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Zuchtwert Futtereffizienz: Wie weit sind wir?

Kühe wandeln Futter unterschiedlich effizient in Milch um. Erst seit Kurzem ist es möglich, diese Eigenschaft auch züchterisch zu verbessern. Dafür gibt es verschiedene Ansätze.

Lesezeit: 11 Minuten

Flächen sind knapp und Futter ist der größte Kostenblock im Betrieb. Es lohnt sich für jeden Milchviehhalter, das Futter so effizient wir möglich zu verwerten.

Mit Zuchtwerten für die Futtereffizienz gibt es auch züchterisches Handwerkszeug, um die Wirtschaftlichkeit in der Milchproduktion weiter zu verbessern. „Wir wollen Kühe züchten, die ihr Futter bestmöglich in Milch umwandeln“, so Martin Buschsieweke, Geschäftsführer der kanadischen Zuchtorganisation Semex in Deutschland.

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Die Zucht auf hohe Futtereffizienz birgt jedoch Herausforderungen: z.B. Effekte auf die Tiergesundheit. „Es besteht die Gefahr, dass die Kühe zu Laktationsbeginn zu wenig fressen und es zu einer negativen Energiebilanz kommt. Das kann mit Folgeerkrankungen einhergehen“, sagt Prof. Georg Thaller, Universität Kiel. Daher schätzen viele Länder die Futtereffizienz nicht nur direkt anhand der Futteraufnahme, sondern nutzen weitere Merkmale.

„Die Datenerhebung mit Wiegetrögen ist zwar sehr genau, aber auch sehr teuer. Daher wollen wir sie mit indirekten Hilfsmerkmalen aus der Exterieurzuchtwertschätzung kombinieren“, sagt Dr. Dierck Segelke, Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung (vit). Welche Merkmale sich eignen, hänge von der Erblichkeit und der Korrelation zur Futtereffizienz ab.

In Deutschland gibt es daher noch keinen Zuchtwert für Futtereffizienz. Doch andere Länder haben das Problem scheinbar gelöst. So erfassen z.B. die Niederlande neben der Futteraufnahme auch Gesundheits- und Klauendaten der Kühe. Eine negative Korrelation von Futtereffizienz und Tiergesundheit sehen sie nicht. Für das Zuchtprogramm wählen sie nur Bullen, die in beiden Merkmalen gut sind.

Wir zeigen, wie die Niederlande und andere Länder einen Zuchtwert für Futtereffizienz etabliert haben.

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Deutschland: Noch zu wenig nationale Daten

Auch wenn die Entwicklungen auf Hochtouren laufen, müssen die deutschen Milchviehhalter momentan noch ohne einen Zuchtwert für Futtereffizienz auskommen. Laut Einschätzung des Rechenzentrums vit ist die Datenmenge auf nationaler Basis für die genomische Zuchtwertschätzung noch zu klein. „Die Lernstichprobe umfasst aktuell etwa 3.000 Tiere, sodass die Sicherheit des Zuchtwerts bei 13 % läge. Um eine Sicherheit von 30 % zu bekommen, bräuchten wir 20.000 Kühe“, sagt Segelke.

Dabei wächst die Datenquelle stetig: Seit 2014 gibt es das Projekt OptiKuh und seit 2018 das Folgeprojekt EmissionCow, um auf acht deutschen Versuchsbetrieben die tierindividuelle Futteraufnahme zu erfassen. 340 Wiegetröge ordnen den Kühen mithilfe einer Einzeltiererkennung die gefressene Futtermenge direkt zu. Weitere 120 Tröge sind in Planung.

Hilfsmerkmale nutzen

„Zusätzlich nutzen wir für die Schätzung des Zuchtwerts auch Hilfsmerkmale wie das Körpergewicht, das positiv mit der Futtereffizienz korreliert. Daher erheben Berater der einzelnen Zuchtorganisationen zusätzlich manuell die Gewichtsdaten von Färsen und teilweise auch höher Laktierenden auf landwirtschaftlichen Betrieben, um die Datenmenge zu erweitern“, sagt Segelke.

Um eine internationale Lernstichprobe für eine gemeinsame Zuchtwertschätzung zu schaffen, ist das vit Partner eines internationalen Forschungsprojekts, das eine größere Datenbank etablieren will. Aber auch dabei gibt es Herausforderungen: „Bevor wir diesen Zuchtwert veröffentlichen, müssen wir die genetische Beziehung zu anderen Merkmalen wie der Tiergesundheit abschätzen können“, so Segelke.

