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ISN, Westfleisch, Tönnies sicher: „Die ASP wird weiter westwärts wandern“

Wie können wir die Viehvermarktung bei einem ASP-Ausbruch in Veredelungsregionen sicherstellen? Darüber sprach top agrar mit der ISN sowie den Schlachtunternehmen Westfleisch und Tönnies.

Lesezeit: 8 Minuten

Mit Dr. Martina Oetjen, Leitung Konzernqualitätsmanagement und Veterinärwesen Westfleisch, Dr. Jörg Altemeier, Leiter Stabsstelle Tierschutz und ­Tiergesundheit bei Tönnies und Dr. Torsten Staack,

Geschäftsführer ISN sprachen wir über die ASP-Bedrohung und die Folgen für den Markt.

Seit gut einem Jahr grassiert die ASP in Deutschland. Wie beurteilen Sie das Krisenmanagement der Behörden?

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Staack: Das Krisenmanagement war in Brandenburg und Sachsen, wo die ersten ASP-Fälle aufgetreten sind, anfangs katastrophal. Die Seuche wurde mehr verwaltet als bekämpft. Bei den Fällen in Mecklenburg-Vorpommern war das Krisenmanagement hervorragend. Bekämpfungsmaßnahmen haben wie bei einem Uhrwerk ineinandergegriffen und wurden schnell umgesetzt.

Sind Niedersachsen und NRW, in denen die Veredelung eine viel größere Rolle spielt, besser aufgestellt?

Staack: Ja, dort wurden von den jeweiligen landwirtschaftlichen Organisationen und Interessengemeinschaften mit den Wildtierseuchen-Vorsorge-Gesellschaften Organisationen geschaffen, die den Behörden nicht nur mit Rat und Tat zur Seite stehen.Sie halten zudem über 100 km Zaunmaterial, diebstahlsichere Weidezaungeräte und geländegängige Quads vor. Sie übernehmen auch die Suche sowie das Bergen von Wildschweinekadavern und richten Reinigungs- bzw. Desinfektionsplätze für Personal und Fahrzeuge ein.

Die hohe Schlagkraft ist wichtig, denn im Ernstfall müssen die PS schnell auf die Straße gebracht werden. Hier darf man nicht nachlassen! Denn ein punktuelles ASP-Geschehen kann schnell und unverhofft auftreten – dann zählt jede Minute.

Im ASP-Ernstfall müssen die PS schnell auf die Straße - Staack

Ist den Behörden klar, wie viele Tiere in einem viehdichten Kreis wie Borken jede Woche schlachtreif sind?

Altemeier: Für den Landkreis Borken gibt es ein solches Szenario. Ausgehend von einer Gesamtfläche des Kreises Borken von 1 421 km² und insgesamt 2,3 Mio. gehaltenen Mastschweinen, würden im Seuchenfall in einer Restriktionszone mit einem Radius von 8 km wöchentlich 6 200 Schweine die Schlachtreife erreichen.

Sind die Veterinärämter in den viehstarken Kreisen ausreichend gerüstet?

Altemeier: Vom NRW-Ministerium wurde ein ASP-Sachverständigengremium eingesetzt, in welchem neben uns auch Kreisveterinärbehörden ­mitarbeiten. Das trägt dazu bei, dass alle den gleichen Wissensstand haben. Wichtig ist zudem, dass die Zusammenarbeit kreis- und bundesländerübergreifend funktioniert. Das über­regionale Krisenmanagement wurde und wird immer wieder geübt. Im Ernstfall soll man sich z. B. gegenseitig mit Personal aushelfen.

Was muss noch verbessert werden?

Oetjen: Wichtig ist, dass auf Kreis-, Landes- und Bundesebene die gleichen Spielregeln gelten. Ein ganz wichtiger Schritt ist das Angleichen von For­mularen, z. B. für den Tiertransport in oder aus Restriktionsgebieten.

