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topplus Erhöhte Tierarztgebühren

„Die Finanzierung einer Tierarztpraxis ist unterhalb des einfachen Gebührensatzes nicht möglich!“

Während Rechtsanwälte die neue Gebührenordnung fürTierärzte für rechtswidrig halten, verteidigt der Bundesverband praktizierender Tierärzte die neuen erhöhten Gebühren.

Lesezeit: 8 Minuten

Für Diskussionen in der Praxis sorgte das top agrar-Interview „Die neue Gebührenordnung für Tierärzte ist rechtswidrig“ mit Rechtsanwalt Kai Bemmann und Rechtsanwältin Dr. Anne Schmidt aus Verden. Die Rechtsanwälte kritisieren, dass die wirtschaftlichen Belange der Tierärzte durch eine neue Studie in die neue Gebührenordnung einflossen, die wirtschaftlichen Belange der Landwirte dagegen aber kaum beachtet wurden. Im Interview erklärt uns Heiko Färber, Geschäftsführer des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte e.V., weshalb er die neuen Tierarztgebühren für angemessen hält.

In unseren direkten EU-Nachbarländern wie z.B. Niederlande, Belgien oder Polen sind die Gebühren für vergleichbaren Tierarztleistungen – teilweise deutlich – niedriger. Warum ist Ihres Erachtens in Deutschland eine so erhebliche Preissteigerung von teilweise 100 bis 300 % nötig?

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Färber: Der von der Bundesregierung beauftragte Gutachter, die AFC Public Services GmbH, hat das Anpassungsvolumen der neuen GOT in einer Studie mit durchschnittlich 20 Prozent berechnet und diese Zahl so gegenüber Verbänden und Öffentlichkeit kommuniziert. Dass die Preise gerade im Pferdebereich deutlich gestiegen sind, hängt v.a. damit zusammen, dass viele Praxen im Zuge der aktuellen GOT-Diskussion seit Langem wieder einmal ihre Kostenstruktur überprüft und festgestellt haben, dass es wegen stark steigender Personal- (Tierärztemangel) und Energiekosten (Ukraine-Krieg) dringenden Nachholbedarf gibt. Vielen ist dabei auch aufgefallen, dass sie bereits bestehende GOT-Positionen bislang gar nicht abgerechnet haben. Da es in den von Ihnen genannten Ländern keine (gesetzlichen) Gebührenordnungen gibt, werden in der Diskussion zum Teil Äpfel mit Birnen verglichen. "Lockangebote" sind in Deutschland durch den einfachen Gebührensatz (mindestens!) genauso ausgeschlossen, wie eine Übervorteilung des Tierhalters durch Berechnung des maximal dreifachen Gebührensatzes.

Für die neue Gebührenhöhe war die Studie eines von der Bundesregierung beauftragten Wirtschaftsunternehmens maßgeblich. Dieses befragte allerdings nur die Tierärzte und tierärztliche Berufsgruppen. Wie wurden die Interessen der Tierhalter berücksichtigt?

Färber: Das müssten Sie eigentlich die Bundesregierung fragen. Nach meinem Verständnis ging es in dem Gutachten darum, die wirtschaftlichen Auswirkungen des bereits im Jahr 2012 von der Bundestierärztekammer (BTK) vorgelegten GOT-Strukturvorschlags zu überprüfen, der einerseits für mehr Transparenz sorgt und andererseits den medizinisch-wissenschaftlichen Fortschritt abbildet. Die AFC hat die Kostenstruktur für die verschiedenen Praxisrichtungen erhoben, daraus ein Minutensatz errechnet, der wiederum mit dem erforderlichen Zeitbedarf für die einzelnen Tätigkeiten multipliziert wird. Soll heißen: Mit der neuen GOT wird jetzt die finanzielle Realität in den Praxen abgebildet, die, wenn sie nicht richtig abgebildet wird, die tiermedizinische Versorgung weiter verschlechtern würde, insbesondere im Not- und Nachtdienst. Das wäre dann auch ein großes Problem für die Tierhalter. Dieser Entwicklung wollte die Bundesregierung nicht untätig zusehen, sondern aktiv entgegen steuern.

Was stellte das Wirtschaftsunternehmen über die finanzielle Realität der einzelnen tierhaltenden Bevölkerungskreise (Familien, Rentner, Landwirte) über deren aktuellen Ausgaben für Tierärzte und über den finanziellen Spielraum für höhere Ausgaben fest?

Färber: Diese Frage war nicht Gegenstand des Gutachtens und wurde auch von keinem der beteiligten Tierhalterverbänden in den Anhörungen eingefordert. Grundsätzlich aber ist es die Position der Bundesregierung wie auch die meines Verbandes, dass sich jede/r Tierhalter/in vor der Anschaffung eines Tieres bewusst machen sollte, dass sie/ er die Verantwortung für diese/s Tier/e tragen kann. Dazu gehört natürlich auch eine adäquate tiermedizinische Versorgung.

Wann und mit welchen konkreten Fragen hörten Bundesregierung und Bundeslandwirtschaftsministerium die Vertreter der öffentlichen Belange (Fachkreise) an?

