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Humus aufbauen gegen Bezahlung?

Hunderte von Landwirten sind in das Carbon Farming eingestiegen und wollen gegen Entgelt den Humusgehalt ihrer Böden erhöhen. top agrar hat mit zwei Pionieren gesprochen.

Lesezeit: 6 Minuten

Als Christoph Uhl dieses Frühjahr die Ergebnisse seiner Bodenproben zum ersten Mal sah, leuchteten seine Augen. Der durchschnittliche Humusgehalt seiner 24 Schläge, die er beproben ließ, lag bei 3,78 %. Damit war der Humusanteil um 0,34 % höher als drei Jahre zuvor – und das ohne zusätzliche organische und mineralische Düngung in dieser Zeit.

Die ermittelten Werte sind miteinander vergleichbar, weil ein Dienstleister bei beiden Probenahmen jeweils 25 Einstiche pro Schlag in 25 cm Tiefe und per GPS-Erfassung immer an den gleichen Punkten vorgenommen hat.

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30 € pro Tonne CO2

Die Bodenuntersuchungen sind Bestandteil eines Vertrages, den der Biolandwirt aus Unterschneidheim im Ostalbkreis Anfang 2018 mit dem oberschwäbischen Zertifikatehändler Carbocert abgeschlossen hat. Die Vereinbarung lautet: Wenn der Landwirt den Humusgehalt seines Bodens innerhalb eines vereinbarten Zeitraumes nachweislich steigert und somit CO2 bindet, bekommt er das mit 30 € pro gebundener Tonne CO2 vergütet. Carbocert verkauft dann in diesem Umfang CO2-Zertifikate an Unternehmen in Süddeutschland, die ihren CO2-Ausstoß regional kompensieren wollen.

Landwirt Uhl konnte auf einer Fläche von 80 ha in drei Jahren insgesamt 720 t Humus aufbauen. Der Wert errechnet sich wie folgt: Fläche in m2 x Einstichtiefe x spezifischem Gewicht des Bodens x Erhöhung des Humusgehaltes.

Durch die Humusanreicherung hat Uhl zusätzlich ca. 1 500 t CO2 in seinen Böden gebunden. Die Rechnung lautet: 720 t Humus : 1,72 = 418,6 t Kohlenstoff; 418,6 t Kohlenstoff x 3,67 = 1536 t CO2

20 % verbleiben als Puffer

Diese Menge wiederum hat einen Gegenwert eines mittleren fünfstelligen Betrages. Davon erhält er zunächst nur 80 % ausgezahlt. Zudem muss der Landwirt davon noch die Entnahme und Untersuchung der Bodenproben in einem zertifizierten Labor bezahlen. Pro Mischprobe, die eine Schlaggröße von bis zu 5,9 ha abdecken kann, fallen hier Kosten von rund 110 € an.

Die restlichen 20 % der ursprünglichen Auszahlungsleistung verbleiben als Puffer für den Fall, dass der Humusgehalt in den Folgejahren wieder rückläufig sein sollte. Denn in diesem Fall müsste der Wert der entsprechenden CO2-Freisetzung wieder in gleicher Höhe zurückgezahlt werden. Die Verträge mit Carbocert laufen je nach Vereinbarung zwischen acht und 20 Jahren, wobei die Intervalle für die Folgeuntersuchungen variabel sind.

Die Gefahr eines Einbehaltes besteht durchaus, weil sich der Humusgehalt, z. B. durch die Bearbeitung des Bodens wieder abbauen kann. Die Herausforderung besteht somit darin, den Humus bzw. den organischen Kohlenstoff dauerhaft zu binden.

Ackerbauer Uhl ist überzeugt, dass er das schafft. Zusammen mit seinem Kooperationpartner Herbert Ulrich hat er sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Humusaufbau und Bodenleben beschäftigt und dazu fortgebildet.

Mikroorganismen und Untersaaten

Uhls Ansatz lautet, das Bodenleben durch die gezielte Ausbringung von Mikroorganismen, viel Luft für den Boden und durch Untersaaten zu fördern. Die Bakterien vermehrt er in Tanks auf seinem Hof in der Regel selbst und sprüht diese, z. B. vor dem Einarbeiten der Untersaaten, als sogenannte „Rottelenker“ auf den bewachsenen Boden.

Die Untersaaten bringt Uhl in der Regel zum letzten Hacktermin aus, wobei er auf eine sehr vielseitige Mischung verschiedener Pflanzenarten setzt. Der relative späte Saattermin ist möglich, da er alle Kulturen auf Dämmen mit einem Reihenabstand von 50 cm sät.

