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Pro und Contra

Milchlieferbeziehung: Soll sich der Staat einmischen?

Die Bundesregierung könnte Lieferbeziehungen mit Preis sowie Menge zwischen Erzeugern und Molkereien vorschreiben. Eine gute Idee?

Lesezeit: 5 Minuten

Dieser Beitrag erschien zuerst beim Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.

STANDPUNKT 1: Elmar Hannen, NRW-Landesvorsitzender Bundesverband Deutscher Milchviehhalter
„Wir sollten alle Ansätze offen diskutieren!“

Schauen wir auf die derzeitige Gesamtlage: Weltweit steigt der Milchkonsum, in Deutschland und Europa sinkt er. Heißt: Der Weltmarkt mit Milchpreisen zwischen 30 und 35 Cent/kg wächst, der deutsche Markt mit aktuell rund 40 Cent/kg schrumpft. Deutschland hat zwar gute Bedingungen für die Milchproduktion, aber durch Forderungen von Politik, Molkereien und Handel auch hohe Kosten. Produzierte Menge und abnehmender Markt passen nicht zusammen.

Kann Diversifizierung Lösung sein?

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Die Frage ist: Wie lässt sich die Situation für die Erzeuger verbessern? Das diskutieren wir seit Jahren. Noch vor drei Jahren sollte die Lösung in der Diversifizierung liegen, also die Milch mit Mehrwerten aufladen und dafür einen Zuschlag erhalten. Knackpunkt ist aber, dass der Basismilchpreis schon zu niedrig ist.

Rohmilchlieferungen ausschließlich über schriftliche Verträge?

Auf der Milchkonferenz im Bundeslandwirtschaftsministerium haben die Staatssekretärinnen Dr. Ophelia Nick und Silvia Bender nun angekündigt, die Vertragsbeziehungen zwischen Molkereien und Erzeugern zu ändern. Möglich ist das über den Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung. Damit können Mitgliedstaaten verbindlich vorschreiben, dass Rohmilchlieferungen ausschließlich über schriftliche Verträge erfolgen dürfen. Deutschland könnte also eine generelle Vertragspflicht einführen. Die Verträge müssen insbesondere Preis, Menge und Laufzeit regeln. Genossenschaftsmolkereien sind nur dann davon befreit, wenn ihre Satzungen Vereinbarungen mit ähnlicher Wirkung enthalten.

Regelrecht erschrocken war ich über die Reaktionen auf der Milchkonferenz: Einige Teilnehmer waren durchaus bereit, über den Vorstoß der Staatssekretärinnen zu sprechen. Der Großteil lehnte eine Diskussion aber kategorisch ab. Das kann doch nicht sein! Wenn wir die Position der Erzeuger verbessern wollen, sollten wir doch alle Ideen offen diskutieren!

Lieferbeziehungen anpassen

Genossenschaften verarbeiten in Deutschland rund 70 % der Milch. Ich will keinesfalls deren Lieferbeziehungen aushebeln. Aber warum lassen sich diese nicht anpassen? Zwei Beispiele: Wenn die Molkerei die durchschnittlichen Produktionskosten ihrer Mitglieder neben dem Milchpreis veröffentlichen würde, könnte sich jedes Mitglied, aber auch die Molkerei selbst ein Bild von der Situation machen: Deckt der Milchpreis im Schnitt die Kosten oder nicht? Auch beim Thema „Milchmenge“ würde mehr Transparenz helfen. Dazu müssten Erzeuger, Verarbeiter und Abnehmer an einem Tisch sitzen. Die Menge müsste so fixiert sein, dass eben auch für die Erzeuger eine ordentliche Marge bleibt.

Klar – das ist alles nicht einfach, weil die Milch an den Handel, Großabnehmer und in den Export geht. Aber wir müssen doch wenigstens offen nach Lösungen suchen. Sonst bricht uns die Milchproduktion nach und nach weg. Und das genau auf den Standorten, wo sie eigentlich hingehört.

STANDPUNKT 2: Peter Manderfeld, Vorsitzender Hochwald, Sprecher Interessengemeinschaft Genossenschaftliche Milchwirtschaft
„Der Artikel 148 bringt keine höheren Milchpreise!“

Als Milcherzeuger und als Vorstand einer großen deutschen Molkereigenossenschaft spreche ich mich nach wie vor entschieden gegen eine mögliche Umsetzung des Artikels 148 der GMO aus! Genossenschaften sind eine der demokratischsten Wirtschaftsformen. Ein Eingriff in die Vertragsfreiheit bedeutet auch einen Eingriff in die Satzungsautonomie.

Milcherzeuger sind Eigentümer der Molkereiunternehmen

In den Molkereigenossenschaften haben sich die Mitglieder organisiert, um ihren Rohstoff auf den Märkten gemeinsam bestmöglich zu verwerten, die Marktchancen zu nutzen und die Marktrisiken gemeinsam bestmöglich zu tragen. Wir Milcherzeuger sind nicht nur Lieferanten, sondern vor allem Eigentümer unseres Molkereiunternehmens. Wir entscheiden durch demokra­tische Willensbildungsprozesse selbst über die Ausgestaltung der Lieferbeziehung und über die künftige Ausrichtung unserer Unternehmen. Unsere Satzung und Milch­lieferungsordnung bietet vielfältige Möglichkeiten, die Liefer- und Eigentümerbeziehung entsprechend den Bedürfnissen und Erwartungen der Landwirte zu gestalten.

Genossenschaften garantieren Gleichbehandlung

Deshalb kann ich nur warnen, sich bei der EU für eine Abschaffung des im EU-Recht (Artikel 148 GMO) nach wie vor verankerten Genossenschaftsprivilegs einzusetzen. Vor allem ist der Gleichbehandlungsgrundsatz in Genossenschaften ein Garant für kleinere und entlegene Betriebe, ihre Milch zu gleichen Bedingungen zu vermarkten wie große Betriebe in direkter Nähe zu Produktionsstandorten.

Wenn der Staat nun doch in die Vertragsgestaltung der Genossenschaft eingreift, stellt sich für mich die Frage nach den Beweggründen. Wenn das Ziel ist, dem Milcherzeuger einen höheren Milchpreis zu generieren, zeigen genug Beispiele, dass dem nicht so ist. Frankreich hat beispielsweise im vergangenen Jahr gezeigt, dass die Umsetzung des Artikels 148 überhaupt nichts gebracht hat, im Gegenteil: Der französische Milchpreis lag deutlich unter dem deutschen.

Globale Marktkräfte werden nicht außer Kraft gesetzt

Außerdem ist deutlich darauf hinzuweisen, dass mit einer Umsetzung des Artikels 148 die Wirkung globaler Marktkräfte nicht ausgeschaltet werden kann. In dem heutigen Umfeld kann es auch mit neuen Modellen der Mengensteuerung nicht gelingen, Milchpreise für längere Zeit positiv zu gestalten. Zu diesem Ergebnis gelangt ebenfalls die Wissenschaft (ife-Expertise zu Kriseninstrumenten im Milchmarkt). Weiter wirft eine Anwendung des Artikels schwierige juristische Fragen auf mit vermutlich jahrelangen Rechtsstreitigkeiten. Das lehrt die x-te Fassung der Milchquotenregelung.

Daher kann ich alle Beteiligten nur nachdrücklich bitten, die Interessen der in großer Mehrheit stehenden Milcherzeuger zu berücksichtigen und den Artikel 148 nicht ins nationale Recht aufzunehmen.

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