stil zur Aufforstung im Einsatz sind.
PILOTPHASE LÄUFT WEITER
„Wir planen 2022 an den Markt zu gehen“, sagt Seidenberg. Derzeit bietet das Start-up vergünstigte Preise für seine Pilotkunden an. Langfristig will das Team die Aufforstung als Dienstleistung anbieten, und damit den Preis für eine vergleichbare Aufforstung um etwa 30 % unterbieten.
Kritiker der Methode müssen sich noch etwas gedulden. Bislang gibt es noch keine validierten Aussagen zum Feldaufgang des Saatguts. Die Keimfähigkeit der Samen hat man bisher nur im Labor untersucht. Erste Ergebnisse zum Auflauf sollen dieses Jahr folgen. Auch unterscheidet die Drohne bei der Aussaat nicht zwischen den Bodenverhältnissen oder dem Anteil an Totholz. Wie viele der Samen tatsächlich in den Mineralboden gelangen und aufgehen, bleibt also noch abzuwarten.
Bislang hat das Unternehmen mit eigenem Kapital im mittleren sechsstelligen Bereich gewirtschaftet, das ihm durch eine Reihe an Investoren zur Verfügung gestellt wurde. Nach rund einem Jahr Aufbau-Arbeit sammelt Skyseed aktuell in einer weiteren Finanzierungsrunde Geld ein, um das System weiterzuentwickeln und Verbesserungen hinsichtlich Reichweite, Tragkraft und Akkulaufzeit vorzunehmen. Auch wird die digitale Voranalyse der zu befliegenden Flächen stetig verbessert, um Hindernisse, Brombeeren und mehr auszusparen und den Anschluss zum Mineralboden gezielt zu erleichtern.
Skyseed denkt in großen Maßstäben: „Unsere Zielgruppe sind Waldbesitzer mit großen Flächen – je größer das Gebiet bei einem Einsatz, desto größer die Zeit- und Kostenersparnisse“, sagt Mitgründer Seidenberg. Auch Einsätze in schwerer zugänglichen Gebieten wie Steillagen oder alpinen Bereichen ist denkbar, genauso wie Auenwälder und Feuchtgebiete. „Kunden können im Vorfeld Flächen auf einem Sattelitenbild markieren und die Menge, gewünschte Baumart und die Stelle sowie die Saatform, also beispielsweise horstweise oder durchmischt, angeben“, so der 38-Jährige.
PELLETIERUNG SELBST ENTWICKELT
Skyseed ummantelt das Saatgut mit einer organischen Schicht, die die Nährstoffverfügbarkeit und Wasserspeicherfähigkeit erhöhen soll. Die Pelletierung haben Katrin Staab und Johannes Miczajka entwickelt, die bei Skyseed für Ökologie und Pelletierung zuständig sind. So kann das Unternehmen die Ausbringung von z. B. Birke, Erle, Eicheln und Bucheckern realisieren und bis auf Kastanien alle Baumarten aussäen. Über das selbst entwickelte Abwurfmodul kann die Drohne auch großkörniges Saatgut ausbringen. „Saatgut ist aktuell Mangelware, die Preise sind hoch“, erklärt Katrin Staab. Das Team hat Kontakte zu Forst-Saatgutproduzenten in Deutschland aufgebaut, die über zertifizierte Flächen verfügen und so die Versorgung sicherstellen.
DROHNE ALS ALLHEILMITTEL?
„Es kann sein, dass Mäuse oder Schnecken Samen fressen, aber unsere Pelletentwicklung soll das weitestgehend ausschließen“, so Staab. In späteren Aufwuchsstadien gilt auch für Skyseed: Aufforstung ohne Bejagung und Zäunung ist schwierig, und Ausfälle durch Wild sind wahrscheinlich. Trotz der überwiegend problemlosen Pilotversuche bleibt Vorsicht beim Einsatz der Drohne in der Luft oberstes Gebot, um Unfälle zu vermeiden. Der Anwendungsfall der Drohnen-Saat war auch für die Behörden Neuland, denn bisher wirft sonst kaum ein Drohnen-Pilot etwas ab.
Im nächsten Schritt möchte Skyseed auch über Bestand und in Schwärmen fliegen, um größere Flächen wirtschaftlich bearbeiten zu können. Dabei wird deutlich, dass die bürokratischen Schritte einem einzigen Waldbesitzer kaum zumutbar sind, weshalb Skyseed sich um diese Belange vorab kümmert.