Am 27. Juni hieß es Bilanz ziehen über mehr als zehn Jahre Insektenschutz im intensiven Maisanbau. Dazu hatte Bayer CropScience Deutschland auf den Betrieb Bolzhof nach Dettenheim eingeladen.
Bei dem Projekt, das an diesem Tag in Theorie und Praxis vorgestellt wurde, handelt es sich um das wahrscheinlich längste und flächenmäßig umfassendste Blühflächenprojekt in Deutschland. Gestartet hat man im Jahr 2010 mit zwei landwirtschaftlichen Betrieben aus Rheinmünster und Dettenheim am Oberrhein. Von Beginn an wurde das Projekt wissenschaftlich begleitet. Das Besondere ist, dass die Blühflächen voll in die landwirtschaftliche Produktion der Betriebe integriert sind.
Mehrjährige Blühstreifen überzeugten
Im Fokus stehen unter anderem Aspekte wie Blühmischungen beschaffen sein müssen. So brachten am Oberrhein mehrjährige Blühstreifen aus Naturschutzsicht sehr gute Ergebnisse. Die Arten- und Individuenzahlen bei Wildbienen nahmen deutlich zu, es tauchen auch zunehmend Rote-Listen-Arten auf.
Von Vorteil in diesem Projekt ist die Vielfalt der Blühmischungen, das kontinuierliche Blühflächenangebot und die Vernetzung der Bestäuber-freundlichen Lebensräume. „Es wurden vernetzte Strukturen geschaffen und die Blühflächen sind so geplant, dass sie die betrieblichen Abläufe nicht stören – im Gegenteil: sie sind Teil der betrieblichen Praxis und mittlerweile auch der Fruchtfolge der Betriebe“, beschreibt Julia Köbele, zuständig für den Bereich Nachhaltigkeit bei Bayer CropScience Deutschland, die Erfolgsfaktoren.
Projektpartner sind neben Bayer und den Landwirten Gernot Bolz (Bolzhof Dettenheim)und Reiner Graf (Birkenhof Rheinmünster) das Institut für Agrarökologie und Biodiversität (IFAB) und das Institut für Landschaftsökologie und Naturschutz (ILN). Das Projekt wird noch bis 2025 laufen.
Blühstreifen-Netzwerke
Die Maßnahmengebiete auf beiden Standorten sind 50 ha groß, der Anteil der Blühflächen beträgt 5 ha. 2018 hat man in Dettenheim die Blühfläche halbiert, um festzustellen, ob sich dadurch Auswirkungen auf die Biodiversität einstellen. In den ersten zwei Jahren seit der Flächenreduktion waren noch keine relevanten Effekte auf die Arten und Populationen sichtbar. 2021 erfolgte diese Reduzierung auch in Rheinmünster.
Die Zwischenergebnisse bis 2021 sind insgesamt bemerkenswert.
- An beiden Standorten ist die Zahl an Wildbienenarten in den Maßnahmengebieten drei- bis viermal größer als im Jahr 2010 und als in den Kontrollgebieten. Dr. Rainer Oppermann, IFAB: „Das ist auch für mich sehr überraschend, dass die Artenzahlen weiter steigen“.
- Besonders hervorzuheben ist die Zunahme von gefährdeten und spezialisierten Arten. 2021 wurden in den Blühflächen zwei- bis dreimal mehr Rote Liste-Arten sowie vier- bis fünfmal mehr Individuen dieser Arten als in den Kontrollflächen erfasst. Außerdem wurden in den Maßnahmengebieten drei- bis fünfmal mehr Nahrungsspezialisten gefunden als in den Kontrollgebieten.
- In den Blühflächen sind die Wildbienen-Individuenzahlen deutlich höher. Die Anzahlen schwanken jährlich und hängen vor allem von der Anzahl der Hummeln ab. Diese reagieren sensibel auf Witterungsänderungen.
- In Dettenheim wurden in den Blühstreifen in den vergangenen vier Jahren durchschnittlich viermal mehr Wildbienen als in den Kontrollflächen beobachtet, in Rheinmünster 14-mal mehr. Seit 2013 wurden in den Blühflächen in Rheinmünster mehr Individuen erfasst als in Dettenheim.
- Beide Standorte liegen in der Nähe naturnaher Flächen, was den Einflug von Insekten zusätzlich befördert. Die Einbettung in den Naturraum spielt also eine wichtige Rolle.
Fazit Stand heute
- Die Anlage von Blühflächen auf 10 % der Flächen der Maßnahmengebiete hat durch das kontinuierliche, gute Blühangebot zu einer beträchtlichen und anhaltenden Steigerung der Arten- und Individuenzahlen bei Wildbienen und Schmetterlingen geführt.
- Erfolgskriterien sind die Vielfalt von Blühmischungen (vor allem mehrjährige artenreiche Mischungen mit Frühjahrs- und Herbstansaat), die Kontinuität der Blühflächen durch gestaffeltes Management und ein Netzwerk von Blühflächen, mit einem ausreichenden Maßnahmenanteil und kurzen Distanzen (weniger als 200 m) zwischen den Blühstreifen. Die kurzen Distanzen sind deswegen so wichtig, weil viele Insektengruppen keine weiten Distanzen zurücklegen können.
Die am Projekt beteiligten Landwirte sind ebenfalls überzeugt von dem, was sie tun. „Wenn es bei mir geht, auf den kleinen Flächen, dann geht es doch anderswo erst recht,“ meint etwa Reiner Graf vom Birkenhof in Rheinmünster. „Es ist erfreulich, wie gut sich intensiver Ackerbau mit wirksamen Biodiversitätsmaßnahmen verknüpfen lässt“, ergänzt Gernot Bolz.
Die Politik muss unterstützen
In einem Punkt sind sich alle beteiligten Akteure einig: Insektenschutz ist – wenn gut geplant, gut betreut und gut durchgeführt – auch in der intensivgenutzten und hochproduktiven Agrarlandschaft möglich. Seitens der Politik müssen aber die richtigen Rahmenbedingungen hierfür geschaffen werden: Beratung der landwirtschaftlichen Betriebe, naturräumliche Planung der Maßnahmen und Passgenauigkeit für den jeweiligen Betrieb, und ausreichend finanzielle Anreize für die Betriebe, die Maßnahmen auf ihren Flächen umsetzen.