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Wie sich der Diesel-Traktor das Rauchen abgewöhnte

EGR, SCR, AdBlue, DOC, DPF: Diese Systeme sorgen in der Abgasanlage eines Traktors für saubere Luft. Was hinter den Abkürzungen steckt und wie das Ganze funktioniert, lesen Sie hier.

Lesezeit: 8 Minuten

Wenn man heute einem Youngtimer bei schwerer Arbeit zusieht, kann man sie noch sehen: Die schwarze Rauchfahne aus dem Auspuff. Dieser Rauch ist die Ursache für die verbreitete Ansicht, Dieselmotoren seien die reinsten Dreckschleudern! Dabei hat sich durch die Abgasgesetze seit ihrer Einführung vor rund 20 Jahren gewaltig etwas getan.

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Bis zur finalen Stufe V, die seit 2018 gilt, wurden die gesundheits- und umweltgefährdenden Stoffe im Abgas im Vergleich zum Abgasstufenstart 2003 schrittweise reduziert: Stickoxide (NOx) um 96 %, Partikel um über 95 %, Kohlenwasserstoffe um 85 % und Kohlenmonoxid (CO) um 30 %. Das gelang den Konstrukteuren nur mit erheblichem technischen Aufwand, der sich dadurch auch im Preis der Maschinen niederschlägt. Man kann davon ausgehen, dass sich die Kosten für die Motoren dadurch mittlerweile verdoppelt haben.

Die Europäische Abgasgesetzgebung unterscheidet übrigens in Stufen (bzw. „Stage“), die mit römischen Zahlen gekennzeichnet sind – bspw. Stufe III. Analog, mit ähnlichen Zielwerten, gibt es die Abgasnormen in den USA, die als „Tier“ mit arabischen Zahlen benannt werden, also z. B. Tier 3.

Wann welche EU-Norm zu erfüllen ist, richtet sich nach der Motorleistung. Aktuell gilt die höchste Stufe V für Motoren von 19 bis 560 kW.

Partikel & Stickoxide im Fokus

Zusammen mit unserem langjährigen Experten, Landmaschinen-Mechanikermeister Reinhard Timpe, haben wir uns angesehen, welche technischen Lösungen die Ingenieure entwickelt haben. Im Fokus stehen dabei vor allem Partikel und Stickoxide, die bei der Abgasnachbehandlung so etwas wie Gegenspieler sind.

Bei einer sehr effizienten Verbrennung mit Sauerstoffüberschuss im Brennraum entstehen hohe Drücke und Temperaturen. Es bilden sich mehr Stickoxide. Dafür läuft der Motor effizient. Durch die vollständige Verbrennung des Kraftstoffs verlassen weniger Partikel den Motor.

Mit der Stufe II ging es los

Durch weniger Sauerstoff im Brennraum kann man die Stickoxid-Bildung bremsen. Allerdings ist die Verbrennung weniger effizient, es entsteht mehr Ruß. Die Motorenhersteller haben Lösungen entwickelt, beide Ziele unter einen Hut zu bringen. Das ging Schritt für Schritt, je nach gültiger Abgasstufe.

Der Einstieg, die Motoren sauberer zu machen, war die Stufe II. Wichtigste Neuerungen waren optimierte Brennmulden in den Kolben, elektronisch geregelte Einspritzpumpen und verbesserte Mehrlocheinspritzdüsen. Die Pumpen konnten die Einspritzung u. a. auf Lufttemperatur, Feuchte und Kraftstofftemperatur abstimmen, was eine bessere Verbrennung brachte. Es handelte sich meist um Verteilereinspritzpumpen mit elektrischen Stell­einrichtungen. Leitungen führten zu den Düsen über jedem Zylinder. Erst später stellten die Firmen auf Common-Rail-Systeme mit Hochdruckpumpen und elektronisch geregelten Injektoren um.

AbgasrückführunG oder AdBlue-Katalysator?

Mit der nächsten Stufe IIIa führten viele Motorenentwickler die Abgasrückführung (AGR) ein. Denn beim Schritt von Stufe II auf III a ging es in erster Linie um das Reduzieren von Stickoxiden.

Bei der AGR unterscheidet man zwischen einer internen und einer externen Rückführung. Bei der internen gibt es einen Vorlaufnocken auf der Nockenwelle. In der Ausstoßphase öffnet kurzeitig auch das Einlassventil und die Abgase können in den Einlasskanal strömen. In der Ansaugphase gelangen Abgase und Frischluft zusammen in den Brennraum. Dadurch sinkt der Sauerstoffgehalt, es entsteht weniger NOx.

