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Biodiversität

Landinsekten unter Druck

In einer Meta-Analyse zur weltweiten Lage der Insekten kam es zu Fehlinterpretationen durch Bill Wirtz, Policy Analyst für das Consumer Choice Center. Hier eine Richtigstellung.

Lesezeit: 4 Minuten

Kürzlich wurden die Ergebnisse einer neuen Meta-Analyse zur weltweiten Lage der Insekten vorgestellt. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse dieser Studie und welche Forscher waren daran beteiligt?

Dr. van Klink:Ich habe zusammen mit Kolleginnen und Kollegen am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung untersucht, ob sich die Gesamtmenge der Insekten, gemessen als Biomasse oder Individuenzahl, weltweit verändert hat. Dazu haben wir Daten aus allen Langzeiterfassungen von Insektenbeständen gesammelt, die wir auf der ganzen Welt finden konnten. Wir fanden heraus, dass die Entwicklung der Bestände an verschiedenen Standorten sehr unterschiedlich verlaufen ist. An vielen Orten gibt es jetzt weniger Insekten als in der Vergangenheit, aber an anderen Orten sind es jetzt mehr. Im Durchschnitt hat die Zahl der landlebenden Insekten über den Beobachtungszeitraum um etwa 9 % pro Jahrzehnt abgenommen, während die Zahl der Süßwasserinsekten um 11 % zugenommen hat. Besonders in Europa hat sich der Rückgang der Landinsekten in den letzten Jahrzehnten verschlimmert.

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Wie ist die Situation der Landinsekten im Vergleich zu den Süßwasserinsekten zu beurteilen?

Dr. van Klink:Wir gehen davon aus, dass die Zunahme der Süßwasserinsekten mit den Verbesserungen der Wasserqualität, die in den letzten 60 Jahren stattgefunden haben, zusammenhängt. Bis in die 1960er Jahre war die Wasserqualität in den meisten westlichen Ländern extrem schlecht. Danach wurden Kläranlagen installiert, bestimmte Pestizide verboten, und die Verschmutzung durch Schwermetalle und Chemikalien ging zurück. Die Erholung der Süßwasserinsekten legt nahe, dass eine gute Gesetzgebung und Schutzmaßnahmen den Insekten helfen kann, sich zu erholen.

Da Süßwasser weniger als 3 % der Landfläche der Erde ausmacht, ist es leider unwahrscheinlich, dass die Zunahme der Süßwasserinsekten den Verlust von landlebenden Insekten ausgleichen kann. Die Wasserinsekten können auch keine für die Landwirtschaft wichtigen Ökosystemleistungen wie Bestäubung und Schädlingsbekämpfung leisten, wie Landinsekten das können. Sie können aber möglicherweise die Nahrung von Vögeln oder Fledermäusen in Wassernähe ergänzen.

Wie schneidet Deutschland beim Insektenvorkommen im Vergleich zu anderen EU-Ländern ab?

Dr. van Klink:Zunächst einmal ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich unsere Forschung nur auf die Veränderungen der Gesamtzahl der Insekten konzentriert hat, sodass wir nichts über die Anzahl der Arten oder den Zustand der einzelnen Arten sagen können.

Für die landlebenden Insekten sieht die Situation in Deutschland leider schlechter aus als im weltweiten Durchschnitt und auch schlechter als im europäischen Durchschnitt. In Deutschland haben wir einen durchschnittlichen Rückgang von 19 % pro Jahrzehnt festgestellt. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern schneidet Deutschland schlechter ab als Osteuropa (das um den weltweiten Durchschnitt von -9 % pro Jahrzehnt liegt) und schlechter als Großbritannien und das übrige Westeuropa, die in unseren Daten im Durchschnitt keine Veränderung zeigten.

Bei den Wasserinsekten hatten wir nicht genügend Daten, um einen Trend für Deutschland zu berechnen, aber für ganz Westeuropa zusammengenommen gab es große Unterschiede in den Trends und daher im Durchschnitt keine Veränderung. Nur für Nordeuropa konnten wir einen positiven Trend ausweisen, der mit der globalen Erwärmung zusammenhängen könnte.

Was sind Ihrer Ansicht nach die Ursachen für den Rückgang der Landinsekten?

Dr. van Klink:Andere Forscher haben lange Listen mit möglichen Ursachen für den Rückgang der Landinsekten veröffentlicht. Dazu gehören unter anderem: Lichtverschmutzung, Zerstörung von Lebensräumen, einige landwirtschaftliche Praktiken wie die erhöhte Mähfrequenz und einige Aspekte des Klimawandels. In einer neueren Studie wurde gezeigt, dass pflanzenfressende Insekten auch zurückgehen könnten, weil die Zunahme von Kohlendioxid in der Atmosphäre dazu führt, dass Pflanzen weniger nahrhaft sind.

Mit unseren Daten konnten wir nur wenige dieser Ursachen auf globaler Ebene prüfen. Wir stellten fest, dass die Verstädterung negativ auf Landinsekten wirkt, was wahrscheinlich mit der Zerstörung von Lebensräumen zusammenhängt. Wir hatten nicht viele Daten von Orten, an denen natürliche Lebensräume durch Landwirtschaft ersetzt wurden, aber wir können davon ausgehen, dass dies denselben Effekt hat wie die Zerstörung der Natur zum Bau einer Stadt: einen Rückgang der Insektenzahl. Orte mit einem hohen Anteil an Ackerland waren stabiler als Gebiete ohne Ackerland. Hier muss jedoch gesagt werden, dass in unseren Daten Gebiete mit sehr hohem Ackeranteil unterrepräsentiert und Naturschutzgebiete überrepräsentiert waren. Wir brauchen dringend mehr Untersuchungsdaten aus Gebieten, in denen sich die Landnutzung verändert, sowie aus intensiv landwirtschaftlich genutzten und städtischen Gebieten.

Wir konnten keine eindeutigen Auswirkungen des Klimawandels feststellen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass jede Insektenart an jedem Standort auf ihre eigene Weise auf Temperatur- und Niederschlagsveränderungen reagiert.

Das Gespräch führteMatthias Bröker, Redakteur top agrar.

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