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ITW Rind: Bauern noch skeptisch

Die Initiative Tierwohl Rind ist gestartet. Die aktuelle Preissituation dämpft die Motivation für die Teilnahme. Das erste Fleisch soll im Laufe des Jahres in den Regalen liegen. Kann das klappen?

Lesezeit: 5 Minuten

Daniel Schulte will an der Initiative Tierwohl (ITW) Rind teilnehmen: „Ich nehme den Zuschlag gerne mit, weil es für mich kein großer Mehraufwand ist. Wenn der Handel irgendwann nur noch Haltungsform 2 will, muss ich mir darüber schon mal keine Sorgen machen“, erklärt er.

Zum 1. April ist das Programm für die Rinderhalter an den Start gegangen. Ziel ist, das Tierwohl in der Rinderhaltung weiterzuentwickeln und das Fleisch besser am Markt platzieren zu können (s. top agrar-Ausgabe 4/2022, Seite R 10). Seit dem 1. April laufen die Zertifizierungen von interessierten Mästern.

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4 ct/kg für Kühe lohnt nicht

Familie Schulte aus Lippstadt (Nordrhein-Westfalen) baute vor neun Jahren einen neuen Stall für rund 160 Bullen auf Spalten. Pro Jahr vermarktet der 34-Jährige etwa 200 Tiere. „Ich kann das vorgegebene Platzangebot von 3 m²/Endmastbulle einhalten, ohne ein Tier aus der Bucht nehmen zu müssen“, erklärt er. Für die Teilnahme muss er nur Scheuermöglichkeiten anbringen. „Ich habe mich für Riffelbleche entschieden und dafür rund 500 € investiert“, erklärt der Mäster. Aufwendig war es, abzuklären, welches Scheuermaterial erlaubt ist und wie es in der Bucht platziert werden muss. Das stört Schulte aber nicht. „Tierwohl gewinnt immer mehr an Bedeutung. Mit der ITW Rind kann ich meinen Betrieb dahingehend besser aufstellen.“ Zusätzlich zur Bullenmast hält er noch 30 Milchkühe in Kombinationshaltung. Die Kühe will er nicht als ITW-Tiere vermarkten. „Wir verkaufen vielleicht zwei Tiere im Jahr“, sagt er. „Für die vier Cent Zuschlag lohnt sich der Dokumentationsaufwand für mich nicht.“

Kein Interesse

Eine ähnliche Meinung vertritt Franz-Josef Graf aus Niederbayern für seine Bullen, die er ebenfalls auf Spalten hält. Auch er könnte ohne Weiteres an der ITW Rind teilnehmen. „Unsere Bullen haben 3,5 m² zur Verfügung. Bürsten hängen schon in den Buchten“, erklärt der Mäster. Dennoch will er nicht an der ITW Rind teilnehmen. Ihm ist der Zeitaufwand für die zusätzlichen Kontrollen und die geforderte doppelte Dokumentation zu hoch. „Die anfallenden Kosten stehen einer zu niedrigen Entlohnung gegenüber“, ist er überzeugt. Auch die Vorgabe, dass nicht mehr als 10 % der Tiere verschmutzt sein dürfen, findet er hanebüchen. „Woher weiß ich denn, wie der Kontrolleur das bewertet?“, sagt er. Ihm ist das Programm zu unsicher. Unabhängig von Hoch- oder Tiefpreisphasen kommt die Teilnahme für ihn deshalb nicht infrage.

Matthias Lambers vom Beratungsring Osnabrück glaubt hingegen schon, dass sich in Tiefpreisphasen mehr Landwirte zertifizieren lassen würden. Der Berater betreut mehrere Bullenmast-Arbeitskreise und schildert seinen Eindruck: „Diejenigen, die die Vorgaben ohnehin erfüllen, nehmen den Preiseffekt gerne mit. Sobald aber jemand ein Tier aus der Bucht nehmen muss, um die Platzvorgaben zu erfüllen, lohnt es sich zumindest bei den aktuellen Preisen nicht mehr.“

Mehrfach Gebühren fällig

Kritisch bewerten seine Mitgliedsbetriebe auch die sechs Audits innerhalb von drei Jahren, von denen drei unangekündigt stattfinden. „Hinzu kommt, dass pro Viehverkehrs-Verodnungs-Nummer (VVVO-Nummer) Teilnahmegebühren anfallen“, so Lambers. Das mache es für einige Betriebe auch uninteressant.

Dennoch findet er das Programm sinnvoll, genau wie Heribert Qualbrink, Einkaufsleiter bei Westfleisch: „Der Handel fordert mehr Tierwohl. Die ITW gibt deutschem Rindfleisch eine Marke. Das brauchen wir, um das deutsche Fleisch auch weiterhin ­attraktiv anbieten zu können.“ Rund die Hälfte der Vertragslandwirte des Schlacht- und Verarbeitungsunternehmens zeigen Interesse. Wie viele sich letztlich zertifizieren lassen, kann Qualbrink noch nicht abschätzen: „Im Markt ist kein Druck zur Umsetzung vorhanden. Weder vom Handel noch von der Landwirtschaft.“

Lidl-Sprecherin Maria Theresia Heitlinger erklärt: „Wir sind durch den Start der ITW Rind in der Lage, ab Herbst 2022 sukzessive einen Großteil der Rind- und Kalbfrischfleischprodukte auf die Haltungsformstufe 2 umzustellen.“ Darüber hinaus will Lidl die Haltungsform 3 und 4 in den Ei­genmarkenprodukten ausweiten. Auch Edeka will im Laufe des Jahres mit der Umstellung auf Haltungsform 2 beginnen. Für Edeka spielen aber ebenfalls bereits Haltungsform 3 und 4 eine Rolle. „Abzuwarten bleibt, wie sich die Nachfrage nach ITW-Rindfleischprodukten entwickelt“, sagt Edeka-Sprecherin Miriam Heimberg.

Gunnar Rohwäder, Manager Landwirtschaft Rind bei Tönnies, betont, dass es nicht nur wichtig ist, Bullen als ITW-Ware zu vermarkten, sondern auch Kühe. Denn rund 40 % des deutschen Rindfleischs stammt von Altkühen. Deshalb sei auch QM+ so wichtig für die ITW Rind, erklärt Rohwäder. „Damit das Konzept aufgeht, sollte der Handel das gesamte Molkereisortiment und nicht nur Trinkmilch auf Haltungsform 2, sprich QM+ Ware, umstellen.“

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Die Kriterien in Euro und Cent

Interessenten können sich über Bündler anmelden. Die Landwirte müssen die Kriterien des Qualitätssicherungssystems (QS) erfüllen. Zusätzlich müssen sie an einem Antibiotika­monitoring teilnehmen, spezielle Haltungsanforderungen einhalten, wie Sauberkeit, eine tierärztliche Bestandsbetreuung sowie ein vergrößertes Platzangebot (bis 150 kg: 1,5 m²/Tier; bis 220 kg: 1,8 m²/Tier; bis 400 kg: 2,5 m²/Tier; ab 400 kg: 3 m²/Tier). Landwirte, die sich zertifizieren lassen wollen, zahlen pro Viehverkehrs-Verordnungs-Nummer eine Gebühr für das Audit. Im ersten Jahr beträgt die Vergütung für die Masttiere 10,7 ct/kg Schlachtgewicht (SG), im zweiten Jahr 12,83 ct/kg SG. Für Schlachtkühe gibt es 4 ct/kg.

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