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Was ist los bei FrieslandCampina?

Das Personalkarussell dreht sich bei der niederländischen Molkereigenossenschaft. Dazu eine neue Mitgliederfinanzierung, Umstrukturierungen und zahlreiche Kündigungen von Milchlieferanten.

Lesezeit: 5 Minuten

Rücktritte in der Führungsebene gab es in den vergangenen Monaten gleich zwei bei FrieslandCampina. Die neue Mitgliederfinanzierung tritt im Januar in Kraft. Ziel ist, die Molkerei widerstandsfähiger zu machen. Dennoch gab es im Herbst mehr als 200 Kündigungen von Milcherzeugern in den Niederlanden. Der Umbau des Unternehmens schreitet unterdessen weiter voran. Dazu gehört auch der Abbau von rund 195 Arbeitsplätzen in Deutschland. Über all das sprachen wir mit Jan-Willem ter Avest, dem Pressesprecher des Unternehmens.

FrieslandCampina sorgt für Schlagzeilen. Unter anderem mit den Rücktritten von Frans van den Hurk und Erwin Wunnekink. Was war da los?

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ter Avest: Anfang September gab Frans van den Hurk seinen Rücktritt als Vorstandsmitglied bekannt. Als Grund nannte er, nicht genug Einfluss ausüben zu können, um die Geschäftspolitik zu ändern. Erwin Wunnekink trat Ende September zurück, obwohl er selbst erst seit Juni im Amt des Vorsitzes war. Wunnekink wollte durch seinen Rücktritt dazu beitragen, dass das Vertrauen in den Genossenschaftsvorstand wiederhergestellt wird.

Was hat zum Misstrauen der Mitglieder geführt?

ter Avest: Grundsätzlich herrscht in unserer Genossenschaft und in der niederländischen Milchviehhaltung Unruhe: Unsicherheit über die Stickstoffmaßnahmen und der gesellschaftliche Druck auf die Milcherzeuger nehmen zu. Zudem sind die Mitglieder enttäuscht, weil es im vergangenen Jahr keine Nachzahlung gab.

Wie geht es jetzt weiter?

ter Avest: Niels den Besten ist ab dem 14. Dezember 2021 zum Vorstandsmitglied bestellt worden. Aufgrund der Rücktritte wurde beschlossen, sein Antrittsdatum vorzuziehen. Er übernimmt schon jetzt einige Aufgaben. Als Vorstandsvorsitz ist Sybren Atema vorgeschlagen, der noch vom Mitgliederrat bestätigt werden muss. Er kennt das Unternehmen und auch den Sektor sehr gut. Sandra Addink-Berendsen bleibt stellvertretende Vorsitzende.

Am 1. Januar 2022 tritt die neue Mitgliederfinanzierung in Kraft. Wie genau funktioniert die?

ter Avest: Ab Januar sind die Mitglieder verpflichtet, für die Milch, die sie an FrieslandCampina liefern, Milchzertifikate zu besitzen. Dadurch wird ein bedeutender Teil des Mitgliederkapitals mit der Anlieferung verknüpft. Außerdem soll sich die Eigenkapitalqualität des Unternehmens verbessern. Im Gegensatz zu den jetzigen Mitgliederobligationen tragen Milchzertifikate zum Widerstandsvermögen des Unternehmens bei. FrieslandCampina kann Zugang zu Finanzierungen mit niedrigeren Zinskosten bekommen.

Was genau ist ein Milchzertifikat?

ter Avest: Pro 100 kg angelieferter Milch gibt die Genossenschaft 8 € in Form von Anlieferzertifikaten an ihre Mitglieder aus. Die Zahl der auszugebenden Zertifikate bestimmt die Anlieferungsmenge im Zeitraum Oktober 2020 bis September 2021. Beispiel: Ein Landwirt liefert 1 Mio. kg Milch an. Er benötigt 80.000 € an Milchzertifikaten. Um das zu finanzieren, kann er drei Optionen wählen: Er kann, sofern vorhanden, die jetzigen Mitgliederobligationen fest, bzw. frei, umwandeln. Falls er nicht genügend Obligationen hat, kann er Barmittel verwenden oder eine zinslose verschobene Zahlung in Anspruch nehmen. In dem Fall erfolgt die Tilgung in den ersten acht Jahren auf Basis der Barnachzahlung, die Mitglieder als Teil der Rücklagenpolitik erhalten.

