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Kritik an Krefelder Forschern

Neue Studie entlastet Landwirtschaft – Insektenrückgang liegt oft am Wetter

Krefelder Forscher hatten 2017 behauptet, die Landwirtschaft sei schuld am Rückgang der Insekten. Neue Untersuchungen zeigen, dass dafür stattdessen vielmehr das Wetter verantwortlich ist.

Lesezeit: 6 Minuten

Der Faktor Wetter spielt eine wichtige Rolle bei den Schwankungen in den langjährigen Trends der Insektenbiomasse. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie eines Teams aus Deutschland und der Schweiz, die im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht wurde.

Auf Grundlage der Daten der viel zitierten Krefeld-Studie, auch oft Hallmann-Studie genannt, analysieren sie Anstiege und Rückgänge der Insektenbiomasse über 34 Jahre und das Wetter und Wetteranomalien an den Orten der Probennahme. Bis zu 75 % der Trends ließen sich so mit diesen Faktoren erklären, wenn sie zusätzlich zum Wetter auch räumliche und zeitliche Auflösungen der Habitate berücksichtigten, so die Forschenden. Diese Studie wirft ein neues Licht auf die intensive Debatte um die möglichen Ursachen des so genannten Insektensterbens.

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Umstrittene Krefeld-Studie gab Bauern die Schuld

2017 erschien die Krefeld-Studie, für die 27 Jahre lang die Entwicklung der Biomasse fliegender Insekten beobachtet wurde. In diesem Zeitraum wurde dabei ein Rückgang um 76 % beobachtet, ohne dass die Studie dabei die Ursachen für diesen Trend belegen konnte. Als diese werden vor allem die intensive Landwirtschaft, die zunehmende Umweltbelastung, die fortschreitende Fragmentierung der Lebensräume der Insekten, der Klimawandel und die Lichtverschmutzung diskutiert.

In der Krefeld-Studie konnte keine klare Ursache für den starken Rückgang der Insektenbiomasse identifiziert werden - Prof. Dr. Axel Hochkirch

Für die nun vorliegende Analyse ergänzten die Forschenden zum einen die Daten der Krefeld-Studie mit Probennahmen für spätere Jahre, allerdings in Regionen, die bei Hallmann nicht untersucht wurden. Angeregt wurden sie dabei durch die Beobachtung, dass die Biomasse der Insekten im Jahr 2022 größer war als der langjährige Trend erwarten ließ und in der Größenordnung der späten 1980er-Jahre lagen. Dies kombinierten sie mit Wetterdaten, einschließlich Informationen über Temperaturen und Niederschläge während der Probenahme.

Auch Wetteranomalien während der verschiedenen Lebensphasen der Insekten wurden berücksichtigt. Sie fanden, dass bis zu 75 % der Schwankungen der in den Fallen gefundenen Biomasse erklärt werden können, wenn neben räumlichen und zeitlichen Variablen auch Wetterbedingungen und -anomalien einbezogen werden. Die Forschenden schließen daraus, dass Veränderungen des Wetters durch den Klimawandel auch in Deutschland schwerwiegende Folgen für Insekten haben könnte.

Stimmen: Warum gab es nur Fallen für fliegende Insekten?

„Das Insektensterben ist ein recht komplexes Phänomen. Unsere eigenen Studien bestätigen, dass es Gewinner und Verlierer sowohl des Klimawandels als auch des Landnutzungswandels gibt und dass diese beiden Faktoren interagieren“, sagt Prof. Dr. Axel Hochkirch vom Nationalmuseum für Naturgeschichte Luxemburg.

„Ich bin beeindruckt von der Gründlichkeit der Analyse", sagt Dr. Roel van Klinkvom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), Leipzig. Die Autoren der aktuellen Studie scheinen einen Weg gefunden zu haben, einen großen Teil der Schwankungen in der Biomasse der Malaise-Fallen mit der Einbeziehung von nur wenigen Wettervariablen erklären zu können, so der Fachmann.

"Dies ist seit Jahrzehnten ein heikles Thema, weil niemand weiß, welche Wettervariablen für Insekten am wichtigsten sind. Schließlich könnte jedes Wetterphänomen in jeder Woche des Jahres einen Einfluss auf die Insekten haben. Die Autoren haben dies mit Insektenexperten eingehend diskutiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass das auch Winterwetter und das Frühlingswetter im Probejahr und im vorherigen Jahr für die hier untersuchten Fluginsekten wichtig sind“, so van Klink.