Staack: Jedes noch so kleine Ausbruchsgeschehen bedeutet erhebliche Restriktionen für viele Betriebe. ­Deshalb kommt es darauf an, dass die Behörden vor Ort mit Augenmaß vorgehen und die ASP-gebeutelten Schweinehalter nicht noch zusätzlich in die Enge treiben. Auf keinen Fall dürfen die Betriebe in Restriktionsgebieten mit drohenden Tierschutzproblemen in ihren Ställen allein gelassen werden, weil die Tiere weiter wachsen, aber kaum vermarktet werden können. Das gilt für die Mast, aber auch für die Ferkelerzeugung.

Wichtig ist auch, dass die Kreisveterinäre den Ermessensspielraum, den ihnen die Schweinepestverordnung bietet, vollumfänglich nutzen und sich um pragmatische Lösungen bemühen. Die Prozesse müssen so gestaltet werden, dass die Schlachtung aus Restriktionsgebieten logistisch auch möglich ist.

Unter welchen Voraussetzungen dürften die Tierhalter aus den Restriktionsgebieten wieder Schweine vermarkten?

Oetjen: Landwirte, deren Betriebe in bestimmten Restriktionsgebieten liegen, müssen wöchentlich die beiden zuerst verendeten Schweine virologisch untersuchen lassen. Und ein amtlicher Tierarzt muss prüfen, ob der restliche Bestand gesund ist und ob der Betrieb die Biosicherheitsstandards einhält.

24 Stunden bevor der Landwirt vermarkten möchte, muss der amtliche Tierarzt den Bestand sowie die zur Vermarktung anstehenden Schweine erneut klinisch untersuchen. Ist alles in Ordnung, dürfen die Tiere ohne Zwischenstopp an einen dafür benannten Schlachthof geliefert werden.

Wer legt fest, wo geschlachtet wird?

Altemeier: Der Landwirt muss mit ­seinem Vermarkter bzw. Schlachthof klären, ob dieser die Tiere abnimmt. Ist dieser dazu bereit, muss er bei seiner Kreisbehörde einen Antrag auf Schlachtung von Schweinen aus einem ASP-Restriktionsgebiet stellen.

In Brandenburg und Sachsen hat sich allerdings gezeigt, dass dazu kaum ein Schlachthof bereit ist.

Altemeier: Kein Schlachtunternehmen reißt sich darum, Schweine aus Sperrzone II oder gar III zu schlachten, auch wenn die Tiere zuvor gründlich klinisch und virologisch untersucht wurden. Hierbei geht es z. B. um den drohenden Verlust der letzten noch ­bestehenden Exportmöglichkeiten.

Der Landwirt muss klären, wo seine Tiere geschlachtet werden - Altemeier

Warum sperren sich manche Dritt­länder gegen Schweinefleisch aus Re­striktionsgebieten?

Staack: Das Problem ist nach wie vor die fehlende Anerkennung der Regionalisierung. Wichtige Abnehmer wie China stufen ganz Deutschland weiterhin als großes ASP-Seuchengebiet ein, auch weil sie unsere föderale Entscheidungsstruktur nicht verstehen. Hier sehe ich die neue Bundesregierung in der Pflicht, endlich ernsthaft zu verhandeln. Ob sie dazu aber überhaupt gewillt ist, bleibt abzuwarten. Jedenfalls braucht es hochrangige deutsche Vertreter in Peking, die mit Chinas Präsident Xi Jinping auf Augenhöhe verhandeln können, wenn man den Knoten durchschlagen will.

Die Agrarministerkonferenz (AMK) hat die Schlachtunternehmen aufgefordert, eine unternehmensübergreifende „Fleischvermarktungsgesellschaft“ zu gründen? Welche Idee steckt dahinter?

Altemeier: Die Agrarminister der ­Länder haben angeregt, dass Risiko innerhalb der Wertschöpfungskette zu ­tragen und eine Fleischvermarktungsgesellschaft zu gründen. Diese soll je nach Seuchenlage in Eigenregie einen oder mehrere Schlachthöfe benennen, die ausschließlich Schweine aus den eingerichteten Restriktionszonen schlachten. Der finanzielle Ausfall dieser Schlachthöfe soll dann solidarisch von allen gemeinsam getragen werden. Die öffentliche Hand soll außen vor bleiben.

