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Schweine-Radar: „Schweinehalter haben schon 1 Mrd. € verloren“

Tobias Göckeritz rechnet im „Schweine-Radar“ wöchentlich aus, ob sich die Schweinehaltung lohnt. Das Ergebnis ist erschreckend. Für seinen Betrieb hat er Konsequenzen gezogen.

Lesezeit: 5 Minuten

Herr Göckeritz, Sie haben Ihre Sauen abgestockt und lassen den Maststall nun weitgehend leer laufen. Was hat für Sie den Ausschlag gegeben?

Göckeritz: Als im Mai die Schlachtschweinenotierung von 1,95 € auf 1,80 € kg/Schlachtgewicht (SG) fiel, habe ich mit verschiedenen Personen über die Futterpreise ab Herbst gesprochen und mit rund 400 €/t nach der Ernte kalkuliert. Dafür wären im Winter und Frühjahr deutlich über 2 € kg/SG und 70 €/25 kg Ferkel nötig. Mir wurde klar, dass wir in nächster Zeit nur Eigenkapital vernichten ­würden. Deshalb stocken wir nun auf eine genetische Kernherde ab, mit der wir überwintern wollen.

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Was hat sich für Sie durch diesen gravierenden Entschluss verändert?

Göckeritz: Bisher noch wenig, da wir ja noch die vollen Abferkelgruppen und Mastgruppen haben. Lediglich die Besamung und der Umtrieb der tragenden Sauen entfallen. Mitte September setzen wir die letzte volle Ferkelgruppe ab. Ab Mitte Februar geht der Maststall dann auf Sparflamme mit ca. 50 Schweinen alle 14 Tage.

Seitdem Sie die Reißleine gezogen ­haben und abstocken, veröffentlichen Sie wöchentlich das sogenannte Schweine-Radar. Was steckt dahinter?

Göckeritz: Im Schweine-Radar werden die aktuellen Notierungen in Ergebnisse pro Tier umgerechnet, getrennt nach Direktkostenfreier Leistung (DkfL) und Gewinn oder Verlust inkl. der Festkosten. Es soll anderen Schweinhaltern helfen, ihre aktuelle wirtschaftliche Lage zu beurteilen.

"Insbesondere wenn das Schweine-Radar negative DkfL ausweist, sollten die Alarmglocken schrillen"

Wie sieht aktuell die Wirtschaftlichkeit in der Schweinehaltung aus?

Göckeritz: Bis zur 31. Kalenderwoche (KW) war die DkfL der Schweinemast in jeder Woche negativ. Aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht müssten ­eigentlich alle Mäster mit negativer DkfL die Produktion einstellen. Mittlerweile kommen wir auf positive DkfL und decken einen Teil der Festkosten. Die Vollkosten liegen jedoch immer noch bei minus 12 € pro Mastschwein (KW 35). Die Ferkelerzeuger produzieren zwar schon etwas länger mit positiver DkfL. Allerdings liegen die Verluste pro Sau/Jahr weiterhin bei rund minus 300 €. Bemerkenswert ist auch der Gesamtverlust der deutschen Schweinehaltung.

Was sollten oder könnten Schweinehalter mit diesen Informationen tun?

Göckeritz: Das Schweine-Radar ersetzt kein eigenes Controlling. Jeder Betrieb hat seine eigene Kostenstruktur. Wenn man aber einmal seine eigenen Zahlen ermittelt hat, kann man sich an den Radar-Werten gut orientieren und die wöchentlichen Schwankungen auf den eigenen Betrieb übertragen. Insbesondere wenn das Schweine-Radar negative DkfL ausweist, sollten die Alarmglocken schrillen.

Sie rechnen die Zahlen für ganz Deutschland hoch. Warum?