„Wir müssen vermeiden, dass die Kühe zu Beginn der Laktation ihre Körperreserven zu stark einschmelzen.“ Diese Tiere wären zwar sehr futtereffizient, würden aber das Problem der negativen Energiebilanz in der Frühlaktation verstärken. Damit steigt das Risiko für Folgekrankheiten.

Aktuell gibt es noch viele Einflussfaktoren auf die Futtereffizienz. Laut vit ist es deshalb noch schwer abzuschätzen, wann ein Zuchtwert für Futtereffizienz in Deutschland veröffentlicht wird.

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Niederlande: Forschung und Praxis

Mit am weitesten in Sachen Futtereffizienz-Zucht sind aktuell die Niederländer. Die CRV hat mit der Zuchtwertschätzung im Dezember 2020 den Zuchtwert Futtereffizienz veröffentlicht. Zusätzlich zu fünf Forschungsbetrieben hat das Zuchtunternehmen auf fünf weiteren Praxisbetrieben 200 Wiegetröge installiert, um die Futteraufnahme von rund 2500 Kühen jährlich zu messen.

„Es ist weltweit einmalig, dass diese Futtertröge auch auf Praxisbetrieben installiert sind. Das System ist zwar sehr teuer, liefert uns aber sichere Werte. Denn Futtereffizienz sieht man den Kühen nicht an”, sagt Pieter van Goor, der für die Erfassung und Verarbeitung der Daten verantwortlich ist.

Insgesamt stehen CRV damit die Futteraufnahmedaten von 9.000 Kühen zur Verfügung. Zusätzlich fließen Daten zur Milchleistung und das Körpergewicht in den Zuchtwert ein. Jede Nacht um ein Uhr werden die Daten der Tröge, das Körpergewicht und die Wasseraufnahme an CRV geschickt. Im Jahr kostet das Projekt den Zuchtverband rund 350 € pro Kuh. Die beteiligten Landwirte bekommen 35 € je Kuh.

46 Tröge für 90 Kühe

Wietse Duursma ist einer der fünf Milchviehhalter, der die Wiegetröge in einer Gruppe seines Kuhstalls installiert hat. Für seinen Fütterungsroboter, der sechsmal täglich Futter verteilt, war das zunächst ein Problem: Die Tröge waren zu hoch. „Ich musste einiges umbauen und die Aufhängung für die Fütterung dementsprechend höher montieren“, sagt Duursma. Die einmonatige Umbauphase war auch für die Tiere Stress. Heute hat er allerdings nicht mehr Arbeit als vorher. „Pro Woche brauche ich eine Stunde, um alle 46 Tröge zu reinigen“, so der Landwirt.

Auf dem Betrieb stehen insgesamt 260 melkende Kühe, von denen sich 90 Tiere in der Gruppe mit den Wiegetrögen befinden. Die Färsen kommen immer in diese Gruppe. Wenn noch Platz ist, kommen auch Zweit- und Drittkalbskühe dazu. Dort bleiben sie ab dem Zeitpunkt der Kalbung für etwa 120 bis 160 Tage.

Die fünf Versuchsbetriebe messen die Futteraufnahme während der gesamten Laktation. Mit 2,5 Tieren je Trog ist die maximale Auslastung erreicht. Ein Sensor erkennt die Ohrmarke der Kuh und öffnet daraufhin den Trog. Die Waage ermittelt dann das Gewicht des gefressenen Futters. Zusätzlich sind auch Fresszeit, Besuchshäufigkeit und Fresszeit/Mahlzeit bekannt.

An den Tränken ist ebenfalls ein Sensor verbaut, der die Häufigkeit und Menge bei der Wasseraufnahme misst. Die Wasserdaten fließen laut van Goor nicht in die Berechnung ein. Er schließt aber nicht aus, die Daten zukünftig zu nutzen. Nach dem Melken laufen die Kühe über eine Waage im Rücktreibegang. Diese ermittelt dreimal täglich das Körpergewicht.

„Die 25% Kühe mit der besten Futtereffizienz fressen 1 kg weniger Trockenmasse als die 25% uneffizientesten Kühe und geben trotzdem 9 kg mehr Milch. Einen so deutlichen Unterschied haben wir nicht erwartet“, berichtet Pieter van Goor von den Erfahrungen aus der Praxis. „Zwischen der besten und der schlechtesten Kuh liegen bezogen auf die Futtereffizienz 3 bis 4 € je Kuh und Tag“, sagt Duursma. Aktuell füttert er eine Teil-TMR und zusätzlich Kraftfutter an der Station. Sobald sich die Zusammensetzung der Ration ändert, gibt er die Infos an CRV weiter.