Auch unabhängig vom Entgelt für die Humuszertifikate scheint sich der Aufwand für Uhl zu lohnen. „Unsere Böden sind dunkler geworden, haben eine gute Krümelstruktur, lassen sich leichter bearbeiten. Und die Bestände sind homogener und die Erträge stabiler“, freut sich der Ackerbauer.

Mangelhafte Bodenstruktur

Ähnliche Erfahrungen hat auch Milchviehhalter Johannes Mayer aus Berghülen im Alb-Donau-Kreis gemacht, der 2018 ebenfalls mit Carbocert einen Vertrag zum Humusaufbau abgeschlossen hat. Obwohl sein Betrieb seit 30 Jahren biologisch bewirtschaftet wird und er 2015 auf pfluglose Bodenbearbeitung mit einem Gänsefußgrubber umgestellt hatte, war er mit der Struktur seine Bodens nicht richtig zufrieden.

„Bei Spatenproben zeigten sich gerade Kanten, die auf eine ungünstige Bodenstruktur und geringe biologische Aktivität deuten“, erklärt Mayer. Bei Versickerungstests ließ auch die Wasseraufnahmefähigkeit zu wünschen übrig.

Seit 2018 sät er in alle Kulturen Untersaaten und setzt Effektive Mikroorganismen (EM) zum Umbruch der Untersaaten bzw. der winterharten Begrünungen als Rottelenker ein. Zudem streut er die EM auch im Stall auf Gülle und Festmist, um deren Rotte zu lenken.

Mayer verwendet jetzt einen Grubber, der auf zwei Bearbeitungstiefen den Boden lockert. Die Untersaaten arbeitet er maximal 20 Tage vor der Saat der Folgefrucht ein, sodass seine Böden fast immer bedeckt und von lebenden Wurzeln durchzogen sind.

Die Maßnahmen haben sich in einem deutlich höheren Humusgehalt niedergeschlagen. Von den 80 ha, die er 2018 erstmals beproben ließ, hat er bisher rund 30 ha ein zweites Mal untersuchen lassen. Auf diesen Flächen stieg der Humusgehalt in drei Jahren im Durchschnitt von 4,60 auf 5,74 % an, also um 1,14 %. Das entspricht einer CO2-Bindung von etwa 1 000 t.

Weiße Weste für Wirtschaft?

Der finanzielle Aspekt stand für den Biolandwirt nicht an erster Stelle, als er den Vertrag mit Carbocert abschloss: „Mich hat vor allem interessiert, wie nachhaltig meine Wirtschaftsweise ist.“ Wie für Landwirt Uhl sei es nicht das Ziel, CO2-Emittenten aus der Wirtschaft eine weiße Weste zu verschaffen, sondern mit einer nachhaltigen Bewirtschaftung selbst Wertschätzung und Wertschöpfung zu erreichen.

Auch er hat eine Verbesserung der Bodenstruktur festgestellt: „Meine Böden lassen sich jetzt leichter bearbeiten und ihr Wasseraufnahmevermögen ist höher.“ Bei einem Starkregen von 60 Litern in 20 Minuten habe es auch auf hängigen Maisäckern keine Bodenabschwemmungen gegeben. Einziger Wermutstropfen: Die Erträge scheinen leicht rückläufig zu sein, wobei die Witterung der letzten drei Jahre entweder zu trocken oder zu nass war.

Humuszertifikate: „400 Landwirte unter Vertrag“

Der Zertifikatehändler Carbocert mit Sitz in Bodnegg im Landkreis Ravensburg wurde 2016 gegründet, ist TÜV-zertifiziert und hat eigenen Angaben zufolge bereits Verträge zum Humusaufbau mit 400 Landwirten und mehr als 16 000 ha in Deutschland und in der Schweiz abgeschlossen. Bisher wurden 557 ha nachuntersucht. Davon hatten 425 ha einen positiven Humusaufbau. Die CO2-Bindung auf diesen Flächen beträgt insgesamt 10 131 t.

Laut Firmengründer Wolfgang Abler, der selbst Landwirtschaftsmeister ist, lägen sehr viele Bestellungen für Humuszertifikate von Emittenten vor, weil sich immer mehr Käufer für eine regionale Kompensation durch Humusaufbau entscheiden.

Dieser Beitrag stammt aus der Dezember-Ausgabe von top agrar Südplus.

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