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Zurück zu den Fakten: Fleischkonsum nicht gesundheitsschädlich!

Fleischkonsum ist nicht grundsätzlich gesundheitsschädlich und die Tierhaltung nicht per se ein Klimakiller. Statt einfacher Parolen fordert Prof. Wilhelm Windisch sachliche Diskussionen.

Lesezeit: 5 Minuten

Herr Prof. Windisch, gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern haben Sie zur „Dubliner Erklärung 2022 zur gesellschaftlichen Rolle der Tierhaltung“ beigetragen. Was war der Anlass?

Windisch: Politik und Medien argumentieren immer häufiger und intensiver mit Behauptungen statt Fakten. Ideologien und das Vereinfachen von komplexen Zusammenhängen sind einprägsamer als eine sachliche, neutrale Darstellung. Das führt zu fatalen Fehlentscheidungen, die sich zuletzt gehäuft haben.

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Was ist das Ziel der Erklärung und was sind Ihre Forderungen?

Windisch: Wir fordern keine bestimmten Maßnahmen für die Tierhaltung. Das ist nicht die Aufgabe der Wissenschaft. Im Gegenteil: Wissenschaftler sollten neutral Fakten als Grundlage für Diskussionen vorlegen. Genau ­darauf weisen wir hin: Statt Ideologien sollten wissenschaftliche Evidenzen die Grundlage von politischen Entscheidungen sein. Ansonsten entstehen ­sogenannte „alternative Fakten“. ­Unsere Kernbotschaften sind: Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz für gesundheitliche Schäden durch den Konsum von Fleisch. Die Berechnungen der Klimabilanz von Nutztieren, speziell die Rolle von Methan, ist fehlerhaft. Und: Die weltweite Bedeutung von Nutztieren für Ökosysteme und Sozioökonomie wird unterschätzt.

Woher stammen die Aussagen zu ­Gesundheitsrisiken von Fleisch und weshalb sind sie nicht korrekt?

Windisch: Dies waren beispielsweise Aussagen in einer vielbeachteten Publikation in der medizinischen Fachzeitschrift Lancet von 2015 über die krebserzeugende Wirkung von Fleisch. Diese Aussagen wurden in der Wissenschaft und in Medien immer wieder aufgegriffen. So etablierten sie sich in der Gesellschaft und Politik. Bspw. werden im Nutri-Score, dem EU-­System zur Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln, Produkte mit ­rotem Fleisch negativ bewertet.

Doch diese Annahme ist falsch. Das haben jetzt auch US-Wissenschaftler in der Zeitschrift Nature Medicine deutlich gemacht: Einen direkten Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und z. B. Krebserkrankungen gibt es nicht. Entscheidender ist die Ernährung insgesamt. Der moderate Verzehr von Fleisch kann sogar andere Gesundheitsrisiken durch Mangelernährung beheben.

Und welche Fehler sehen Sie in der ­Berechnung von Klimabilanzen?

Windisch: Vorweg: Ich will Klimabilanzen nicht grundsätzlich kritisieren oder ein Greenwashing für die Tierhaltung betreiben. Aber die aktuellen Bilanzen ignorieren physikalische Fakten. Es ist längst erwiesen, dass sich Methan in der Atmosphäre völlig anders verhält als CO2. Es wird rasch abgebaut und bildet eine Gleichgewichtskonzentration auf niedrigem Niveau.

Wenn die Tierzahlen nicht steigen, verursacht Methan keine zusätzliche Erwärmung. Genau das ist in Deutschland der Fall. Es stimmt zwar, dass an anderen Orten der Welt die Tierzahlen steigen und das zusätzliches Methan das Klima belastet. Aber mit undifferenzierten Faustzahlen wird man der komplexen Situation nicht gerecht, begeht systematische Fehler und verpasst die Chance für eine wirksame Entlastung von Umwelt und Klima vor Ort.

Wie sollte man stattdessen vorgehen?

Windisch: Noch einmal: Es ist nicht die Aufgabe der Wissenschaft, Entscheidungen zu treffen. Wir können nur Fakten als Grundlage für Diskussionen darlegen. Wenn ich aber nicht als Wissenschaftler, sondern persönlich antworte, würde ich sagen: Wir müssen die Bilanzen realistischer rechnen und transparenter darstellen. Denn ­aktuell sind Klimabilanzen nur Durchschnittswerte, die eine konstante Umweltwirkung unterstellen.

Doch es gibt mindestens zwei Möglichkeiten: Milch und Fleisch werden im natürlichen Kreislauf nur mit nicht-essbarer Biomasse erzeugt. Oder es werden Futtermittel eingesetzt, die in Konkurrenz zur menschlichen Ernährung stehen, ggf. sogar Importware, die unter Landnutzungsänderung angebaut wurde.

Ein Beispiel: Bei hoher Grundfutterleistung haben die ersten 20 l Milch einer Kuh einen niedrigen Fußabdruck. Wenn für eine höhere Leistung auch Kraftfutter mit essbaren Komponenten eingesetzt wird, erhöht sich der Fußabdruck. Bildet man jetzt einen Mittelwert, lautet das Ergebnis immer: Ohne Kuh ist die Klimabilanz besser. Ideal wäre also, wenn auf Lebensmitteln realistische Bilanzen dargestellt werden, statt sie pauschal negativ zu bewerten.

Was muss sich in der Landwirtschaft bzw. Tierhaltung ändern?

Windisch: Wichtig ist mir, dass die Erklärung kein „Weiter so, wie bisher“ rechtfertigen soll. Im Gegenteil: Die aktuelle Nutztierproduktion wird sich ändern müssen, um sowohl Versorgungssicherheit als auch Nachhaltigkeit auf allen Ebenen in Einklang zu bringen. Aus meiner Sicht ist es besonders wichtig, Lebensmittel statt Futtermittel anzubauen und die Nutztierernährung auf nicht-essbare Biomasse zu beschränken. Wie das konkret ­umgesetzt werden soll, kann ich als Wissenschaftler nicht vorgeben.

Was sind die nächsten Schritte? Was wünschen Sie sich?

Windisch: Mit der Erklärung wollen wir Aufmerksamkeit erzielen und Diskussionen anregen – in der Öffentlichkeit, Politik und auch in der Wissenschaft. Ich persönlich wünsche mir, dass unsere Botschaft wahrgenommen wird: Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Um diese zu lösen, müssen wir weg von ideologischen Parolen und wieder auf Basis von wissenschaftlicher Evidenz diskutieren.

Dubliner Erklärung zur Tierhaltung

Internationale Wissenschaftler haben die „Dubliner Erklärung der Wissenschaft zur gesellschaftlichen Rolle der Tierhaltung“ veröffentlicht (www.dublin-declaration.org), die mittlerweile fast 1.000 Forscher online unterzeichnet haben. Grundlage war eine Fachtagung zu dem Thema im Oktober 2022 in Dublin. Dazu eingeladen hatte die irische Beratungs- und Forschungsorganisation Teagasc. In dem Magazin „Animals Frontiers“ haben Wissenschaftler zudem Artikel veröffentlicht, die den ­aktuellen Stand der Wissenschaft ­darstellen, zum Beispiel zur Bedeutung der Tierhaltung für Sozioökonomie und Ökosysteme sowie des Fleischkonsums in der menschlichen Ernährung.

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