Um die Studie zu den Ertragsunterschieden Öko versus konventioneller Landbau, die der Industrieverband Agrar (IVA) am 11. Januar veröffentlicht hatte, gibt es erwartungsgemäß viel Kritik von Seiten der Biolandwirtschaft.
Zuletzt warf der BÖLW dem Marktforschungsinstitut HFFA, das bestehende Studien neutral auswertete und zusammenfasste, vor, im Auftrag der Industrie „pseudowissenschaftliche Propaganda“ zu betreiben. Aus Sicht der Ökoverbände missbrauche der IVA Zahlen des Thünen-Instituts, das seit Jahren für die offizielle Statistik Vergleichsdaten über die Erträge ökologisch und konventionell wirtschaftender Betriebe erhebt.
Das will der IVA nicht auf sich sitzen lassen und brachte zur traditionellen Pressekonferenz des Verbandes auf der Grünen Woche den leitenden Marktforscher von HFFA, Dr. Steffen Noleppa, mit. Zuvor stellte IVA-Hauptgeschäftsführer Volker Koch-Achelpöhler klar: „Die Wortwahl des BÖLW-Vorsitzwenden Felix Prinz zu Löwenstein ist nicht nur unangemessen, seine Kritik ist vor allem sachlich falsch.“ Die Studie basiere auf Daten, die nach einem geregelten Verfahren erhoben wurden. „Es ist in der Wissenschaft bekannt, dass im deutschen Ökolandbau für die gleiche Erntemenge durchschnittlich etwa die doppelte Fläche benötigt wird. In dieser Frage kann sich die Ökolandwirtschaft nicht einfach wegducken, weil ihr die Zahlen nicht gefallen“, so Koch-Achelpöhler.
Das sitzt: Details aus dem Frontalangriff des IVA
Auf der Grünen Woche legte der Industrieverband nach und erteilte Dr. Noleppa das Wort, der die Studie erläuterte. Demnach halte die weithin verbreitete Vorstellung, dass ökologischer Landbau vorteilhafter für den Erhalt der Artenvielfalt sei als konventioneller Landbau, einer gründlichen wissenschaftlichen Überprüfung nur sehr bedingt stand.
Lediglich bei einer Betrachtung, die allein die bewirtschaftete Ackerfläche zum Maßstab nimmt, schneide er besser ab. Bezogen auf den Ernteertrag (z. B. eine Tonne Weizen je Hektar) gehe dagegen deutlich weniger Artenvielfalt bei konventioneller Bewirtschaftung verloren. „Die Ursache dafür ist der mehr als doppelt so hohe Flächenertrag der produktiveren modernen Landwirtschaft“, schilderte der Marktforscher.
Demnach erzielte der ökologische Landbau im gewogenen Mittel aller Ackerbaukulturen in den Wirtschaftsjahren 2010/11 bis 2013/14 durchschnittlich 51 % geringere Erträge – was im Umkehrschluss bedeutet, dass der Flächenbedarf für die Herstellung der gleichen Erntemenge mehr als doppelt so hoch war.
„Ökolandbau vernichtet mehr Artenvielfalt als gedacht“
Weniger groß sind dagegen laut Noleppa die Unterschiede bei den Verlusten an Artenvielfalt, die die beiden Bewirtschaftungsformen nach sich ziehen, wie eine im Rahmen der Studie vorgenommene Auswertung einschlägiger wissenschaftlicher Studien zeigte. „Verglichen mit einem natürlichen Ökosystem weist eine Agrarfläche in ökologischer Bewirtschaftung bereits eine durchschnittlich um 67 % geringere Artenvielfalt auf; denn auch der Bio-Bauer schützt sinnvoller Weise durch zahlreiche Maßnahmen seine Kulturpflanzen vor Unkräutern, Pilzen oder Schädlingen“, so der Fachmann weiter. Durch die Eingriffe im konventionellen Landbau, zu denen auch Maßnahmen des chemischen Pflanzenschutzes gehören, gehe die Artenvielfalt dagegen im Mittel um 86 % gegenüber einem natürlichen Ökosystem zurück, der Unterschied sei also gar nicht so groß.
Bei der vergleichenden Bewertung der Effekte von ökologischem und konventionellem Landbau auf die Artenvielfalt braucht es nach Ansicht von Noleppa eine mehrdimensionale Perspektive. Eine eindimensionale, nur auf die Fläche bezogene Betrachtung übersieht das primäre Ziel des Ackerbaus, nämlich die Produktion von Nahrungsmitteln und anderen Agrarrohstoffen. Angemessen ist nach Auffassung des Wissenschaftlers daher, die Biodiversitätsverluste in Beziehung zu setzen zur Erntemenge je Flächeneinheit. „Berücksichtigt man die deutlich höheren Flächenerträge im konventionellen Anbau, zeigt sich dann, dass der ökologische Landbau einen um 55 % größeren Verlust an Artenvielfalt je Ertragseinheit verursacht.“
In der EU-Zulassungsverordnung 1107/2009 hat der europäische Gesetzgeber vorgegeben, dass Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem zu berücksichtigen sind, soweit es wissenschaftlich anerkannte Methoden dafür gibt. „Alle bisher bekannten Ansätze dazu bleiben eindimensional, weil sie allein auf die Agrarflächen abstellen, die Ertragseffekte aber ausblenden. Das ist nicht nur sachfremd, sondern womöglich auch kontraproduktiv: Denn je Ertragseinheit, z. B. einer Tonne Weizen je Hektar, verursacht moderner Ackerbau in Deutschland geringere Verluste an Biodiversität als der Ökolandbau oder Importe aus anderen Weltregionen“, kommentierte IVA-Präsident Dr. Helmut Schramm die HFFA-Studie: „Wir brauchen eine mehrdimensionale Bewertung der Effekte, die die moderne Landwirtschaft und ihr Pflanzenschutzeinsatz auf die regionale und globale Biodiversität haben.“
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