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topplus Frauen in der Landwirtschaft

Betriebsleiterin – ist doch selbstverständlich, oder?

Langsam werden es mehr Frauen, die einen landwirtschaftlichen Betrieb leiten. Dabei gehen sie oft ganz eigene, kreative Wege, um zu ihrem Ziel zu kommen.

Lesezeit: 6 Minuten

Ein Frau in der Betriebsleitung: Für die einen völlig normal, kein Thema wert. Bei anderen stoßen Betriebsleiterinnen immer noch auf Skepsis. Fragen wie: „Hast Du keinen Bruder?“, „Und wenn Kinder kommen?“ kennen viele betroffene Frauen.

Also doch nicht selbstverständlich? top agrar hat nachgefragt – bei Betriebsleiterinnen und in der Beratung. Gute Einblicke gibt auch die gerade erschienene Studie „Frauen.Leben.Landwirtschaft.“ vom Thünen-Institut und der Universität Göttingen.

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Europäisches Schlusslicht

Frauen in der Landwirtschaft sind sichtbarer geworden. Influencerinnen berichten in sozialen Medien, es gibt mehr Frauen in den Verbänden und der Deutsche Bauernverband hat inzwischen eine Vizepräsidentin. Auch in der Praxis gibt es einen klaren Aufwärtstrend: 20 % der landwirtschaftlichen Azubis sind weiblich. Bei den Arbeitskräften in der Landwirtschaft beträgt der Frauenanteil 36 %, bei den Agrar-Studierenden mittlerweile fast 50 %.

In der Betriebsleitung gibt es aber nur knapp 11 % Frauen, in den vergangenen 20 Jahren ist der Anteil statt nur um 2 % gestiegen. Zukünftig könnten es mehr werden. So bekunden 18 % der Einzelunternehmer über 55 Jahren, dass eine Frau nachfolgen wird. Innerhalb von Europa liegt Deutschland dennoch am unteren Ende der Skala. Im europäischen Schnitt werden knapp 30 % der Betriebe von Frauen geführt.

Unsichtbare Hürden

„Betriebsleiterinnen haben sich meist ganz bewusst für ihren Weg entschieden und bringen oft ganz neue Ideen mit“, meint Anne Dirksen, Fachfrau bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Allerdings bräuchten sie auf ihrem Weg deutlich mehr Mut als gleichaltrige Männer. Grund dafür, da sind sich Experten einig, sind die klassischen Rollenzuschreibungen: Die Männer erledigen die Arbeit auf dem Hof, die Frauen kümmern sich um Kinder und Haushalt. Diese Haltung ist auf den Höfen oft besonders ausgeprägt, so die Frauenstudie. Viele Familien seien gar überzeugt, dass der Hof schon rein rechtlich an einen männlichen Nachfolger gehen müsse. Meist hätten Frauen nur dann eine Chance, wenn sie keine (interessierten) Brüder haben. Auch bei außerfamiliären Hofübergaben würden Frauen nur schwer zum Zuge kommen.

Andere Frauen als Vorbilder helfen, sich die Hofübernahme zuzutrauen."
Veronika Grossenbacher

Dennoch kommt Bewegung in das Thema. Gerade junge Betriebsleiterinnen gehen ihren Weg viel selbstbewusster. So berichtet z. B. Veronika Grossenbacher vom Evangelischen Bauernwerk in Baden-Württemberg, dass Betriebsleiterinnen heute leichter in ihre Rolle finden als noch vor 10 oder 20 Jahren.

Spricht man mit Landwirtinnen aus den ostdeutschen Bundesländern, zeigt sich ein noch anderes Bild. Aufgrund anderer Rollenbilder der DDR-Vergangenheit und den weniger familien­orientierten Betriebsstrukturen haben Frauen es auch in der Landwirtschaft leichter, die Betriebsleitung zu übernehmen (siehe Grafik).

Wo sind die Vorbilder?

Was jungen Frauen hilft, ist eine offene, fördernde Haltung der Eltern und des Umfeldes. Ganz wichtig, so Studie und Beratung, sind auch Vorbilder. Das können Betriebsleiterinnen aus dem eigenen Umfeld sein oder auch solche, die z. B. auf Social Media präsent sind. Sie ermutigen junge Frauen, selbstbewusst eigene Wege zu gehen.

Eine ganz zentrale Strategie sei auch, über ein Agrarstudium in die Betriebsleiterinnenposition hineinzuwachsen, so Janna Luisa Pieper von der Uni Göttingen, die als leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin im Rahmen der Frauenstudie rund 200 Frauen in ganz Deutschland persönlich befragte. „So eignen die Frauen sich im Studium fehlende landwirtschaftliche Kompetenzen an, lernen andere Rollenvorbilder kennen und knüpfen neue Netzwerke.

