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topplus SUR und Sensible Gebiete

Pflanzenschutzverbot: Nutzen für Artenvielfalt unklar, wirtschaftlicher Schaden garantiert

Eine noch nicht abgeschlossene Studie im Auftrag der BASF zeigt, dass die ökonomischen Folgen der SUR-Pflanzenschutzverbote enorm wären, ohne dass der Artenschutz davon nachhaltig profitieren würde.

Lesezeit: 6 Minuten

Dass die im Rahmen der Sustainable Use Regulation (SUR) angestrebten pauschalen Pflanzenschutzmittelverbote zu mehr Artenvielfalt führen werden, steht noch nicht fest. Klar ist aber schon jetzt, dass damit spürbare betriebswirtschaftliche Einbußen für die Agrarbetriebe verbunden sein werden. Selbst der Bodenmarkt dürfte die Folgen spüren.

Das sind jedenfalls die bisherigen Erkenntnisse aus einem Vorbericht zur Metastudie „Agrarproduktion und Biodiversität in Deutschland im Kontext der SUR“, die von der HFFA Research GmbH im Auftrag der BASF durchgeführt hat und die im Oktober abgeschlossen wird.

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Bis zu 3,8 Mio. ha in Deutschland betroffen

Wie HFFA-Geschäftsführer Dr. Steffen Noleppa heute in Berlin erklärte, setzt die Studie die Umsetzung des sogenannten Nonpapers zur SUR voraus, laut dem ein Totalverbot von chemischen Pflanzenschutzmitteln in „Sensiblen Gebieten“ eingeführt werden soll. Geht man davon aus, dass sowohl Natur- und Wasserschutzgebieten sowie Landschaftsschutzgebieten dazu zählen, wäre bis zu einem Drittel der deutschen Ackerfläche oder rund 3,8 Mio. ha von einem derartigen Verbot betroffen. Die regionalen Schwankungen wären allerdings enorm: Während sich in Schleswig-Holstein gerade 3,6 % der Ackerflächen in „Sensiblen Gebieten“ befinden, wären es in Hessen 45,5 %. Das liegt vor allem an den Unterschieden bei der Schutzgebietskulisse.

30 % Ertragsrückgang und Wertverfall

Bei einem pauschalen Verbot von chemisch-synthetischen Pflanzenschutz in Sensiblen Gebieten wäre mit Ertragseinbußen von fast einem Drittel zu rechnen. Besonders stark wären Raps, Kartoffeln und Weizen betroffen. Der Rückgang der Produktivität läge bei diesen drei Ackerkulturen laut den Autoren der Studie jeweils bei über 30 %. Weniger stark wären die Folgen bei Kulturen wie Silomais, der bekanntlich mit sehr wenig Pflanzenschutzmitteln (PSM) auskommt.

Eine mögliche Folge der SUR-Umsetzung wäre daher noch mehr Vermaisung in den betroffenen Gebieten, warnte Noleppa. Er gibt auch zu bedenken, dass Produktionsverluste tatsächlich noch höher ausfallen könnten, da die Erzeugung mancher Marktfrüchte ohne PSM mitunter nicht mehr rentabel wäre. Betriebe würden dann womöglich eher auf Stilllegung oder Agrarumweltmaßnahmen (AUM) setzen und an der Stelle gar keine Feldfrüchte mehr erzeugen.

Wissenschaftliche Basis der SUR „sehr dünn“

Im Gegenzug sind laut den bisherigen Studienergebnisse zu den Vorteilen eines PSM-Verbots auf Ackerflächen nicht so eindeutig, wie man angesichts der politischen Diskussion annehmen könnte. Im Rahmen der HFFA-Studie wurden 90 Quellen mit 150 Fallbeispielen zu Biodiversitätseffekten untersucht. Darunter waren lediglich fünf Fallbeispiele zu PSM-Verzicht. Die Ergebnisse wiesen kaum oder nur geringe Effekte auf die Artenvielfalt aus. Laut Noleppa ist damit die wissenschaftliche Basis für die SUR „sehr dünn“.

Der Berliner Agrarökonom hat zusammen mit seinen Mitautoren die betriebswirtschaftlichen Folgen pauschaler Pflanzenschutzverbote auf einzelne Betriebe heruntergebrochen. Einer davon ist die Agrargenossenschaft Trebbin. Sie betreibt auf nordwestlich von Berlin auf rund 2.900 ha 13-gliedrigen Ackerbau und Milchviehhaltung. Nach Angaben des Vorstands der Agrargenossenschaft, Dr. Thomas Gäbert, liegen 465 ha des Unternehmens in Natur- und Wasserschutzgebieten, weitere rund 400 ha im Landschaftsschutzgebiet.

Zwangsintensivierung auf Restflächen

Die SUR-Umsetzung auf allen relevanten Schutzflächen würde den Betrieb nach den HFFA-Berechnungen bis zu 160.000 € Deckungsbeitrag pro Jahr kosten. Die in den Schutzgebieten liegenden Flächen wären ohne PSM oft nicht mehr für den Marktfruchtanbau geeignet. Gäbert wäre dann gezwungen, die außerhalb liegenden Flächen eher noch intensiver zu bewirtschaften. Bisher freiwillig durchgeführte Artenschutzmaßmaßnahmen und auch Stilllegung würde von dort in die Schutzgebiete wandern.

