Am Mittwochmorgen hat das Kabinett das Insektenschutzpaket beschlossen. Sowohl das Bundeslandwirtschafts- (BMEL) als auch das Bundesumweltministerium (BMU) sprechen nach ihrer Einigung auf Regeln zum Insektenschutz von einem guten Kompromiss. Dieser wurde mit dem Kanzleramt eng abgestimmt, heißt es aus beiden Häusern. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner fügt dem Kabinettsbeschluss allerdings noch eine eigene Protokollerklärung zu, laut der den Ländern Abweichungsmöglichkeiten gesetzlich zugesichert werden sollen. Knirschen tut es noch mit den Bundestagsfraktionen. Die CDU/CSU-Fraktion kündigt bereits Änderungen im Bundestagsverfahen an.
Inkrafttreten frühestens im Sommer 2021
Beim Bundesnaturschutzgesetz mit den Regelungen zum Biotopschutz von artenreichem Grünland und bestimmten Streuobstwiesen muss der Bundestag noch über die Gesetzesvorlage abstimmen. Bei den Regelungen zum Pflanzenschutz in Schutzgebieten, den Gewässerrandstreifen und dem Glyphosat-Ausstieg sind hingegen die Länder über den Bundesrat noch am Zug.
Sowohl das BMU als auch das BMEL versicherten gegenüber top agrar, dass durchaus noch mit Änderungen an den Regierungsentwürfen im Bundestag und Bundesrat gerechnet wird. Dennoch gaben sie sich optimistisch, dass die Vorhaben noch vor der Bundestagswahl auch beschlossen und zu einer großen Einigung kommen werden. Sollten die Beratungen im Bundestag und Bundesrat für die Regelungen noch vor der Sommerpause und damit vor der Bundestagswahl zu einer Einigung kommen, dann wäre der früheste Termin für das Inkrafttreten der Juli 2021.
Im Detail haben sich die Ministerien auf folgendes geeinigt:
1. Pflanzenschutzeinschränkungen in Schutzgebieten: In nationalen Schutzgebieten und nur bei Grünland und Wald auch in FFH-Gebieten gilt künftig ein Verbot für Herbizide und Bestäuber-schädliche Insektizide. Auch davon gibt es Ausnahmen, wenn Wälder etwa von Borkenkäfern geschädigt werden. Vogelschutzgebiete sind von den Regeln nicht betroffen. Auch der Ackerbau ist in FFH-Gebieten bis 2024 von der Regelung ausgenommen. Hier sollen die Länder über freiwillige, förderfähige Naturschutzmaßnahmen bis 2024 Regelungen schaffen. Ausgenommen von den Pflanzenschutzverboten sind in den FFH-Gebieten auch alle Sonderkulturen im Obst und Gemüsebau, Hopfen und Wein sowie die Saatgutproduktion.
2. Gewässerrandstreifen: An Gewässern werden Randstreifen von mindestens fünf Metern (bei dauerhafter Begrünung) oder zehn Metern (ohne Begrünung) vorgeschrieben. Kleine Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung sind davon ausgenommen. Für die Länder, die teilweise schon eigene Regelungen dazu haben und für Regionen mit vielen Gräben gibt es eine Länderöffnungsklausel, mit der sie von den Abständen abweichen können.
3. Glyphosat-Ausstieg: Für Glyphosat gibt es ein Anwendungsverbot ab 1. Januar 2024. Bis dahin soll der Einsatz in der Landwirtschaft nur noch in Ausnahmen, wenn mechanische Verfahren nicht greifen, bei Problemunkräutern oder Erosionsgefahr erlaubt bleiben. Das Glyphosat-Verbot gilt allerdings ab 2024 nur, sofern der Wirkstoff auf EU-Ebene ab 2023 nicht noch einmal zugelassen wird.