Größere Motoren verfügen meist über eine externe Abgasrückführung, die gekühlt ist. Ein Ventil regelt, wie viel Abgas aus dem Auslasskrümmer durch einen Abgaskühler in den Einlassbereich strömt.

Für die Regelung misst die Elektronik die Temperaturen der gekühlten EGR-Luft, Mischluft und der Frischluft. Sie steuert dann nach fest hinterlegten Werten das Ventil. Spätere Lösungen arbeiten mit einem NOx-Sensor und einem Luftmengenmesser im Abgasstrom. Dadurch lassen sich die Stickoxide weiter senken.

Kapitale Motorschäden bei illegalem Tuning

Illegale Tuninglösungen manipulieren häufig dieses Ventil. Es strömt kein Abgas zurück, der Sauerstoffgehalt ist höher. Der Motor läuft dadurch effizienter und wird heißer. Allerdings steigen die Emissionen und auch die Wärmesumme, was zu kapitalen Motorschäden führen kann. Außerdem erlöschen Betriebserlaubnis und Herstellergewährleistung.

Übrigens ging es bei den Vorwürfen gegen VW und andere Autofirmen um die Manipulation des AGR-­Ventils. Die Hersteller wollten so erreichen, dass ihre Motoren u. a. weniger Diesel verbrauchen. Effizienz und Umweltschutz sind nicht zwangsläufig miteinander verbunden. Moderne Abgassysteme sind mittlerweile sehr gut gegen Manipulationen per Laptop geschützt.

Eine weitere Möglichkeit zum Reduzieren des Sauerstoffgehalts ist die Voreinspritzung einer geringen Dieselmenge. Das machen einige Marken bei moderneren Motoren mit Common-Rail-Einspritzung (z. B. Power-Tech E-Motor von John Deere).

SCR-Only-Strategie

Bereits zur Abgasstufe IIIa entschied sich FPT, die Motorenmarke CNH (u. a. Case IH und New Holland) ab einer Nennleistung von rund 90 PS zur SCR-Only-Strategie.

SCR bedeutet selektive katalytische Reduktion. Dazu benötigt das System eine wässrige, 32,5 %ige Harnstofflösung, die unter AdBlue bekannt ist. In einem chemischen Prozess reduziert der Harnstoff die Stickoxide zu elementarem „Luftstickstoff“ (N2) und Wasser. Der Wirkungsgrad erreicht bis zu 90 %.

Vorteil: Der Motor kann ungehindert auf Effizienz getrimmt werden. Denn dahinter reduziert der SCR-Kat die Stickoxidgehalte. Durch die heiße Verbrennung bleiben die Partikel in dieser Abgasstufe unterhalb der kritischen Grenze, zur Nachbehandlung sind keine weiteren Elemente notwendig. Daher die Bezeichnung SCR-Only, also „nur“ SCR.

Der SCR-Kat besteht innen aus einem Gewebe, das mit Edelmetallen beschichtet ist, um die Oberfläche zu vergrößern. NOx-Sonden vor und hinter dem Katalysator regeln die Adblue-Einspritzmenge.

Den Abschluss macht teils noch ein CUC, ein Clean Up Catalyst. Dieses Bauteil soll verhindern, dass Ammoniak am Auspuff austritt. Je nach Typ der Abgasanlage liegt die AdBlue-Einspritzmenge zwischen ca. 3 und 6 % des Dieselverbrauchs, teils auch höher. Die Anlage ist aufwendig. Nach dem Motorstopp hört man oft noch das Nachlaufen einer elektrischen Pumpe. Sie saugt das Leitungssystem leer, denn AdBlue neigt zum Auskristallisieren.

Wenn der AdBlue-Tank leer ist, der Schlepper aber trotzdem weiterfährt, regelt die Elektronik die Motorleistung in 10%-Schritten herunter (Derating). Der Traktor zieht nicht mehr richtig.

Man kann in diesem Fall meist nicht einfach nachtanken und wieder weiterfahren. Beim Service muss der Traktor 30 bis 45 Minuten vor der Bremse laufen. Dabei checkt die Elektronik, ob die Stickoxide im Abgas reduziert werden. Erst dann ist der Traktor wieder voll betriebsbereit. Die Elektronik „merkt“ sich außerdem, dass der Schlepper im Derating war. Sollte innerhalb der nächsten 40 Betriebsstunden wieder kein AdBlue am Kat ankommen, geht die Leistung direkt um 50 % zurück.

Der ganze technische Aufwand schlägt sich im Preis nieder. Je nach Größe und Bauform kostet ein AdBlue-Kat im Schnitt 3.500 €.