Er prangert in dem Zuge die Methode des Insektenfangs (Malaise-Fallen) an. Denn damit könne man nur fliegende Insekten und deren Aktivität messen. Wenn die Insekten stillsitzen, wie sie es bei schlechtem Wetter tun, würden sie nicht gefangen, und über auf dem Boden lebende Insekten sage das überhaupt nichts aus, kritisiert van Klink. "In diesem Sinne ist es also kein Wunder, dass das Wetter einen wichtigen Einfluss auf die Fänge hat. Die eigentliche Frage ist also, warum Hallmann in ihrer bekannten Studie, die hier als Datengrundlagen genutzt wird, dies nicht ausreichend festgestellt haben."

Ökologe: Ja, aber die Bauern arbeiten auch je nach Wetterlage

Dr. Carsten Brühl von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau stellt fest, dass vor allem die Bodenfeuchtigkeit und die Temperatur entscheidend seien. Er gibt aber zu bedenken, dass das Wetter auch einen Einfluss auf die landwirtschaftliche Praxis habe, zum Beispiel die Termine des Pflügens, der Aussaat und des Mähens, die alle relevant für Insekten sind. „Auch Pestizide werden je nach Wetter mehr oder weniger eingesetzt. So führen zum Beispiel bestimmte feuchte Wetterlagen im Frühjahr zu einer starken Entwicklung von Blattläusen und damit zu einem verstärkten Einsatz von Insektiziden.“

Somit sei das Wetter ein zwar wichtiges Korrelat von Insektenbiomasse, aber es müssen kausal nicht höhere Frühjahrstemperaturen sein, die die Insektenbiomasse verändern, sondern zum Beispiel der wetterbedingte Pestizideinsatz. Dieser werde in der aktuellen Studie weder berücksichtigt noch diskutiert, kritisiert der Leiter der Arbeitsgruppe Ökotoxikologie und Umwelt, Institut für Umweltwissenschaften.

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"Auch die neue Studie ist ungeeignet, die Ursachen zu finden"

Lesen Sie einen Kommentar von Prof. Dr. Christoph Scherber, Leiter Zentrum für Biodiversitätsmonitoring (zbm), für top agrar:

Weder die Krefeld-Studie, noch die nun in „Nature“ veröffentlichte Studie sind geeignet, wirklich die „Ursachen“ des Insektensterbens herauszufinden. Darüber hinaus beziehen sich beide Studien nur auf Biomasse und machen keine Aussage zu den Insekten-Arten und deren Dynamik in Agrarlandschaften. Die Zeitreihen in beiden Studien sind zu kurz, um Ursachen aufzudecken – stattdessen wären kontrollierte Feldversuche und hypothesengetriebenes Biodiversitätsmonitoring nötig.

Die Krefeld-Studie fand ausschließlich in Naturschutzgebieten statt (das wird häufig vergessen) – es geht also (eigentlich) vor allem darum, wie man Schutzgebiete so gestalten kann, dass sie langfristig genügend Insektenvielfalt erhalten. Dazu gehört ganz wesentlich auch die Vernetzung auf Landschaftsebene, zum Beispiel durch Feldsäume, Hecken oder Blühstreifen. All dies steht nicht im Konflikt mit der normalen Landwirtschaft – im Gegenteil, hier lassen sich ertragreiche Landbewirtschaftung und Biodiversitätsschutz kombinieren.

Es besteht breiter Konsens sowohl in der Wissenschaft, als auch unter Landwirten und Industrieunternehmen, dass etwas gegen den Rückgang der Biodiversität unternommen werden muss. Wir sind auf einem guten Weg – nun all diese Anstrengungen „wegzuschieben“ und alles auf das Wetter zu schieben, bringt uns in der Debatte nicht weiter. Landwirtschaft und Biodiversitätsschutz funktionieren nur gemeinsam – Artenvielfalt hat einen unschätzbaren Wert auch für unsere Erträge in der Landwirtschaft. Man denke nur an Bodengesundheit oder Biologische Schädlingsbekämpfung.

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