Mehr Gewicht im nvi Im niederländischen Gesamtzuchtwert, dem „NVI“, ist die Futtereffizienz aktuell mit 5% eingerechnet. Im nächsten Jahr soll sich der Anteil auf 10% erhöhen. Die Basis für den neuen Relativzuchtwert ist 100 mit einer Standardabweichung von vier Punkten. Bei Jungbullen liegt die Sicherheit bei 50%, Töchtergeprüfte erreichen 70 bis 80%. Bis jetzt ist dieser Zuchtwert nur für Holsteins verfügbar. „Bevor wir weitere Rassen schätzen, brauchen wir auch dort erst verlässliche Futteraufnahmedaten“, so van Goor.

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Kanada: Laktationsstart bleibt außen vor

Holsteinzüchter haben seit der Zuchtwertschätzung im April 2021 die Möglichkeit, mit kanadischen Bullen gezielt auf Futtereffizienz anzupaaren. Die Berechnung des neuen Zuchtwerts basiert auf Ergebnissen eines weltweiten Forschungsprogramms zur Futteraufnahme, an dem das Rechenzentrum Lactanet in Kanada beteiligt ist.

Im Rahmen eines Versuches haben fünf Länder die Futteraufnahme von 5.300 Kühen in 14 Herden mit Wiegetrögen im Zeitraum von 0 bis 60 Tage und vom 60. bis 305. Tag nach der Kalbung gemessen. Um zu vermeiden, dass die Kühe übermäßig Körperfett einschmelzen anstatt zu fressen, fließen die Daten aus dem ersten Abschnitt direkt nach der Kalbung nicht in die Berechnung ein. „Wir wollen keine schwarzbunten Jerseys züchten. Sondern Holsteinkühe, die bei ausreichend Körpersubstanz das Futter effizient in Milch umwandeln“, so Martin Buschsieweke, Geschäftsführer Semex-Deutschland.

Der kanadische Relativzuchtwert für Futtereffizienz ist auf einer Basis von 100 mit einer Standardabweichung von fünf Punkten ausgewiesen. Je Punkt benötigt eine Kuh etwa 50 g weniger Trockenmasse am Tag, um Milchmenge und Körpersubstanz zu erhalten. Die Sicherheiten liegen aktuell bei 41 bis 46% bei genomischen bzw. 46 bis 51% bei töchtergeprüften Bullen. Der Zuchtwert ist für alle Bullen veröffentlicht, aber noch nicht im kanadischen Gesamtzuchtwert gewichtet.

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USA: Möglichst viel Futter einsparen

Der amerikanische Zuchtwert Feed Saved (FSAV) gibt an, wie viel Futter eine Holsteinkuh pro Laktation einsparen kann, indem sie effizienter Milch produziert. Seit Dezember 2020 veröffentlicht das Rechenzentrum der USA, der Council on Dairy Cattle Breeding (CDCB), diesen neuen Index. Er ist in Pfund Trockenmasseaufnahme je Laktation angegeben (1 Pfund ≈ 0,45 kg).

Beispiel: Ein Bulle hat einen FSAV von +200. Das bedeutet, dass seine Töchter im Mittel 200 Pfund (ca. 90 kg) weniger Trockenmasse je Laktation aufnehmen, als durch Milchleistung und Körpergröße zu erwarten wäre. Töchter eines Bullen mit -300 benötigen demnach im Mittel 300 Pfund (ca. 136 kg) mehr Trockenmasse pro Laktation.

Für die Berechnung des FSAV sind Informationen über Körpergröße und -gewicht ebenso wichtig wie das Merkmal Residual Feed Intake (RFI), auch Restfutteraufnahme genannt. Das beschreibt die Differenz der tatsächlichen und der aufgrund von Erhaltungsbedarf und Milchleistung erwarteten Futteraufnahme und ist mit 29 % in dem Zuchtwert gewichtet.

Ein Großteil der Daten stammt aus Versuchsherden verschiedener Universitäten. Bei dem CDCB sind 650.000 Datensätze zur täglichen Futteraufnahme hinterlegt, um die Restfutteraufnahme von 6.200 Kühen zu berechnen.