Doch zum Zeitpunkt der Abgasstufe IIIa setzten die meisten Hersteller noch auf Lösungen ohne AdBlue. Der Kunde sollte nur einen Betriebsstoff vorhalten müssen. Es gab eine regelrechte Marketingschlacht rund um den „Gesamt-Flüssigkeitsverbrauch“.

Weniger Partikel

Einen gewaltigen Schritt zu weniger Schadstoffen im Abgas bedeutete die Stufe IIIb bzw. Tier 4i. Besonders die Partikel rückten jetzt in den Fokus. Die Partikel bestehen aus Kohlenstoff (Ruß) und schädlichen Kohlenwasserstoffen.

Der strengere Partikelgrenzwert machte bei vielen Dieselmotoren zwei weitere Elemente erforderlich: Den Dieseloxidationskatalysator (DOC) und dahinter den Dieselpartikelfilter (DPF). Zusätzlich erhöhten die Firmen den Einspritzdruck ihrer Common-Rail-Anlagen. Je feiner der Diesel zerstäubt ist, desto weniger Partikel bilden sich.

Im DOC spalten sich die Partikel bei Temperaturen von mindestens 300 °C in ihre Bestandteile auf. Dahinter folgt häufig ein DPF. Der Filter lagert die Partikel zunächst ein, er belädt sich. „Grobe“ Partikel verbrennen normalerweise direkt bei Abgastemperaturen ab 300 °C. Wenn der Motor allerdings häufig nur in Teillastbetrieb läuft, muss der Filter sich aktiv regenerieren. Das ist bei „feinen“ Partikeln übrigens immer notwendig.

Grenzwert löst Regeneration aus

Die Elektronik ermittelt durch Messen der Druckdifferenz vor und hinter dem Filter den Staudruck. Ab einem in der Software festgelegten Grenzwert löst sie die Regeneration aus. Dazu schließt sich eine Ansaugluftklappe, es steht weniger Sauerstoff zur Verbrennung zur Verfügung. Gleichzeitig steigt die Einspritzmenge. Der zunächst unverbrannte Kraftstoff im Abgas heizt DOC und DPF auf 570 bis 630 °C auf und auch die „feinen“ Partikel verbrennen.

Weil dabei Funken aus dem Auspuff austreten können, darf die Regeneration nur in sicherer Umgebung ablaufen. Der Fahrer hat deshalb die Möglichkeit, die Regeneration per Tastendruck einige Male zu unterdrücken.

40 Minuten Regeneration

Irgendwann ist der Staudruck im Filter aber so hoch, dass die Elektronik wie beim leeren AdBlue-Tank ins Derating geht und die Leistung reduziert. Jetzt ist eine Regeneration im Stand erforderlich. Diese kann durchaus bis zu 40 Minuten dauern.

Nach dem Prozess bleibt feine Asche zurück, die sich im Filter ansammelt. Anhand von Betriebsdauer und Reststaudruck erkennt die Elektronik den Zeitpunkt, wann sich die Filter nicht mehr ohne Weiteres regenerieren lassen. Dann steht meist ein Austausch an. Je nach Einsatzspektrum ist das im Schnitt nach 6.000 bis 7.000 Stunden der Fall.

Die Kosten für einen neuen Filter bewegen sich bei durchschnittlich 3.500 €. Teils gibt es aufbereitete Filter im Austausch. Über einen Code müssen diese dann im Steuergerät des Motors freigeschaltet werden.

Stufe IV: Ohne AdBlue gehts nicht mehr

Mit der Stufe IV (analog Tier 4f) mussten die Stickoxide noch einmal weiter runter. Motoren über ca. 75 PS kommen jetzt nicht mehr ohne AdBlue-Einsatz aus.

Die vorerst letzte Abgasstufe V hat vor allem Feinpartikel ins Visier genommen. Einige Abgasanlagen konnten die Werte auch ohne Aufrüstung erfüllen. Bei anderen wurden zusätzliche Feinpartikelfilter notwendig.

Frühe Anlagen zur Abgasnachbehandlung waren sehr groß. Oft beeinträchtigte ein großer „Topf“ am rechten Kabinenholm die Sicht des Fahrers. Mittlerweile gelingt es den Konstrukteuren, die einzelnen Bauteile miteinander zu kombinieren. Sie sind dann oft klein genug, dass sie wieder unter der Motorhaube verschwinden. Abgesehen von der fehlenden Abgasfahne gibt es dann kaum einen optischen Unterschied zu früher, als die Auspuffanlage nur ein Schalldämpfer war.

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