Ob das unterm Strich zu mehr Artenschutz führt, ist allerdings zweifelhaft. Die Konzentration von Artenschutzmaßnahmen in Schutzgebieten wäre aber auf jeden Fall kein Beitrag zur Vernetzung von Biotopen.

SUR als Gebäudeenergiegesetz der Landwirtschaft

Gäbert geht zusätzlich davon aus, dass die Nutzflächen in SUR-Gebieten tendenziell an Wert verlieren, wenn dort nur noch ohne Pflanzenschutz und extensiv gewirtschaftet werden kann. Es droht hier also ein ähnlicher Effekt wie beim Gebäudeenergiegesetz, wo mit älteren, schlechter gedämmten Häusern schon jetzt ein Wertverlust zu beobachten ist. Laut Noleppa könnte es auch die Praxis des rotierenden Flächentauschs torpedieren, wenn ein Teil der Flächen zwangsweise ökologisch bewirtschaftet werden muss.

Gäbert fragt sich deshalb, ob politische Projekte wie die SUR in Brüssel und Berlin ausreichend auf ihre erhofften Ziele evaluiert werden. Der Blick auf die (vorläufigen) Ergebnisse der HFFA-Studie lässt da jedoch nicht nur ihn zweifeln.

Röser: Biodiversität da fördern, wo es Sinn macht

Der Leiter Nachhaltigkeit bei BASF Agricultural Solutions in Nordeuropa, Markus Röser, will Kritik an der Studie nach dem Motto „von der Pestizidindustrie beauftragt“ nicht gelten lassen. Er betont, die BASF unterstütze den Green Deal und auch Teile der SUR wie den Wunsch nach Reduzierung des PSM-Einsatzes nachdrücklich. Man lehne allerdings pauschale Pflanzenschutzverbote ab, zumal deren Nutzen für den Artenschutz mehr als fraglich sei. Stattdessen wirbt Röser dafür, Produktivität intelligent mit Arten- und Klimaschutz zu verknüpfen, nach dem Prinzip „Biodiversität da fördern, wo es Sinn macht“.

Die BASF zieht deshalb aus der Studie folgende Schlüsse für mehr Biodiversität:

  1. Ein Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel und damit geringere Erträge ist nicht gleichbedeutend mit mehr Artenvielfalt! Pauschale Verbote von Pflanzenschutzmitteln haben kaum Auswirkungen auf die Biodiversität!
  2. Biodiversität sinnvoll fördern durch Schaffung von Brut-, Nahrungs- und Lebenshabitaten und Biotopvernetzung. Dabei gilt: Qualität vor Quantität – lieber 2% mehrjährige Blühfläche als 4% jährlich wechselnder Brachen!
  3. Langfristige Maßnahmen, z.B. mehrjährige Blühstreifen, anstatt einjähriger Blühflächen, haben größere ökologische Auswirkungen.
  4. Verbundstrukturen schaffen mit vernetzten Biodiversitätsmaßnahmen in Randstrukturen anstatt pauschaler Einzelmaßnahmen auf der produktiven Ackerfläche.
  5. Lokale Managementpläne mit Biodiversitätszielvorgaben statt pauschaler Verbote und Stilllegungen.

Nach Auffassung der BASF ist eine grundlegende Überarbeitung der SUR unumgänglich. Die Verordnung müsse die Voraussetzungen schaffen, den Einsatz auf Grundlage des integrierten Pflanzenschutzes für eine nachhaltige Ernährungssicherung weiterzuentwickeln.

Darüber hinaus fordert die BASF von der Politik:

  • Die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln soll sich an Risiko und Emission orientieren, nicht allein an der Menge.
  • Keine Totalverbote in „sensiblen Gebieten“, sondern lokale und kooperative Maßnahmen, um effizient Umweltziele zu erreichen und landwirtschaftliche Produktion zu sichern!
  • Förderung von emissions- und risikoreduzierenden Maßnahmen wie digitale und Präzisionslandwirtschaft und Weiterentwicklung der Methoden des Integrierten Pflanzenschutzes.
  • Gezielte Förderung von Innovationen im Pflanzenschutz (adäquate Alternativen wie Low-Risk-Produkte, biologische Pflanzenschutzmittel, resiliente Sorten aus moderner Züchtungstechnik.
  • Staatliche Investitionen in bessere Beratungsangebote für Zukunftsbereiche wie Digitalisierung/Präzisionslandwirtschaft sowie Biodiversitätsförderung
  • Keine pauschalen Verbote über die SUR, sondern die gezielte Förderung der Biodiversität über die GAP

    1. Ertragsstarke Flächen nicht aus der Produktion nehmen und dafür Biodiversität gezielt in Randstrukturen fördern.
    2. Förderung von Verbundstrukturen über Landschaftselemente auf den Betrieben.
    3. Förderung von mehrjährigen Biodiversitätsmaßnahmen.
    4. Förderung von ökologisch sinnvollen Maßnahmen mit geringem Flächenanspruch wie Luzerneblühinseln, Nisthilfen, Offenbodenstellen, Erdaufschüttungen, Lesesteinhaufen, Feldlerchenfenster, Ackerrandstreifen, Kiebitzinseln, Rebhuhnflächen.
  • Wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zum Beispiel aus BASF FarmNetzwerk oder F.R.A.N.Z Projekt als Basis für politische Entscheidungen nutzen.

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