4. Biotopschutz für artenreiches Grünland und Streuobstwiesen: Im Bundesnaturschutzgesetz werden artenreiches Grünland und Streuobstwiesen in den Biotopschutz aufgenommen. Das gilt für „Magere Flachland-Mähwiesen“ und „Berg-Mähwiesen“. Dort dürfen keine Herbizide und Bestäuber-schädliche Insektizide mehr ausgebracht werden. Bei den geschützten Streuobstwiesen handelt es sich um extensiv genutzte Obstbaumbestände mit mindestens 25 lebenden Bäumen, überwiegend aus Hochstämmen (mindestens 160 cm Stammhöhe), auf Wiesen mit einer Mindestfläche von 1500 qm. Bei den Trockenmauern als Biotop gibt es eine Ausnahme für den Weinbau, damit dieser in Steillagen nicht beeinträchtigt wird und Pflanzenschutz einsetzen kann. Auch hier gibt es Länderöffnungsklauseln.
5. Lichtverschmutzung: Zudem enthält das Bundesnaturschutzgesetz Vorschriften zur Eindämmung der Lichtverschmutzung und zur insektenfreundlichen Landschaftsplanung. Danach werden sogenannte Skybeamer in Schutzgebieten untersagt. Außerdem sollen insektenfreundliche Lichtquellen bevorzugt werden, wenn ein Austausch nötig wird.
Förderfähigkeit durch Länder bleibt erhalten
Insbesondere den Einwand, dass es mit den Regelungen keine Förderfähigkeit für Landwirte bei Insektenschutzmaßnahmen geben wird, weisen die Ministerien nach ihrer Einigung zurück. Vor allem in den FFH-Gebieten hätte es zu allen Zeiten der Verhandlungen über den FFH-Ausgleich die Möglichkeit gegeben, Naturschutzmaßnahmen auch weiter zu fördern, heißt es sowohl vom BMEL als auch vom BMU. Damit würden der Niedersächsische Weg oder die Regeln, die in Baden-Württemberg und Bayern nach den Volksbegehren getroffen wurden, nicht gefährdet, heißt es. Die Ministerien beteuern, dass dazu viele Fehlinformationen und Missverständnisse im Umlauf seien. Neu sei in der Einigung einzig, dass der Ackerbau in FFH-Gebieten bis 2024 komplett aus den Regelungen raus falle. Dabei handelt es sich deutschlandweit laut den Ministerien um rund 110.000 ha.
DBV weiter unzufrieden
Der Deutsche Bauernverband (DBV) ist auch am Mittwochmorgen nicht mit der Einigung zufrieden. Der Vorstand des DBV kritisiert den aktuellen Regierungsentwurf des Insektenschutzpakets nach wie vor als "völlig unzureichend". „Hier sind weitere substanzielle Veränderungen erforderlich. Dieses Gesetzespaket würde die Existenzgrundlage vieler Bauernfamilien gefährden. Es ist vor allem nicht geeignet, den kooperativen Naturschutz gemeinsam mit den Bauern voranzubringen“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied.
Im Detail kritisiert der DBV noch folgende Punkte:
1. Der Biotopschutz für artenreiches Grünland und Streuobstwiesen sei im Gesetzestext immer noch zu pauschal aufgeführt.
2. In Naturschutzgebieten gehe beim Pflanzenschutz gar nichts mehr, auch die Ausnahmen z.B. für Tiergesundheit, schwere Verkrautung, landwirtschaftliche Schäden, invasive Arten gelten dort nicht.
3. Die FFH-Ackerflächen sind nur befristet bis 2024 ausgenommen von den Pflanzenschutzverboten.
4. Die Pflanzenschutzverbote für FFH-Grünland bleiben in den Entwürfen drin.
5. Die Öffnung für die Länderregeln sei zu undeutlich formuliert, das betreffe auch mögliche Fördergrundlagen.
6. Die Evaluierung des Insektenschutzpaketes und die Regelungen für Ackerbau in FFH-Gebieten ab 2024 fielen in die Legislatur der nächsten Bundesregierung.
7. Entschädigung für Gewässerrandstreifen haben für den DBV nach wie vor keine sichere Grundlage. Und die Definition der einbezogenen Gewässertypen wurde ausgeweitet.