Färber: Zur Klarstellung: In § 12 (2) Bundestierärzteordnung (BTO) heißt es lediglich, dass „den berechtigten Interessen der Tierärzte und den zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen ist.“ Ein fixes Anhörungsverfahren ist dort nicht vorgesehen, sondern steht im Ermessen der Bundesregierung. Weil das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aber um die Sensibilität in dieser Angelegenheit weiß, hat am 15. Dezember 2021 nicht nur eine mündliche Anhörung, sondern im darauffolgenden März 2022 dann auch nochmal eine schriftliche Verbändeanhörung stattgefunden. Zu diesen Anhörungen waren neben den Tierärzteverbänden BTK und bpt, die Tierhalterverbände Deutscher Bauernverband (DBV), Deutscher Tierschutzbund (DTB), die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), die beiden Nutztierverbände Bundesverband Rind und Schwein (BRS) und der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) sowie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) eingeladen. Die Stellungnahmen der Verbände sind öffentlich einsehbar und machen deutlich, dass vor dem Hintergrund des Tierärztemangels und den weiter bestehenden Möglichkeiten zur Abweichung von den Gebührensätzen durch Abschluss eines Bestandsbetreuungsvertrages (Landwirtschaft, Tierheime), das Verständnis für die GOT-Novelle groß und die Kritik nicht besonders ausgeprägt war. Da der GOT-Novelle auch der Bundesrat zustimmen muss, hätte auch über die Länderregierungen die Möglichkeit zur Einflussnahme bestanden. Aber nicht nur bei den Anhörungen der Bundesregierung, auch gegenüber den Ländern hat es nur sehr wenige Anmerkungen gegeben. Die Politik musste deshalb wohl zurecht davon ausgehen, dass der GOT-Entwurf insgesamt ausgewogen ist.

Es gibt die Befürchtung, dass Tierhalter es sich wegen der stark gestiegenen Kosten schlichtweg nicht mehr leisten können, den Tierarzt anzurufen. Sehen Sie das Tierwohl dadurch gefährdet?

Färber: Wir sehen dafür bislang keine Anzeichen. Im Übrigen: Wer mit seiner Tierärztin/ seinem Tierarzt in gutem Kontakt steht, der findet in aller Regel für solche Fälle auch eine Lösung, z.B. in Form von Ratenzahlungen. Auch eine Tierkrankenversicherung ist eine gute Möglichkeit, um sich abzusichern.

Gibt es Ihres Erachtens durch drastische Preiserhöhungen im Bereich tierärztlicher Gebühren wieder mehr Tierärzte?

Färber: Nach noch nicht einmal einem Jahr kann man dazu nichts seriös sagen. Richtig ist aber, dass wir aus den Praxen/ Kliniken hören, dass durch die neue GOT die Angestellten besser bezahlt werden, dass mehr auf die legalen Arbeitszeiten geachtet werden kann und sich dadurch auch die Arbeitszufriedenheit verbessert. Damit schaffen wir es hoffentlich, dass künftig weniger als 30 Prozent der Tierärztinnen und Tierärzte in den ersten 5 Berufsjahren in nicht-tierärztliche Bereiche abwandern. Das ist aber ein mittel- bis langfristiger Prozess, dessen Ergebnisse wir frühestens in 4 Jahren sehen werden. Die GOT-Notdienstnovelle in 2022 gibt vielleicht gute Anhaltspunkte. Denn seit der Not- und Nachtdienst kein reines Zuschussgeschäft mehr ist und die diensthabenden Tierärztinnen und Tierärzte mehr verdienen, verbessert sich die Situation langsam aber stetig.

In der Praxis ist es vielen Tierärzten offenbar selbst unangenehm, die neuen hohen Gebührensätze abzurechnen. Es gibt Tierärzte, die deshalb die GOT nicht vollumfänglich anwenden. Wie gehen Sie damit um?

Färber: Davon habe ich bei uns im Verband noch nichts gehört. Auch, dass es Tierärztinnen/ Tierärzte geben soll, die die GOT nicht vollumfänglich anwenden. Denn die Finanzierung einer Praxis bei Abrechnung unterhalb des einfachen Gebührensatzes ist doch schlichtweg nicht möglich, zumindest ist es kein gesundes Geschäftsmodell das langfristig trägt.

Finden Sie es richtig, dass die Landestierärztekammern ihre Mitgliedsärzte dazu aufrufen, die GOT strikt einzuhalten und teilweise sogar die Tierärzte aufrufen, sich untereinander zu überwachen?

Färber: Dass die Landestierärztekammern zur strikten Einhaltung der GOT aufrufen ist nicht nur richtig, es ist sogar deren Pflicht! Und dass Tierärzte sich untereinander überwachen, dazu braucht es keine Kammer, das war schon immer so, auch schon vor der GOT-Novelle 2022.

Wird sich der Bundesverband praktizierender Tierärzte für eine Veränderung der GOT einsetzen? An welchen Punkten würden Sie ansetzen?

Färber: Ich glaube der Vorschlag der Bundesregierung ist gut, die GOT nach vier Jahren zu evaluieren. Ob dann die neue GOT die gewünschten Auswirkungen hat, wird sich in 4 Jahren vielleicht schon beurteilen lassen. Aus meiner Sicht wäre die Novelle jedenfalls dann ein Erfolg, wenn das Praxissterben gestoppt wird, der Not- und Nachtdienst flächendeckend verfügbar bleibt, die Abwanderungsquote der angestellten Tierärzte/innen reduziert wird und wir die gleiche Zahl an Bewerbern/innen für das Tiermedizinstudium wie heute haben. Beim Gebührenverzeichnis gibt es natürlich einige Punkte, die auf den Prüfstand gehören, wie z.B. die stark divergierenden Laborkosten (Praxis- versus Fremdlabor). Aber auch hier gilt: Wir müssen erst einmal sehen wie die neue Gebührenstruktur von den Praxen konkret umgesetzt wird. Erst dann macht es Sinn sich Gedanken über mögliche Änderungen zu machen.

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