Ist die Forderung der AMK realistisch?

Oetjen: Nein. Natürlich müssen sich alle Schlachter ihrer Verantwortung bewusst sein, dass Schweine aus ASP-Restriktionsgebieten abzunehmen sind, wenn die ASP veredelungsintensive ­Regionen erreicht. Aber dafür muss ­jedes Unternehmen für sich eigene ­Lösungen entwickeln.

Staack: Das Wegschieben von Ver­antwortung bringt uns nicht weiter. Die großen Schlachtunternehmen ­waren bei der ASP-Vorbereitung in den letzten Jahren sehr aktiv – anders als der Bund und etliche Länder. Sie haben Krisenpläne und Notfallhandbücher griffbereit in der Schublade.

Oetjen: Ich persönlich sehe den Bedarf einer Vermarktungsgesellschaft auch gar nicht. Ich gehe vielmehr davon aus, dass sich die ASP weiter in Richtung Westen ausbreitet und Sperrzone II-­Gebiete daher zur „neuen Normalität“ in Deutschland werden. Es wird ­künftig also für alle Schlachtbetriebe normal sein, solche Tiere geliefert zu bekommen und zu vermarkten.

Es wird für alle normal sein, Tiere aus Sperrzone II zu vermarkten - Oetjen

Wie positioniert sich der Lebensmitteleinzelhandel bei einem ASP-Fall?

Staack: Beim Lebensmitteleinzelhandel sehe ich derzeit die Gefahr, dass einzelne Händler einknicken und Fleisch von Tieren aus Restriktionszonen ablehnen könnten. Sollte dieser Fall tatsächlich eintreten, werden wir als ISN bei den entsprechenden Handelskonzernen auf die Barrikaden ­gehen. Denn eines ist klar: Für den Händler ist es ein Leichtes, das Fleisch abzulehnen. Für die Bauernfamilien bedeutet das aber den Verlust ihrer Existenzgrundlage.

Wie sollten sich die Tierhalter auf ­einen ASP-Eintrag vorbereiten?

Oetjen: Der Bau eines Zaunes zum Schutz des Schweinestalles und das Einrichten einer Hygieneschleuse ­allein reichen nicht aus. Der Landwirt und das gesamte Stallpersonal müssen die Biosicherheitsmaßnahmen tagtäglich leben. Dazu gehört u. a. eine funktionsfähige Hygieneschleuse, die auch immer genutzt wird.

Jeder Landwirt sollte kritisch checken, wo in seinem Betrieb noch Eintragsrisiken für Seuchenerreger bestehen. Dazu eignet sich der von der Uni Vechta entwickelte Online-Check der „ASP-Risikoampel“ hervorragend.

Staack: Das Einhalten und Leben der Biosicherheitsmaßnahmen ist entscheidend – auch, um im Falle einer Keulung von der Tierseuchenkasse die volle Entschädigung zu erhalten. Gleiches gilt für eine ggf. abgeschlossene Ertragsschadenversicherung.

Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, mit dem Schlachtunternehmen ­einen Abnahmevertrag abzuschließen. Das erhöht die Chancen, dass die schlachtreifen Schweine oder verkaufsreifen Ferkel auch in Krisenzeiten abgenommen werden.

Das Wichtigste für jeden Schweinehalter ist und bleibt jedoch die Beachtung sämtlicher Biosicherheitsmaß­nahmen. Eine einzige, kleine Nachlässigkeit genügt, um die wirtschaftliche Existenz seiner ebenfalls Schweine haltenden Nachbarn zu gefährden. Denn anders als früher bei der Bekämpfung der Klassischen Schweinepest wird heute nur noch der Ausbruchsbetrieb gekeult und nicht mehr die Nachbarbestände in unmittelbarer Nähe.

Diese erhalten somit keine Entschädigung von der Tierseuchenkasse, ­sondern müssen sich stattdessen auf langfristige Einschränkungen bei der Vermarktung einstellen, die für viele Betriebe das finanzielle Aus bedeuten können. Das zeigt die aktuelle ASP-­Situation in Brandenburg und Sachsen nur allzu deutlich.

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