Göckeritz: Ein Berufskollege brachte mich auf die Idee. Auch Politik und Öffentlichkeit können erfahren, welche Auswirkungen die Preise und Kosten auf die gesamte deutsche Schweineproduktion haben. Nur eine Zahl: In den ersten 32 Wochen des Jahres haben wir über 1 Mrd. € Eigenkapital verloren. Gerade bei der Diskussion um den Umbau der deutschen Schweinehaltung macht das Radar gut die Dimensionen deutlich. Bei den Ferkeln gehe ich von einem Selbstversorgungsgrad von 70 % mit deutschen Ferkeln aus.

Wie waren die Reaktionen auf Ihre ­ Initiative?

Göckeritz: Das Interesse an dem Schweine-Radar ist groß. Brancheninsider haben mir geschrieben, mir gratuliert oder auch nach den Rechen­ansätzen gefragt. Bedenken gab es, weil die ungeschminkten Zahlen Betriebe möglicherweise zur Aufgabe der Schweinehaltung treiben könnten. Diese Gefahr ist da. Andererseits gebe ich eine Hilfestellung für die betriebliche Analyse, die jeder ohnehin machen sollte. Ich kenne etliche Kollegen, die vor lauter Arbeit einfach keine Zeit haben, ihre Zahlen ständig zu analysieren. Wer dauerhaft Geld verliert, sollte die Schweinehaltung reduzieren oder sogar einstellen.

"Wer dauerhaft Geld verliert, sollte die Schweinehaltung reduzieren oder sogar einstellen "

Die Erfahrung zeigt, dass Betriebe, die die Produktion einstellen, meistens nicht wieder zurückkommen. Sehen Sie nicht doch die Gefahr, dass Sie den Strukturwandel beschleunigen?

Göckeritz: Das kann so sein, muss aber nicht. Wir planen beispielsweise schon jetzt unseren Wiedereinstieg, ­sobald wir positive Gewinne erwarten können. Im Sommer 2023 wollen wir wieder mit der Selektion von Jungsauen beginnen. Die Aufzucht und Mast fallen dann in den Zeitraum nach der Ernte 2023. Ende Mai 2024 wären wir dann wieder voll am Markt – mit steigenden Preisen in der Grillsaison 2024.

Und wenn es im nächsten Sommer nicht besser aussieht. Was ist dann?

Göckeritz: Das werden wir dann entscheiden. Oft haben kleine Änderungen in den Märkten große Auswirkungen auf unseren Betrieb. In den nächsten Monaten „verbrennen“ wir deutlich weniger Geld als wenn wir mit Verlusten weiter produzieren würden. Das gibt uns letztlich auch die Luft noch länger durchzuhalten. Unseren Abferkelstall können wir noch bis 2033 nutzen, und er funktioniert gut.

Einige Landwirte beklagen, dass die Landwirtschaft zu offen mit betriebswirtschaftlichen Zahlen umgeht. ­Andere Branchen halten Zahlen eher unter Verschluss. Wie sehen Sie das?

Göckeritz: Es kommt auf die veröffentlichten Zahlen an. Wenn Unternehmensgewinne veröffentlicht werden ohne Einkommenssteuer, Sozialversicherungen, Altenteil Lasten, Stundenaufwand und notwendige Eigenkapitalbildung zu berücksichtigen, dann ist das in der Tat kontraproduktiv. Das Schweine-Radar bezieht sich auf Vollkosten. Wenn das Schweine-Radar nachhaltig „fette“ Gewinne ausweist, kann ich ja die Veröffentlichung einstellen. (lacht!)

Woher kommen eigentlich die Zahlen für Ihre Berechnungen?

Göckeritz: Es sind offizielle VEZG-Notierungen. Die Futterpreise stammen beispielsweise von der Kammer Niedersachsen, mit der ich die Kal­kulation auch gegengeprüft habe. Alle Annahmen stehen transparent ­online. Zudem nutze ich biologische Daten vom Thünen Institut (Stand: 11.2.2022). Wo ich keine Daten bekommen habe, habe ich meine Betriebsdaten genommen.

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