Bedeutet die neue Regelung, dass die Mitglieder stärker mit ihren Einlagen haften?

ter Avest: Nein. Die Milchzertifikate sind, genau wie zuvor die Mitgliederobligationen, als nachrangiges Kapital zu betrachten. Neu ist, dass sie mit der Milchmenge verknüpft sind.

FrieslandCampina strukturiert intern mächtig um und baut unter anderem Stellen in der Verwaltung ab. Welche Auswirkungen hat das kurz- und langfristig auf die (deutschen) Milcherzeuger?

ter Avest: Ende 2020 haben wir angekündigt, unsere 2018 eingeleitete Transformation zu beschleunigen. Es wurden Kosteneinsparungen geplant, von denen rund 195 Mitarbeiter in den Produktionsstätten Heilbronn und Köln betroffen sind. Ziel ist, wettbewerbsfähig zu bleiben und nachhaltig im Markt zu wachsen. Wir wollen uns auf unsere Kernmarken auf dem deutschen Markt fokussieren und gezielt in sie investieren. Wir haben die Produktion weniger profitabler Produktlinien ausgelagert oder eingestellt. Für unsere Milchlieferanten bedeutet das eine Anpassung der Milchliefermenge. Für unsere Mitglieder steht eine höhere Wertschöpfung im Vordergrund.

Mehr als 200 Betriebe in den Niederlanden haben angeblich nur wegen des Rücktritts von van den Hurk gekündigt. Stimmt das?

ter Avest: Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen oder kommentieren Gerüchte. Fest steht: 239 Betriebe aus den Niederlanden haben beschlossen, FrieslandCampina mit Wirkung zum 1. Januar 2022 zu verlassen. Wir sind davon ausgegangen, dass ein Teil der Landwirte aufgrund unserer neuen Mitgliederfinanzierung und des vom Kartellamt auferlegten Austrittsprogramms kündigen. Dass es am Ende so viele sind, ist schmerzhaft. Die Kündigungen entsprechen etwa 2,5% unserer gesamten Milchmenge. Die Folgen müssen wir nun auffangen.

Wie genau ist die Austrittsregelung gestaltet?

ter Avest: Bei der Fusion von FrieslandFoods und Campina Ende 2008 hat die europäische Aufsichtsbehörde die Einführung einer Austrittsregelung vorgeschrieben. Sie soll Anreiz sein, zu einer anderen Molkerei in den Niederlanden zu wechseln. Die Regelung sieht eine Abgangsprämie von 5 €/100 kg Milch vor und gilt ausschließlich für die niederländischen Mitglieder.

Manche Mitglieder sprechen von neuen „Knebel-Verträgen“. Sind auch für deutsche Lieferanten neue Verträge geplant?

ter Avest: Auch hier gilt: Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen. Grundsätzlich gibt es keine Einzelverträge mit Mitgliedern. Maßgeblich für die Bezahlungen sind die Regelungen, die im Dreijahresrhythmus im genossenschaftlichen Prozess evaluiert und dann vom Mitgliederrat beschlossen werden.

FrieslandCampina-Mitglieder aus Baden-Württemberg kritisieren, dass immer mehr norddeutsche Milch in Heilbronn verarbeitet würde und ihre eigene Milch weit nach Bayern gefahren wird. Ein Teil geht sogar vom Norden aus über Heilbronn weiter nach Bad Wörishofen. Wie kann es sein, dass Sie trotzdem noch CO2-einsparen, wie erst jüngst vom Unternehmen veröffentlicht?

ter Avest: Es wird keine Mitgliedermilch nach Bad Wörishofen geliefert. Die Milch unserer Mitglieder hat für uns stets oberste Priorität, danach folgt der Zukauf über unsere Lieferanten im Süden. Daran hat sich nichts geändert. Es ist richtig, dass ein kleiner Anteil von Mitgliedermilch aus den angrenzenden Sammelgebieten in Richtung Baden-Württemberg geliefert wird. Hier berücksichtigen wir den Gesamt-CO2-Fußabdruck.

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