Weitere Erkenntnis: Der Austausch mit Gleichgesinnten ist wichtig. „Oft fehlt aber ein passendes Netzwerk“, berichtet Pieper aus den Studienergebnissen. „Die Interviews mit Betriebsleiterinnen ergaben, dass sich am ehesten im Biobereich Frauen-Netzwerke finden. Für alle anderen, auch potenzielle Betriebsleiterinnen, fehlt oft eine solche Vernetzungsmöglichkeit.“

Aber auch hier bewegt sich was. So gibt es beim Deutschen Bauernverband seit letztem Jahr einen Fachausschuss für Unternehmerinnen, der u. a. die Sichtweise der Betriebsleiterinnen in die Verbandsarbeit bringen und beim Netzwerken unterstützen soll. Auch auf Landesebene haben sich erste Fachausschüsse gebildet. Ob alle Landesverbände nachziehen, ist noch unklar. Thüringen z. B. hat einen Sonderweg gewählt. „Wir bleiben bei unserem schon seit Jahren gut funktionierenden „Netzwerk Unternehmerinnen“, berichtet Nicole Lombardi, Betriebsleiterin aus der Nähe von Eisenach.

Kind oder Kuh?

„Heutzutage sollte beides möglich sein – Betriebsleitung und eigene Familie“, ist Anne Dirksen überzeugt. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Familiengründung ist mit die größte Herausforderung für eine Betriebsleiterin. Schon in der Schwangerschaft sind manche Arbeiten kaum mehr möglich. Das Anrecht auf eine Betriebs- oder Haushaltshilfe im Mutterschutz reicht oft kaum aus. Für die Zeiten vor und nach dem Mutterschutz können Landwirtinnen diese Hilfen nur im Falle einer Krankschreibung beanspruchen.

Auch darüber hinaus bringt die zusätzliche Rolle als Mutter einen völlig neuen Alltag mit sich. Die Betriebsleiterinnen finden sich teils ganz unerwartet in der Mutter- und Hausfrauenrolle wieder. „Die Verantwortung auf dem Hof übernehmen dann oft der (Ehe-)Partner und/oder der Vater“, berichtet Veronika Grossenbacher aus ihrer Arbeit mit Betriebsleiterinnen. Das kann für alle Beteiligten auch genau richtig sein. „Oft ist es aber nur der Weg des geringsten Widerstandes, das, was jede(r) kennt“, weiß Anne Dirksen.

Egal, was die Nachbarn sagen

Manch eine Betriebsleiterin geht ihren Weg deshalb anders an. Wichtig dabei, sich frühzeitig und umfassend mit dem Thema Vereinbarkeit zu beschäftigen. Dirksen rät jungen Frauen, tradierte Rollenerwartungen zu hinterfragen und sich die eigenen Bedürfnisse klar zu machen. Dann gehe es darum, sich zu informieren und zu planen, um Betrieb und Familie in Einklang zu bringen.

Überlegen Sie z. B.: Wer kann welche Aufgaben in Betrieb und Familie übernehmen? Kann sich auch der Ehepartner um Haus und Kinder kümmern? Was bieten Elterngeld und -zeit? Wie lassen sich Betriebs- und Haushaltshilfe optimal einsetzen? Was ist mit einer Arbeitskraft für Hof oder Haus? Vielleicht auch eine Tagesmutter oder ein Aupair? Kann der Lohnunternehmer die Ackerarbeiten übernehmen? Oder ist es ggf. sinnvoll, den Betrieb umzustrukturieren und so an die Familiensituation anzupassen – statt umgekehrt?

„Wichtig an dieser Stelle ist“, so Dirksen, „dass die Partner sich einig sind und ihre Entscheidungen gemeinsam vertreten. Dann dürfen die Nachbarn sich ruhig wundern, wenn wieder mal ein Lieferservice das Essen bringt.“

Betriebsleiterinnen sollten sich ruhig auch beraten lassen. Zwar ist die bestehende Beratung selten maßgeschneidert für die Frauen mit ihren speziellen Belangen – nachzufragen lohnt sich aber immer, z. B. bei Verbänden, Landwirtschaftskammern, SVLFG oder ländlichen Bildungsträgern. Fachwissen gibt es hier viel, mit ein bisschen Glück finden sich auch Menschen, die sensibel sind für die Interessen der Frauen.

„Vereinbarkeit von Betrieb und Familie, das sollte auch ein verpflichtender Bestandteil in landwirtschaftlicher Ausbildung und Agrarstudium werden“, schlägt z. B. Janna Luisa Pieper vor, „als wichtiges Lebensthema für junge Frauen und Männer."

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