Für genomisch getestete Bullen liegt die Sicherheit dieses Zuchtwerts bei 28 %. Die nachkommengeprüften Vererber erreichen durchschnittlich 38 %.Um die Zuverlässigkeit des FSAV zu erhöhen, müssen noch mehr Daten in die Berechnung einfließen. Laut CDCB ist dieser Zuchtwert auch für andere Rassen geplant, sobald dort Daten verfügbar sind. Futtereffizienzmerkmale sind im NM$ mit 14 % und im TPI mit 8 % berücksichtigt.

EcoFeed-Index Unabhängig von der nationalen Zuchtwertschätzung weist die amerikanische Zuchtorganisation ST Genetics den EcoFeed, einen firmeninternen Futterverwertungsindex, aus. Dieser basiert auf den Daten von knapp 6.000 weiblichen Nachkommen.

Das Unternehmen erhebt die Daten bereits bei Rindern im Alter zwischen 150 und 300 Tagen im Ohio Heifer Center in South Charleston. Auf dem landwirtschaftlichen Betrieb werden täglich die Futteraufnahme mit Wiegetrögen und das Körpergewicht der Tiere gemessen, um daraus die Tageszunahmen zu ermitteln. Anhand dieser Daten lässt sich für jedes Tier ein RFI-Wert errechnen.

„Der RFI bei noch wachsenden Rindern korreliert mit 0,2 bis 0,5 positiv mit dem der Kühe in Laktation“, sagt Dr. Claas Heuer, von ST Genetics, der den Index berechnet. Zum Jahreswechsel sollen zusätzlich Daten zur Futteraufnahme, Milchleistung und zum Körpergewicht von 1.500 Kühen den EcoFeed ergänzen, deren Daten zuvor auch als Rinder erfasst wurden. Alle Tiere stammen aus dem eigenen Bullenportfolio. Die Sicherheiten liegen bei 60 bis 70%.

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Skandinavien: Effizienz für drei Rassen

In Dänemark, Finnland und Schweden gibt es seit November 2020 den Saved Feed Index als Zuchtwert für Futtereffizienz. Der ist für Jerseys, Holstein- und Rotviehkühe ausgewiesen. Jede Rasse hat ihren eigenen Zuchtwert. Das skandinavische Rechenzentrum Nordic Cattle Genetic Evaluation veröffentlicht den Zuchtwert viermal jährlich im Rahmen der Zuchtwertschätzung.

Für die Berechnung sind die Erhaltungs- und Stoffwechseleffizienz wichtig. Der Erhaltungsindex beschreibt die genetische Fähigkeit zur Futtereinsparung durch einen geringeren Erhaltungsbedarf. Das ist vor allem vom Körpergewicht der Kuh abhängig. So braucht eine größere Kuh mehr Energie für die Erhaltung als eine Kleine. Die Stoffwechseleffizienz beschreibt die genetische Fähigkeit zur Futtereinsparung durch eine bessere Verwertung. Das ist im Wesentlichen von der individuellen Futteraufnahme, dem Körpergewicht und von der Milchleistung abhängig.

Je Rasse Ein Zuchtwert

Die Datenbasis bilden 3.000 Kühe bei Holsteins, 1.500 Kühe bei Jerseys und 1.000 Kühe bei Rotvieh. Sie stammen sowohl aus Versuchs- als auch aus Praxisbetrieben. Zudem fließen Daten aus der Exterieurbeurteilung zur Statur, Körpertiefe und Brustbreite in den Zuchtwert ein. Das Körpergewicht wurde bei den Kühen in Versuchsbetrieben mithilfe von Waagen und Maßbändern erhoben.

Die Futteraufnahme misst seit fünf Jahren ein spezielles Kamerasystem auf Praxisbetrieben. Die Kameras erfassen die Daten während der gesamten Laktation. „Das ist auch notwendig. Denn es ist ein Unterschied, ob wir die Futteraufnahme 30 oder 250 Tage nach der Kalbung messen“, sagt Jan Andresen, Country Manager bei Viking Genetics. Bis Jahresende sollen auf 20 Betrieben weitere Kameras installiert werden, um die Futteraufnahme von 7.000 Kühen aller drei Rassen zu messen.

Zwischen der leistungsstärksten und -schwächsten Kuh im Stall liege die Differenz bei 250 €. Der Saved Feed hat aber nicht nur eine wirtschaftliche Relevanz, erklärt Andresen: „Bis 2030 wollen wir mit dem Index die Treibhausgasemissionen um das Äquivalent von 50.000 Diesel-Pkw reduzieren“.

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